Riesenmaschine

24.03.2007 | 03:42 | Alles wird besser | Was fehlt

Verlust der Mitte


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ränder sind ganz klar das Wichtigste im Leben: Wir interessieren uns viel mehr für die Aussenhülle unserer Mitmenschen als für ihr oft albernes Innenleben, auf der Kruste der Erde spielen sich viel interessantere Vorgänge ab als innendrin, und am Stadtrand ist es ... ach, zwei Beispiele müssen reichen. Die Kuchenform Baker's Edge trägt endlich diesem Sachverhalt Rechnung und ermöglicht die Herstellung von Gebäck, das ausschliesslich aus Randstücken besteht. Das ist einerseits fortschrittlich, andererseits Teil eines bedenklichen Trends zur Haushaltsgerätproliferation. Als Nächstes sollen wir dann Spezialformen für runden, eckigen und ringförmigen Kuchen kaufen, und schon bald braucht man eine neue Wohnung ganz ohne Rand. Da ist es wohl doch weiser, überhaupt keine Kuchenbackform zu besitzen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Brot für die Brut


23.03.2007 | 19:02 | Anderswo | Supertiere | Papierrascheln

Flavoured with Dragon

Die längste Küstenlinie, die ältesten Chili-Schote oder die besten Autobahnen: jeder Einwohner kann auf irgendein Alleinstellungsmerkmal seiner Heimat stolz sein.
Die Nationen können derweil ungestört niedliche Tiere ausrotten, souveräne Staaten unsouverän angehen oder Gitarrenmusik verbieten.


Zu revidierende Darstellung des chinesischen Drachen ohne Flügel (Foto: splitbrain) (Lizenz)
China konnte es wirklich nicht dabei belassen, dass die Tiere, die Drachen am nächsten kommen, bisher eher im Land der Sekundärtugend ausgegraben wurden. Die Anstrengungen wurden kürzlich mit dem Fossil einer kleinen, gleitenden Echse beglückt, welches flugs ins Liaoning Museum getragen wurde. Perfektioniert wurde der PR-Coup in dem der geglückte Fund in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America der Nation mit dem überdetailierten Banner unter die Nase gehalten wurde.

Der Fund kommt einem Drachen übrigens in vielen Dingen recht nahe: Die Schwingen werden nicht auf Fledermaus- oder Vogelmanier an die vorderen Extremitäten getackert, sondern bestehen aus verlängerten Rippen. Ausserdem lassen sich unschwer fünf Krallen an den Pranken ausmachen, die zeigen, dass die Echse keine verirrter Import aus Korea oder Vietnam ist. Unbestätigten Berichten zufolge haben verschiedene westliche Staaten Sonderforschungsmittel für die Suche nach niedlicheren Pandas bereitgestellt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Saurier - Tiere ohne Perspektive

Roland Krause | Dauerhafter Link


23.03.2007 | 12:02 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Die kleinen und die grünen Eier


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Als Christoph Schlingensief, der grosse, ideenarme Absorbator, letztes Jahr seinen Animatograph genannten grossen Müllhaufen für die Subventionstheater entwickelte, mit dem er seitdem, mit üppig Staatsknete ausgestattet, um den Globus eiert (in einem Monat, Werner Herzog lässt grüssen, in Manaus), hat er sich ja nicht nur fröhlich bei Dieter Roth, Paul McCarthy, Ilya Kabakov, Matthew Barney, Hermann Nitsch und Joseph Beuys bedient, sondern auch das Ei entdeckt. Denn nicht aus Asche kommen und zu Asche werden wir, sondern aus einem Ei, das immer am Kochen gehalten werden muss. Schlingensiefs Ei ist ein Dauerei ("Das ist das Hauptrezept, das ist die Forschungsanlage der Zukunft, das 24-Stunden-Ei. Das müssen wir irgendwo plazieren, vielleicht auch an mehreren Orten"), und auch das kommt selbstverständlich von woanders her gekullert.

Als 1982 zur Documenta 7 Georg Jiri Dokoupil das gewaltige Gemälde "Gott, zeig mir deine Eier" schuf, war das neben der Persiflage auf die martialischen Julian-Schnabel-Bilder, auch eine kleiner Seitenhieb gegen Beuys´ schamanistische, damals leicht ranzige Aufforderung "Zeig mir deine Wunden". Und in Martin Kippenbergers letzten Jahren im burgenländischen Jennersdorf fuhr dieser, laut AC/DC spielend, mit einem riesigen Gipsei auf der Ladefläche eines Motordreirads über die Dörfer und plante für das Dorf ein Hubschrauberlandeplatz in Form eines Spiegeleis, während Schlingensief nochmal 10 Jahre später die wenig originelle Parole ausgab: "Gott, zeig mit Deine Bremsspur".

Der grössere Oologe momentan ist aber Toni, ein österreichischer Eierentrepreneur, der nicht nur seine Hühner mit Essig, Oregano und kleinen Steinen füttert, sondern auch grüne Eier produzieren lässt, von einem uralten südamerikanischen Hühnervolk namens Babette. Und neuerdings im Rahmen der Bewegung "Neue Bescheidenheit" verkauft er auch "kleine Eier" (Bild). Schlingensief mit seinen dicken Eiern frisst vermutlich der Neid.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Löffelei

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


23.03.2007 | 02:09 | Alles wird besser

Das blaue Leuchten


Wie sich Japaner blaue Augen vorstellten (um 1850) (Quelle) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im Anfang war alles schwarzweiss: Zähne, Klaviertasten, Farben. Der britische Politiker William Gladstone behauptete, noch die Welt der alten Griechen sei schwarzweiss gewesen, schliesslich habe Homer sich nie über Farben geäussert. In Sprachen, in denen es nur drei Farben gibt, ist die dritte Farbe grundsätzlich Rot, dann kommen Gelb und Grün hinzu, und erst in Sprachen mit sechs und mehr Farbwörtern taucht Blau auf.

Die technische Entwicklung orientiert sich folgsam an der linguistischen: Lange Zeit gab es keine blauen Augen, die blaue LED kam erst Anfang der 1990er Jahre auf den Markt, dicht gefolgt von der Bluetooth-Spezifikation 1994 und den blauen M&Ms 1995, 54 Jahre nach Markteinführung der anderen M&M-Farben. Es war abzusehen, dass Rosen, ähnlich wie LEDs lange Zeit ausschliesslich in Rot verfügbar, nachziehen würden, und nach einigen Mühen sind jetzt die so was wie blauen Rosen da. Bald wird es blaue Gummibärchen geben, dann eine vierte Ampelphase, "Beck's Blue" und schliesslich einen grossen blauen Wal. Das ist das Ende.


22.03.2007 | 20:44 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Urey lebt


Ursuppe. Mahlzeit. (Foto: Kai Schreiber)
Prof. Harold Urey, der Erfinder der Uratmosphäre, aus der vielleicht vor 4 Mrd. Jahren das Leben auf die Erde kroch, lebt natürlich nicht mehr, sonst wäre es wohl kaum gerechtfertigt, ihn in Maschinenform demnächst (2013) als Teil der ESA-Mission ExoMars zum Mars zu schiessen, um dort endlich mal nach Leben zu suchen, eine überaus originelle Idee. Der Urey Life Detector wird einfach jedes Molekül des Roten Dings umdrehen, eine Brute-Force-Herum-Ureyerei, so wie man sich das wünscht. Und wenn er damit fertig ist, wird Urey hoffentlich aus dem Jahr 2013 gut vier Milliarden Jahre in die Vergangenheit und ausserdem zurück auf die Erde reisen, und dort genau dasselbe tun, nämlich nach Leben suchen, und so endlich sein (Prof. Harolds) zu Lebzeiten nicht mehr vollendetes Werk, die Aufklärung unserer Herkunft, abzuschliessen. Leider wird Urey dann nicht mehr davon erfahren, wenn im März 2007 wieder mal bewiesen wird, dass man gar nicht zurück in die Zeit reisen kann, bzw. dass es zwar "nicht unmöglich, aber unpraktisch" ist. Seufzend wird Urey in seiner ammoniakgeschwängerten und unpraktischen Uratmosphäre sitzen, "aber 2013 ging es doch noch" murmeln und die Zukunft herbeievolutionieren. Traditionell durch Abwarten.


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