Riesenmaschine

07.04.2007 | 12:03 | Berlin | Fakten und Figuren

Im Ostertaumel der Integrierten Kommunikation


State of the art, no less. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was hier aussieht wie ein riesenhaft plumpes Osterei aus hässlichen Kunstblumen mit Leuten davor, die so tun, als würden sie "nur wegen der Kinder" das infantile Unterhaltungsprogramm betrachten, ist in Wirklichkeit etwas völlig anderes, nämlich ein mustergültiges Lehrbuchlehrstück integrierter Kommunikation, das dem Laien Tränen der Bewunderung und dem Profi Falten des Neides in die durch den grellen Glanz zu Sehschlitzen verengten Augen treibt. Zur Erklärung: Der Begriff "Integrierte Kommunikation" kam Ende der 90er Jahre auf und bedeutete zunächst nichts, dann schwächte sich die Bedeutung etwas ab und verflüchtigte sich schliesslich. Inzwischen ist integrierte Kommunikation, wenn eine Agentur sich etwas ausdenkt, an dem alle Mitarbeiter von der Pressefachkraft über den Fotografen bis zurück zur Pressefachkraft mitarbeiten dürfen.

Das Bild zeigt das amtierende Weltrekord-Osterei laut Guinessbuch der Rekorde, wie es endlich und zum Glück für alle Berlinerinnen und Berliner im Hauptbahnhof in Berlin vor sich hin amtiert. Ein Kommunikationsanlass von so glitzernder Extragüte, von so schillernder Famosität, dass zurecht sowohl Welt, Tagesspiegel, Deutschlandradio wie auch Riesenmaschine davon praktisch berichten mussten; integriert ist das Ei, weil viele Plakate herumhängen zum Riesenei, gleichzeitig im Bahnhof dazu noch (vermutlich normalgrosse) Eier versteckt sind, ein Gewinnspiel natürlich, bei dem man Lokführerkurse im Ostertal gewinnen kann, Teilnahmescheine aus Papier liegen in den Geschäften aus, auf der Homepage ist es (im Übrigen wunderbar teilnahmslos) abgebildet, aus allen Ecken und Enden des Hauptbahnhofs kommuniziert es hochintegriert, eine Freude, man möchte sich vom Dach des Bahnhof stürzen, in das Osterei aus Brandenburger Primeln fallen lassen, den integrierten Duft einatmen und nie wieder aufstehen.


07.04.2007 | 00:51 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Was fehlt

Der Ohrengürtel der Magnettauben


Das Gürtellicht zieht uns magisch an. (Foto: jmanners) (Lizenz)
Viele wichtige Dinge entgehen uns Menschen, weil wir keinen Sinn haben dafür. Neutrinoschauer, Alphazerfall und der Schmerz derer, die wir im Vorübergehen verletzen, sind nur drei wahllose Beispiele. Nicht wallos, andererseits, ist das Beispiel Erdmagnetfeld, denn zwar können Wale und allerlei anderes Gelichter vermutlich die Feldrichtung sehen, aber uns Affen blieb bislang zum Angucken nur die mittelbare Magnetfolge Nordlicht als Poster für die Toilettentür (innen, aussen hängt ja schon Friedrichs Eismeer).

Kognitionsforscher König in Osnabrück schaffte hier Abhilfe mit einem Gürtel mit 13 Handyvibrationsklingeln drin, der das Magnetfeld ausmisst und dem Träger per Vibration ständig anzeigt, wo es nach Norden geht. Endlich ständig wissen, wo es langgeht, ein Menschheitstraum wird wahr. Einen Neutrinosinn kann man sich ja bekanntlich durch Pilzeinnahme wachsen lassen, und Alphateilchen lassen sich mit Tumoren detektieren, fehlt nur noch ein Sinn aus der Beispielliste. Und wer braucht den schon?


06.04.2007 | 17:36 | Vermutungen über die Welt

Leben nach dem Vergessen


Erinnert sich der Fisch? Fragt ihn doch. (Foto: genista) (Lizenz)
Das Vergessene ist wie ein Leben auf der anderen Seite des reissenden Stromes, sagte man früher im Dorf, wenn die alten Menschen Stein und Bein behaupteten, ihr Neffe sei Hitler gewesen. Und so unrecht hatte man im Dorf gar nicht: Menschen, die vorgeben, wiedergeboren zu sein, und sich an Dinge vor ihrer Geburt (also auf der anderen Seite des reissenden Stroms) zu erinnern glauben, neigen offenbar auch sonst dazu, ein lückenhaftes Gedächtnis zu haben, das sie zwanghaft mit allerhand Unfug auffüllen müssen und daher Erinnerungen erfinden, statt mühsam welche zu erleben. Dies gilt auch, wie man weiss, wenn man gar nicht wiedergeboren wurde, sondern stattdessen vorgibt, von Ausserirdischen entführt worden zu sein, also praktisch den reissenden Strom mit Hilfe glänzender Raumschiffe überquert hat, von denen man in dörflicher Umgebung oft genug hört. Vielleicht ist der Gang der Dinge aber auch eher so, dass die Ausserirdischen nur Menschen mit Nazivergangenheit und lückenhaftem Gedächtnis nehmen, wie sonst könnten sie sich so lange versteckt halten? Denn schliesslich weiss niemand, so sagt der Volksmund weiter, was wirklich auf der anderen Seite des reissenden Stromes liegt.


06.04.2007 | 07:24 | Sachen kaufen

Im Hellen tappen


Tod, wo ist dein Netzteil? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es heisst, der Mensch in seiner Sturheit sei nur dann zur Einsicht fähig, wenn man ihm eine Sache gründlich erklärt und ihn gleichzeitig das Stiegenhaus hinunterwirft, während man ihm vorsichtig zunächst warmes, dann aber kaltes Wasser in die Gehörgange träufelt. Gut, dass es die durch ihre schwanzbeissförmige Ausweglosigkeit aufrüttelnde und daher erkenntnisbefördernde Catch-22-Situation gibt. Kauft man ein Teppichmesser, bräuchte man zum Öffnen der Verpackung ein Teppichmesser; die Fussdusche am Strand ist so angebracht, dass man bis zur Strasse noch einmal durch den Sand laufen muss, und der Türschlossenteiser liegt im Handschuhfach. In der Reihe dieser geistigen Lockerungsübungen begrüssen wir den Solar-GPS-Empfänger i-Blue757 (via productdose). "Hm, wenn es nicht so dunkel wäre, könnten wir sehen, wo wir sind, oder wenigstens unser GPS-Gerät in Betrieb nehmen, dessen Batterien im Zelt liegen, das wir finden könnten, wenn es nicht so dunkel wäre oder wir ein GPS-Gerät hätten". So schöne letzte Gedanken könnten wir hegen.


05.04.2007 | 20:42 | Sachen kaufen | Sachen anziehen

Die alte Eckigkeit


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Trend geht allgemein zum Runden, was früher eckig gut genug war, muss heute unbedingt noch mal im Kugelformat redesignt werden. Stühle, zum Beispiel: früher sahen sie so aus, heute hingegen so. Ferner natürlich Autos, Häuser, Würfel, Mini-Netzschalter ... und wo es noch Ecken gibt, werden sie abgerundet, ob nun im Internet oder an Milchtüten.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her – die Älteren werden sich daran erinnern – da hatte die Welt eine so geringe Auflösung (640 x 480 Pixel, in den ärmeren Ländern sogar noch weniger), dass an Rundes gar nicht zu denken war. ThinkGeek bringt uns nun ein Stück dieser Zeit zurück: Die 8-Bit-Krawatte, die erst ein Aprilscherz war, jetzt aber tatsächlich produziert werden soll. Man kann die 8-Bit-Krawatte übrigens nicht binden, sondern nur per Clip am Hemd befestigen, denn wie alles von früher gibt es sie nur in 2D. Hach, 2D.


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