Riesenmaschine

14.11.2006 | 02:47 | Was fehlt | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Zweifelderwirtschaft


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Ketchup mit Hartkäse, so what? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ein grosser Produkttrend des ausgehenden 20. Jahrhunderts war Two-in-One. Er beschränkte sich vermutlich aus Gründen fehlenden Know-Hows auf die Verschmelzung zweier Produkte, von denen eins überflüssig und damit in der Wirkung unüberprüfbar war, wie Shampoo und Conditioner. Anfang des neuen Jahrtausends erlebte die Konsumwelt einen famosen Scheinhöhepunkt durch Geschirrspültabs mit drei Phasen – drei gefühlte Produkte in einem, wo vorher nur ein Produkt in einem notwendig war. Da soll nochmal jemand sagen, Marketing bringt den Verbrauchern nichts.

Inzwischen hat man das Two-in-One-Konzept aufgebohrt und auch auf Lebensmittel angewandt. Jüngstes Beispiel der Firma Werder ist ein Ketchup mit schon Parmesan drauf, bzw. drin. Eine Entwicklungsrichtung, die sich die Lebensmittelgestalter, früher sagte man Fooddesigner, mal als Beispiel nehmen sollten. Der Markt bietet noch Raum für so viel Fehlendes: Bier mit Kartoffelchips drin, Löffel mit schon Essen drauf und richtige Fertiggerichte könnten eigentlich auch mal erfunden werden.


12.11.2006 | 14:25 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Scharf halten


"Das Rasterelektronenmikroskop beweist es." (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Zugegeben, die folgende Geschichte klingt schwer nach Pyramidenhut
meets Antikalkulator.

Nichtsdestotrotz will sie hier erzählt werden: Es ist die Geschichte eines Patents von 1996 mit der Nummer 196 45 592. Sie beginnt mit dem Ärger von Ludwig Kemmelmeier über schnell abstumpfende Rasierklingen und endet fast schon mit der Erfindung des BladeMaster . Ein starker Dauermagnet sollte helfen, die hauchdünnen Schneidkanten von Systemklingen zu stabilisieren, zu härten und zu reparieren. Oder in der Sprache Kemmelmeiers: " Die ungeordneten Kristalle im Klingenstahl werden durch die Feldlinien des Magneten geordnet." Sämtliche Versuche, die Erfindung über einen der beiden Quasimonopolisten Wilkinson oder Gillette zu vermarkten blieben erfolglos. Kein Wunder, schliesslich gehören die Gewinnmargen bei Systemklingen zu den besonders lukrativen im Drogerie-Segment. Eine Vervierfachung der Lebensdauer von Rasierklingen? Da könnte die Industrie ja genau so gut das Nirosta-Auto, den ewigen Kalender oder die Feinstrumpfhose ohne Laufmaschen auf den Markt werfen! Der Erfinder schabte zunächst knapp an der Insolvenz vorbei und vermarktete den Scharfhalter selbst im Internet. Allmählich sprach sich der Spareffekt unter Nass-Rasierern und bei Bikini- Zonenkindern rum. Folge: Wirtschaftlich schneidet Kemmelmeier inzwischen ganz gut ab. Je teurer die 2-, 3-, 4- oder 5-fach-Klinge, desto schneller erreicht man die Gewinnschwelle . Auch wenn das jetzt schwer nach Milchbartmädchenrechnung klingt.

Jörg Meyerhoff | Dauerhafter Link | Kommentare (10)


11.11.2006 | 06:55 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Shopping mit Rudi


Von vorne

Auf dem Dach

Drinnen
Wie man vielleicht weiss, ist der kleine, bizarre Inselstaat Singapur ein Land der Shopping Malls. Auf 4,4 Millionen Einwohner kommen mehr als 150 grosse Einkaufszentren, also auf ca. 30.000 Bewohner eines. Seit dem 7. Oktober kann der Singapurer in einer weiteren Mall Sachen kaufen. VivoCity ist mit gut 335.000 qm Verkaufsfläche momentan das grösste Einkaufsding der Insel, und jetzt schon das erfolgreichste. Nach einer Woche wurden knapp eine Millionen Besucher gezählt, inzwischen dürfte sich also jeder Singapurer das Trumm einmal angekuckt haben.

Gebaut hat die "Lifestyle Mall" der japanische Architekt Toyo Ito, der sein Bauen auch irgendwie auf Gilles Deleuze bezieht. Aber VivoCity – der Name soll sich von vivacity = Lebhaftigkeit oder Lebendigkeit herleiten – erinnert doch wohl eher an anthroposophische bzw. organische Architektur im Geiste Rudi Steiners, was recht lustig ist, weil eine Shopping Mall wohl so unanthroposophisch ist wie höchstens noch Heroin spritzen. Aber Herr Ito vermeidet (oder kaschiert) brav rechte Winkel, aussen und innen dominieren ovale, geschwungene Linien und Formen. Auf dem Dach steht Wasser in flachen, natürlich geformten Teichen, daneben gibt es ein Amphitheater; ein Open-Air-Kinderspielplatz findet sich im zweiten Stock. Zur organischen Inszenierung passen auch die gewählten Signature-Farben – ein Lindgrün und ein Hellblau wie aus dem Weleda-Katalog – und programmatische Sätze auf der VivoCity Homepage: "The VivoCity identity is inspired by a sense of natural energy and flow. Its organic and dynamic nature expresses the stimulating experience, reflects the energy in the name and complements the architectural vision."

Interessant an der neuen Waldorf-Mall ist gewiss auch, dass ihr Bauherr und Betreiber die Mapletree Investments Pte. Ltd. ist. Diese ist nun eine hundertprozentige Tochter von Temasek Holdings, welche wiederum dem Singapurer Finanzministerium gehört. Das heisst, VivoCity ist, wie viele andere Firmen in Singapur, ein Staatsbetrieb. Kann es also sein, dass die Waldorf-Mall ein Zeichen dafür ist, dass das kleine Land, dessen Regierung seit der Unabhängigkeit irgendwie zwischen Hardcore-Kapitalismus und Softcore-Sozialismus lavierte, jetzt anthroposophisch wird? Wird es demnächst auf Singapore Airlines-Flügen statt der gewohnten Sicherheitsturnübungen Eurythmiekurse geben? Und werden Singapurs Manager, Investmentbanker und Immobilienmakler zukünftig jeden Morgen gemeinsam auf dem Raffles Place singen, nasenflöten, malen und plastizieren? Möglich wär's. Auf jeden Fall in Singapur.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (10)


09.11.2006 | 12:12 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Good Buoy, Schlüsselkind!


Es schwimmt! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Über die Motive erwachsener Menschen, so lange wie möglich die Luft anzuhalten, kann man aus der Ferne nur sehr vage Vermutungen anstellen. Im Fall der beiden Apnoeveteranen Jacques Mayol und Enzo Maiorca liegt die Sache aber eindeutig: Mayol hatte bei einem Tauchgang den Bootsschlüssel versehentlich neben seine Neoprenhosentasche gesteckt und Maiorca wurde darob trotzig. So stellten sie ab Mitte der Sechziger Jahre abwechselnd die Atmung ein, bis der Delphinmann am 19.10.1983 in 105m Tiefe vor Elba resignierend feststellte, dass er den Schlüssel wohl nicht mehr finden würde, weil "lecken Sie sich fett, Enzo, hier unten ist es ja stockfinster!".

Kein Wunder, denn der französische Lungenkünstler hatte sein Schlüsselfindelicht mit an den Schlüsselbund gehängt, direkt neben die Seehasenpfote. Vom Ozean gefoppt und schlüssellos zog sich Mayol umgehend zurück, um sich 18 Jahre später entnervt zu entleiben. Diese reichlich unangenehme Angelegenheit wäre sicher komplett anders verlaufen, hätte es damals schon Key Buoy gegeben, den schwimmenden Schlüsselfinder für USD 6.95. "Don't hold your breath! Buy Key Buoy!" – so freudig mag es aus der Marketingabteilung der kalifornischen Firma Davis geschallt haben, denn mit Erfindung der phantastischen Schusselboje wurde neben tollpatschigen Tauchern auch noch eine zweite, lange vernachlässigte Zielgruppe erschlossen: Sensible Mafiosi, die sich nach dem Versenken ihrer Betonschuhklientel gerne vorstellen, dass am Grunde des Sees eine lustige Party mit Musik, Spielen und Luftrüsseln gefeiert wird. Und wer mag nicht den Mann, der einem labilen Schwerverbrecher ein Lächeln ins Herz zaubert.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Findelichtfindelicht

Hermann Bräuer | Dauerhafter Link


02.11.2006 | 11:11 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Kundenkunde


Super. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Der Kunde ist das neoliberalste Wesen, das man sich vorstellen kann", sagt der redefreudige Spiegelschreiber Gabor Steingart, der auch sonst in seinem Buch "Deutschland. Der Abstieg eines Superstars" bewiesen hat, dass er mit der platten Hand auf den Schlamm hauen kann, dass es spritzt. Der Kunde ist aber in Wirklichkeit etwas begriffsträge und analyseschwach und deshalb nur so neoliberal, wie man ihn lässt. Er mag leicht dümmlich daherkaufen, aber er ist im Grunde ein gutmütiger, einfach auszurechnender "Character" (bitte engl. Aussprache). Man muss ihm nur gute Produkte geben und dann ist er froh mit seinem Status quo. Und bleibt deshalb Kunde und tut das kund, hat die Kundenkunde herausgefunden. Dass es tatsächlich so einfach ist, beweist das nebenstehende Produkt der Firma Ricola, namentlich die Zitronenmelisse-Bonbons ohne Zucker. Gott, sind die super. Jede Pastille bedeutet vier Minuten Hals-Nasen-Rachen-Nirvana. Wenn ich jetzt noch dazu sage, dass die famosen Schweizer diese Lukulluslutschlinge als "Kräuterbonbons im Böxli" verkaufen, wer möchte dann nicht der Böxlibegeisterung verfallen und Kunde werden? Die Lösung aller Markt- und Marketingprobleme ist eine Formel, bestehend aus einem Wort: Superprodukte! Dann ist auch gar nicht mehr so wichtig, dass vorne draufsteht "zuckerfrei", aber dafür irgendein Maltose-Zeug drin ist.


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