Riesenmaschine

16.02.2006 | 11:44 | Anderswo | Fakten und Figuren

16. Februar, Freudentag


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der 16. Februar hat sich in der Weltgeschichte bisher nicht unbedingt hervor getan und taugt allenfalls zu nationalen Gedenkanlässen. In Deutschland wäre das die Sturmflut von Hamburg, für die Nordkoreaner, naja, für ein paar von ihnen, ist dieser Tag hingegen ein Anlass der Freude. Denn heute vor 64, evtl. auch 65 Jahren, man weiss es nicht so genau, wurde ihr [Titel wie gelobter Führer der fantastischen Revolution o.s.ä. einsetzen] Kim Jong-Il geboren. Westliche Häretiker glauben die 65-Jahre-Variante und dass Kim in einem sowjetischen Ausbildungslager auf die Welt gekommen sei. Tatsächlich handelte es sich allerdings um ein Widerstandslager am Fusse des Paektu-san, des höchsten Berges Koreas, und das Ereignis wurde von einem doppelten Regenbogen samt heiligem Stern verkündet.

An seinem Jubeltag wird Kim vielleicht ein paar Runden mit seinem Panzerzug drehen, sein Volk ein bisschen weiter verhungern lassen, sich einen Film anschauen oder im Hobbykeller an seinen Atombomben basteln. So genau weiss das aber keiner, denn ab und zu verschwindet Kim auch einfach mal. Und dass, obwohl sich manche Leute wirklich Mühe geben, ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Nicht nur im Führerbunker von Pjöngjang, auch in Grönland ist der 16. Februar ein Anlass zur Freude, denn vor 26 Jahren wurde das Land von seinen dänischen Gutsherren in die Innere Selbstverwaltung entlassen. Ein schönes Geschenk zu diesem Anlass hätte die FIFA bereiten können, denn schon lange wünschen sich die Grönländer eine eigene Fussball-Nationalmannschaft. Sogar die andere dänische Autonomieregion, die Färöer-Inseln, hat eine und Grönland muss bloss deshalb warten, weil ausgerechnet auf der Insel, die bei ihrer Entdeckung den Namen "Grünes Land" erhielt, kein bespielbarer Rasenplatz existiert. Seit kurzem reicht aber auch ein Kunstrasenplatz für die Anerkennung. Wir hoffen also das Beste, für Grönland und für Nordkorea, an diesem famosen 16. Februar.


16.02.2006 | 06:33 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Gepresste Känguruhs


Wallabyriegelzutat (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Australien ist seit langem bekannt für Unbekömmliches; immerhin hat es die meisten Giftschlangen, die meisten Giftspinnen, die meisten Giftkröten und die meisten Giftquallen. Jetzt hat sich das Land etwas Neues ausgedacht, den "Australian Wallaby Bar" – "neu" nur fürs Ausland, denn im australischen Outback leben vermutlich schon seit Jahrtausenden braune Männer von gepressten Känguruhs. Der Wallaby-Riegel erreicht die nichtaustralische Welt in der Geschmacksrichtung "Macadamia & Ginger", überzogen mit einer gelbweissen Joghurtpastenhülle. Das ist interessant, denn einerseits vertraut man ganz konservativ auf die Trendnuss 2005 (Macadamia), andererseits begibt man sich ins progressive Fahrwasser der irrlichternden Dualverbiegungen der Eis- und Zahnpastaindustrie (Ingwer). Zusammengenommen ist es eine Aromakombination, auf die man auch nach längerem Nachdenken nicht von alleine gekommen wäre. Wahrscheinlich muss man es gar nicht erwähnen, aber der Wallaby-Riegel schmeckt weder nach Ingwer, Nuss, Joghurt oder Känguruh, sondern nur nach gesüsster Dachpappe, was jeden, der schonmal gesüsste Dachpappe gegessen hat, ganz sicher vom Kauf abhält. Alle anderen können es ja mal ausprobieren.


15.02.2006 | 20:07 | Sachen kaufen

Von Tellern und Sammlern


Endlich mal ein King-Size Teller (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die bekanntesten Teller der Welt sind sicher Edward und Jürgen Teller. Eine vollkommen andere Sache dagegen sind Sammelteller, es handelt sich nämlich um eine komplizierte Spezialwelt, ganz anders als zum Beispiel die Spezialwelt der hessischen Faunisten, die mit Hilfe ihres Ehrencodex schnell einzuordnen ist. Nein, Sammelteller und ihre Tellersammler sind etwas ganz Besonderes, das merkt man schon daran, dass sie eine internationale Organisation haben, eine clevere Mischung aus Börse, Bewertungsinstanz und Tellershop, die Bradford Exchange. Dort gibt man unter anderem einen Index heraus, den BRADEX, der ganz, ganz ungefähr vergleichbar mit dem DAX den Wert bestimmter Sammelteller angibt. Nanu, Tellerhersteller, Tellerbewerter, Tellervermittler und Tellerverkäufer in einem – ist das nicht Sammeltellerfaschismus? Wo bleibt hier die Tellergewaltenteilung?

So werden sicher viele Menschen fragen, aber ganz ehrlich, wenn etwas so wunderbares wie der 1973-Aloha-Hawaii Elvis-Sammelteller (ohne Tellerständer) auf der Abbildung herauskommt, kann das ganze Sammeltellerkonstrukt wohl kaum böse sein. Der Elvisteller (ach, hätte Edward Teller seinen Sohn doch Elvis oder wenigstens Sam L. genannt, ungeahnte Vermarktungsmöglichkeiten ergäben sich!) hat übrigens eine Reihe Vorteile, es gibt zum Beispiel nur 95 Brenntage, es ist also eine Limited Edition, ausserdem ist es möglich, an einem Subskriptions-Plan teilzunehmen und so bei den zukünftigen Modellen keinesfalls das Sammeln zu vergessen. Und das wäre bei einer derart famosen Elvisteller-Serie auch dramatisch: Auf "1973 Aloha Hawaii" (Abb., ohne Ständer) folgen "The Vegas Legend", "The Superstar", "The Spirit", "The Phoenix", "The Dream", "The Vision" und "The Encore". Strong buy!


15.02.2006 | 16:17 | Berlin | Alles wird schlechter

Schweinebauch-Aussenwerbung


Der Peuble geht auf die Strasse (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als Schweinebauch-Werbung bezeichnet man in der Branche jene Form der Brachialreklame, die mittels marktschreierischer Aufmerksamkeitseffekte und einer starken Betonung des Preisarguments für vermeintliche oder tatsächliche Sonderangebote bei Discountern werben soll. Zumeist begegnet sie einem in Form der Wimmelanzeigen oder als Beileger in Tageszeitungen, zunehmend auch als Postwurfsendung im Briefkasten, wie der Werbeblogger in einer verdienstvollen Collage dokumentiert hat. Neu ist, dass sie wie bei diesem ästhetisch herausgeforderte Angebot des Trash-Textil-Discounters Zeeman in den Aussenbereich migriert und als 18/1-Plakat das Stadtbild verunziert, dienten Billboards doch bislang eher der Lancierung von Neuprodukten sowie der Marken- und Imagebildung. Was solls? Gleichviel. Wird die Stadt eben zu einer bewohnbaren Wimmelanzeige. Wenn eh alles immer trashiger wird, können wir auch auf den schönen Schein der Webung getrost verzichten. Und auf einigen anderen überflüssigen Luxus der Zivilgesellschaft ohnehin. Wie Harald Schmidt einmal richtig bemerkte, gibt es sowieso nur noch zwei sinnvolle Bundesländer: Aldi Nord und Aldi Süd.


15.02.2006 | 12:51 | Supertiere

gewürgte Garderobenhaken


Nagetier bei der Arbeit – Ersetzt bis zu drei Designklassen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Früher einmal war das Leben eines Designers ein einfaches. Er musste im wesentlichen Faktoren wie Ergonomie, Funktionalität und Angemessenheit berücksichtigen und diese dann material- und produktionsgerecht in eine gefällige Form umsetzen. Es waren gute Zeiten für Designer, doch sie sind längst vorbei. Fast jedes Produkt gibt es mittlerweile funktional und in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Natürlich könnte man diese bewährten Dinge noch etwas verfeinern oder man könnte sich auch ganz neuen Herausforderungen stellen wie etwa dem Design von Orangensaftpackungen, die auch über 60jährige noch selber öffnen können. Man könnte auch versuchen, organische Naturformen sinnfällig in Produkte zu übertragen, wie es zum Beispiel Alvar Aalto immer wieder tat, etwa bei seiner Vasenserie 'Savoy', der Gerüchten zufolge eine Zeichnung 'Lederhose einer Eskimofrau' und in Wahrheit die Form finnischer Seen zugrunde lag. Aber natürlich ist das alles sehr langweilig.

Viel lieber sitzen zum Beispiel diese müden Designerinnen doch in ihrem Atelier und spielen ein bisschen mit Mäusen und Schlangen. Natürlich wird das auch irgendwann langweilig, aber wenn sie dann merken, dass man den Tieren nur das richtige Spielzeug hinwerfen muss, damit sie die Arbeit für einen machen, ist es bis zu Ruhm, Ehre und Auszeichnungen nicht mehr weit. Sie müssen jetzt nur noch den tierischen Produkten (von einer Schlange gewürgte Tonstangen, von Hasen gebuddelte Gänge) willkürlich irgend einen Zweck zuordnen, zum Beispiel 'Garderobe', 'Lampe' oder 'Vase' und fertig. Das Resultat ist zwar weder schön noch praktisch, aber ergibt volkswirtschaftlich natürlich Sinn, teuere Designschulklassen können jetzt massiv verkleinert und in den Räumlichkeiten des städtischen Zoos untergebracht werden. Und es zeigt sich hier auch, wie richtig die Riesenmaschine liegt, wenn sie immer wieder das Aussterben der richtig grossen Tiere bemängelt, hätten doch diese auch noch ganze Architekturfakultäten überflüssig gemacht.


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