15.12.2005 | 06:58 | Alles wird besser | Sachen kaufen
 Ingwerzahnpasta: Auch nicht teurer als vier normale Tuben (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der 15. Dezember gilt zu Recht als internationaler Tag des Zahns. Während dies wohl allen bekannt ist, ranken sich immer noch mittelschwere Gerüchte um die Postmoderne der Zahnpasta. Bisher geht man davon aus, dass die Zahnpastakultur keinerlei Trends folgt, sondern sich vollkommen unberechenbar und wirr entwickelt. Eine Überprüfung dieser etwas hilflosen Hypothese erfordert rigorose und vorurteilsfreie Empirie.
Als Startpunkt des Amoklaufs der Zahnpasta wird von Experten einhellig die Hysterie um die Backpulverzahnpasta eingeschätzt, die irgendwann Anfang der 90er zur Markteinführung von angeblich extra zahnweissender Colgate mit Backpulverzusatz führte. Von diesem Zeitpunkt an landeten scheinbar völlig unabhängig von anderen Gemüse- und Obsttrends immer absurdere Dinge in Zahnpastatuben. Eine Bestandsaufnahme: Productdose berichtet über Zahnpasta mit Ingwer. In Amerika kann man Designer-Toothpaste in Geschmacksrichtung Espresso bestellen. Die Japaner hingegen verfügen offenbar, wie man diversen Blogs entnehmen kann, über schwarze Pasta mit Auberginen. Elmex gibt es auch ohne Menthol (also vermutlich auch mit), was für Randgruppen wie Homöopathen und Juden (koscher) angeblich von Bedeutung ist. Schliesslich verkauft eine rundherum grossartige Firma schlichtweg alle Geschmacksrichtungen, also auch Zimt, Pumpkin Pudding, Indian Curry und Monkey Banana. Noch einen Schritt weiter geht Zahnputzfabrikant Crest, der seinen sicherlich zahlreichen Kunden Geschmack nach Wunsch anbietet. Das wiederum ist womöglich etwas überdreht, denn wenn man den Leuten die Wahl lässt, sagen sie am Ende doch nur "eine Kugel Vanille und eine Schoko", also in Zahnpasta übersetzt "Kräuter und Minze". (Die Evolution von Speiseeis ist nebenbei bemerkt auch völlig unverstanden.)
Aber Moment! Ist es Zufall, dass erst im letzten Sommer flächendeckend die Eissorten Zimt, Espresso und Ingwer eingeführt wurden? Warum gibt es sowohl Schlumpfeis als auch Schlumpfzahnpasta? Und ist Signal Plus nicht einfach nur die Inversion von Spaghettieis? Es ist zu früh, um von einer signifikanten Korrelation zu sprechen, aber zumindest eine Tendenz ist erkennbar: Womöglich kann es gelingen, zwei unverstandene Phänomene auf eines zu reduzieren. Man wird hart weiterarbeiten müssen – aber erst morgen, zur Feier des Zahntages sei heute erstmal eine Tube Blendi (mit Himbeergeschmack) gestattet.
15.12.2005 | 00:19 | Sachen kaufen | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)In seinem Buch Broken Windows, Broken Business erklärt Michael Levine, dass kleinste Missstände in Unternehmen Kunden dauerhaft vergraulen können, die dann ihrerseits andere Kunden beeinflussen; dann bleiben alle weg, ritzfitz ist das Unternehmen pleite, und alles nur wegen eines fehlenden Kommas. Für den Kunden ist das sehr befriedigend, denn wenn er auf der Post schroff mitgeteilt bekommt, dass die ermässigte internationale Büchersendung teurer ist als ein gleich schweres normales Paket, kann er jetzt in dem sicheren Wissen nach Hause gehen, dass das Ende der Post nah ist.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Aber dergleichen ist für Besserwisser und Erbsenzähler. Wäre es nicht vielmehr unsere Aufgabe, die Hersteller missratener Produkte und Websites so zu fördern, wie wir ja auch geistig behinderte Kinder mehr und nicht etwa weniger fördern als normale? So ist es z.B. praktisch unsere Christenpflicht, den bereits erwähnten, nur in günstigen Schlafphasen weckenden Sleeptracker-Wecker als Weihnachtsgeschenk für Menschen zu erstehen, die manchmal aufstehen müssen. Die Sleeptracker-Website ist nicht nur hässlich und funktioniert miserabel, sie ist auch gespickt mit Sätzen wie Dies ist die Uhrzeit am welcher der SLEEPTRACKER® sie spätestens wecken wird, sollte er vorher keinen fast-wach Moment innerhalb Ihres Weckzeitfensters gefunden haben. Da möchte man doch weinen vor Mitleid und gleich zwei kaufen (10 Euro Rabatt!), um den laut Levine unmittelbar bevorstehenden Untergang des Unternehmens vielleicht doch noch abzuwenden. Irgendwie schade wäre es ja schon.
14.12.2005 | 19:37 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Was haben wir uns geärgert, als die Redaktion der Riesenmaschine ihre neuen Büroräume bezog und feststellen musste, dass wir unseren Flügel nicht mitnehmen können, weil der Platz für ihn nicht vorhanden ist. Was also tun? Zuerst den alten Schimmel zu Feuerholz zerhacken natürlich, aber woher Ersatz nehmen? Denn der Bamberger Klavierbauer, der Anfang der achtziger Jahre den vertikalen Flügel erfunden hat, den gibt es nicht mehr, und einfach wieder zum quäkenden Casio zu greifen, das kam nicht in Frage, das konnte man sich rein imagemässig nicht leisten. In Frage kam dann Christopher Niemitzer, der 16 Jahre am Klagenfurter Konservatorium Klavier gelernt, aber immer bedauert hat, dass auf der Almhütte die Jungs mit der Gitarre die Abende schmissen und ihm nichts anderes übrig blieb, als dazu im Takt "blöd in die Hände zu patschen". Auf einer Elektronikmesse in Japan hat der Werbefachmann dann das Gummiklavier entdeckt. Rollo ist inzwischen zu seiner Hauptbeschäftigung geworden, weil er sich die Europavertriebsrechte sicherte. Es kostet nur schlappe 129 Euros, und Fachleute haben sich bereits wohlwollend über den astreinen Klang geäussert. Damit nicht genug, Niemitzer hat fürs nächste Jahr bereits vor, eine andere zukunftsweisende Idee, ebenfalls aus Japan, im grossen Stil zu importieren, nämlich ein Spezialradiergummi, das keine Wischspuren mehr hinterlässt, denn handelsübliche achteckige Radierer werden bei Dauereinsatz schnell schwarz und fusseln wie ein alter Pullover. Klimpern und Radieren, nichts anderes machen wir in der Riesenmaschine. Das ist doch hier die Situation.
13.12.2005 | 18:33 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln
Rechtzeitig zu Weihnachten macht uns die Firma Amazon ein sehr schönes Geschenk: Bisher waren die Buchempfehlungen auf der Basis vorangegangener Käufe seit ihrer Einführung 1999 auf unwürdigstem Niveau herumgekrebst: "Uns ist bekannt, dass Sie Terry Pratchett noch nie leiden konnten, aber vielleicht gefällt Ihnen ja sein neues Buch! Das gefällt sehr vielen Kunden! Genau wie der neue Harry Potter!" Jetzt hat man sie unter Zuhilfenahme von Ajax aufgebohrt und damit erstmals benutzbar, ja, bis auf die Navigation zwischen den einzelnen Empfehlungsseiten fast benutzerfreundlich gestaltet. Auch die Frage, wie Amazon darauf kommt, einem hartnäckig "Urin, ein ganz besonderer Saft" anzupreisen, wird endlich beantwortet: "Diesen Artikel haben wir empfohlen, weil Sie Das geht die Leser jetzt aber wirklich nichts an bewertet haben." Selbst wenn man etwa fälschlich den Kauf des Buchs "Audio-Röhrenverstärker von 0,3 bis 10 Watt erfolgreich selbst bauen" angelastet bekommt, kann man das Kuckucksei einfach löschen oder ihm zumindest verbieten, einen mit Folgeempfehlungen ("Neues aus Jogis Röhrenbude") zu behelligen. Ob es an diesen kosmetischen Operationen liegt oder ob man der Empfehlungsengine ein neues Innenleben spendiert hat, ist schwer zu sagen, aber die Ergebnisse sind jedenfalls deutlich besser als früher. Vielleicht müsste man doch endlich mal diesen Klassiker von Moleskine lesen.
13.12.2005 | 05:57 | Nachtleuchtendes | Sachen kaufen
 Gibt es auch in bunt (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Weihnachten, das heisst Oktober bis Ostern, ist leider die Zeit der Punktwolkenaufhellung. Was das bedeutet, erkläre ich gleich, aber vorab sei angemerkt, dass Licht, auch gern sehr viel Licht, prinzipiell gut und richtig ist. Entscheidend dabei ist jedoch die Struktur der Beleuchtung: Weihnachten hat das Ziel, durch möglichst viele, meist unregelmässig verteilte punktförmige Leuchten eine Art Besinnung hervorzurufen. Dies ist der völlig falsche Ansatz, und er funktioniert ja auch nicht, wie die hohen Selbstmordraten beweisen. Viele, kleine Lichter verwirren nur, sie verbreiten Irrsinn und Kleingeist und lenken von den grossen Problemen ab, also zum Beispiel, aber das weiss wohl jeder selbst. Zudem verweisen sie implizit ständig auf die grosse Finsternis zwischen ihnen, und das muss ja wohl nicht sein.
Die Gegenmassnahme ist so einfach, dass man sich fast schämt, es hinzuschreiben: Grosse, gleichfömige Beleuchtungsapparate, die Licht in breiten Strömen, ähm, ausströmen. Zum Beispiel diese einigermassen neuartigen "Twist Together" Lichtschirme von Glide, die man, und hier muss man fast in helle Begeisterung ausbrechen, sogar kaufen kann, nagut, nicht überall (zum Beispiel nicht in Puerto Rico, deshalb fast), aber immerhin nur für ein paar hundert Dollar. Aus schön rechteckigen Kisten (nein, Behagliches muss nicht rund sein) läuft die Photonensuppe ruhig, gleichmässig, aber kraftvoll in den Raum und ergreift alle Anwesenden, vermutet man jedenfalls, mit einer solchen Zuversicht, dass man sie gleich noch den Sommer durch anlässt. Die Sonne ist ja vergleichsweise eher nervös und hektisch.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Windel auf Kopf (Lacher-Garantie)
- Klemens Polatschek loben
- Götz Alsmann (frech!)
- Robben, Pinguine, Mondfische
SO NICHT:
- Kloss im Hals ohne Grund im Kopf
- Verschlechterungen
- kleine Ausschnitte der Angebotspalette
- unseriöse Ortsnamen
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Sympathy for Lady Vengeance", Chan-wook Park (2005)
Plus: 12, 37, 42, 48, 80 Minus: 1 Gesamt: 4 Punkte
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