Riesenmaschine

24.04.2007 | 03:03 | Anderswo | Alles wird besser

Bienenschwund


Macht's gut und nehmt die Wespen mit (Foto: OK-59, Lizenz)
Wenn eines fernen Tages die Menschheit eine höhere Entwicklungsstufe erreicht haben wird als die gegenwärtige, und zum Beispiel in der Lage sein wird, die vierdimensionalen Verwicklungen, die uns so unglücklich machen, klar und deutlich zu sehen, dann werden wir wohl auch in der Lage sein, die Tür zu einer dieser neuen Dimensionen aufzustossen und die verwurmte Geröllhalde Erdball für immer zu verlassen. Die Kakerlaken oder Hamster werden dann ratlos in der Gegend stehen und in ihren wissenschaftlichen Zeitschriften das rätselhafte Verschwinden der doofen Affen diskutieren. In der Zukunft wird es so sein, heute aber sind es erst mal die neunmalschlauen Bienen, die uns ein kleines Stück vorausgehen und grade nämlich weltweit spurlos verschwinden. Die Wissenschaft steht bislang vor einem Rätsel, aber vermutlich folgen die Bienen einfach dem kürzlich verstorbenen Kurt Vonnegut durch die 4D-Tür ins Nirvana, damit die dort Einsitzenden reichlich Honig vorfinden. Und das ist doch nett von den Bienen.


23.04.2007 | 19:27 | Nachtleuchtendes

Glatte Stellen am Otter


Ersatzbild (Fotograf, Lizenz). Der echte Itokawa ist nicht rechtefrei.
Anderthalb Jahre nach der grossspurigen Ankündigung ist es Zeit, einen zweiten Blick auf unseren Lieblingsasteroiden Itokawa zu werfen. Kurze Rückblende: Der wurstartige Schutthaufen namens Itokawa ist seit Herbst 2005 im Blickwinkel des japanischen High-Tech-Satelliten Hayabusa, der mit LIDAR, ONC-W, STT, FBS und noch anderen exotischen Buchstaben ausgestattet ist. Mittlerweile hat Hayabusa einiges erlebt, z.B. fiel im Herbst 2006 eine Hitzelinie aus, man riskierte das Einfrieren des Treibstoffes. Und dann fingen im Dezember 2006 auch noch die RCS-Thruster an zu backen. Nichtsdestowenigertrotz: Erfolgreich verlief die Landemission MINERVA, bei der Proben des asteroidalen Schutts zusammengekehrt wurden. Im Sommer 2006 widmete das internationale Wurstmagazin Science Itokawa eine Sonderausgabe, deren Inhalt von den Japanern auf vorbildlich anschauliche Art und Weise zusammengefasst wird. Bei Itokawa, mittlerweile wohl so etwas wie der bestfotografierte Asteroid aller Zeiten, handelt es sich, so die Erkenntnis, keinesfalls um eine Wurst, sondern um einen Otter mit Kopf, Hals und Körper. Zudem fand man in der After-Gegend des Otters einen grossen Stein namens Yoshinodai. Ansonsten scheint die Oberfläche von Itokawa vorbildlich gepflastert zu sein, besser jedenfalls als die Erde an gewissen Stellen innerhalb Berlins.

Die eigentliche Sensation aber sind Itokawas glatte Stellen, auch Meere genannt (klar, warum sollen auf einem Otter nicht auch Meere sein). Wie man gerade erfährt, sortiert Itokawa nämlich in seiner Freizeit Steine, alle grossen stapelt er sorgsam auf einer seiner Seiten, so dass andere Seiten, speziell die empfindlichen Halsstellen des Otters, nur mit feinem Staub bedeckt und ansonsten felsfrei sind. Irgendwas bewegt die Oberfläche Itokawas, oder wie Spezialist Daniel Scheeres aus Michigan es formuliert: "Things are happening on the surface. Stuff moves from one point to the other." Aber warum? Sind es Mikrobeben? Felsbomben aus dem All? Oder gar der YORP-Effekt? Der Otter schweigt dazu.

Seit Februar 2007 funktioniert der Ionenantrieb von Hayabusa unter einem neuen "attitude control scheme", und zwar offenbar sehr gut. Weiterhin ist davon auszugehen, dass Hayabusa mit Teilen von Itokawa im Bauch im Juni 2007 Kurs auf die Erde nehmen wird. Geplante Rückkehr: 2010. Stay tuned, Itokawa-Freaks.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Itokawa, die beste Wurst am Himmel


23.04.2007 | 14:03 | Anderswo | Vermutungen über die Welt

Zombiepflanzen fürs Wohnzimmer


Foto: morgantepsic / Lizenz
Der Steppenläufer, auch als Tumbleweed bekannt, ist der Zombie unter den Pflanzen. Wenn er alt und vertrocknet ist, stirbt der Busch nicht einfach friedlich vor sich hin. Als Untoter löst er sich von seinen Wurzeln, bringt sich in eine passende Form und beginnt seine grausige Reise durch die Steppe, wobei er mit seinen scharfkantigen Blättern die Beine von Pferden, Autoseitenspiegel und allerlei anderes Getier zerstört oder auch mal Feuer fängt und so ganze Landstriche verheert.

Doch wie alle Zombies hat auch der Steppenläufer seine guten Seiten. Er ist ein gern gesehener Gast in jedem Western und hat es so zu einem US-amerikanischen Kulturgut gebracht, und das, obwohl er ursprünglich aus Russland stammt und erst 1877 mit ukrainischen Farmern (vermutlich Zombie-Farmern) nach South Dakota eingewandert ist. Dabei kann der Steppenläufer eigentlich nicht besonders viel, ausser langsam durchs Bild rollend die totale Ereignislosigkeit zu versinnbildlichen – worin er es allerdings zu einer solchen Meisterschaft gebracht hat, dass er die ideale Stilikone des von uns vor ziemlich genau einem Jahr postulierten Langeweile-Trends darstellt. Stuart O. Anderson und Shaun Slifer haben nun für ein Kunstfestival in Pittsburgh die Installation Welcome Home, Pioneer gebaut (via Boing Boing): Ein Roboter, der mit stoischer Geduld einen toten Steppenläufer balanciert und ihn dabei die ganze Zeit in Bewegung hält (Video). Die Unterhaltungsindustrie steht bereits Schlange, bis zur Serienreife kann es sich nur noch um Wochen handeln.


23.04.2007 | 01:05 | Alles wird besser | Sachen anziehen | Zeichen und Wunder

Die Kunst der Einen und die der Anderen


"Die Erkundigungen des Künstlers bieten keine fertigen Lösungen, schon gar keine unmittelbar nachvollziehbaren Interpretationen. Es scheint so, als wolle der Künstler mit seinen freien Assoziationen Schicht für Schicht abtragen, um hinter das Rätsel der Bilder zu kommen." (Wikipedia)
Bild: Rüdiger Wölk, Lizenz

Die Erkundigung dieses Künstlers hingegen bietet fertige Lösungen (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Am Samstag sassen wieder Millionen Fussballfans vor den Fernsehgeräten und rund 65.000 im Olympiastadion in Berlin und wunderten sich über das Ausrufezeichen, das die Trikots der Dortmunder schmückt. Wer im Internet nach einer Erklärung sucht, wird sicher leicht fündig. Erst wenn man sich aber fragt, wer denn die Gestaltung dieses Ausrufezeichens, dessen Punkt aussieht, als hätte Niki de Saint-Phalle auf LSD ein Spinnennetz zu zeichnen versucht, zu verantworten hat, wird man auf Otmar Alt stossen und sich wundern. Selbst wer dem schmierigsten aller Wikipediabeiträge misstraut und vermutet, dass dieser weitgehend vom Portraitierten selbst verfasst wurde ("Im Jahre 1956 beginnt Otmar Alt eine Lehre als Schaufenstergestalter und Plakatmaler. Die Gesellenprüfung im Jahre 1958 besteht er hervorragend und wird sogar mit einem Preis ausgezeichnet. In dem jungen Mann entwickelt sich der Wunsch, Modezeichner zu werden."), wird anhand von satten 84.800 Googletreffern mit Erstaunen feststellen, dass Otmar Alt offenbar in grossen Teilen der deutschen Bevölkerung für einen richtigen, ernsthaften Künstler gehalten wird.

Wir wissen nicht, was das für Menschen sind, wir kennen sie nicht. Vermuten kann man aber, dass es solche sind, die das, was auf der anderen Seite des Elfenbeinturms passiert ('Knut', ZIA, 2007), zwar möglicherweise 'süss' finden, jedoch kaum als Kunst bezeichnen würden. An der immer grösseren Kluft und dem grossen Befremden auf beiden Seiten droht die Gesellschaft zu zerbrechen – zum Glück gibt es kaum Kontakte zwischen den beiden Gesellschaftsteilen, allenfalls an einem Würstchenstand in Münster und eben beim Fussballschauen, das ist gerade noch zu verkraften.

Überhaupt ist das Ganze keine neue Entwicklung. Das Erscheinungsjahr des Buchs zum Phänomen (Hans Sedlmayer, 'Verlust der Mitte', 1948) legt nahe, dass das alles schon immer so war und gar nicht so schlimm ist. Ausserdem naht jetzt möglicherweise die Aufhebung der Kluft zwischen feuilletongestählter Intelligenzia und dem Lager der Liebhaber des "vordergründig meist heiter verspielt" (Wikipedia) wirkenden Werkes Alts und zwar aus dem Lager der manipulierten Photographie. Wir erwähnten bereits die auf der Art Cologne vorgestellten Rekonstruktionen romantischer Landschaften. Und auch vor den collagierten Landschaftsbildern Andreas Gurskys (Ausstellung im Haus der Kunst, München, noch bis 13. Mai) konnten wir erfreulich einheitliche Reaktionen quer durch alle Bevölkerungsteile feststellen: "Sind die gross! Geil", meinten die einen, "Sind die geil. Gross!" die anderen. Ob der BVB nächste Saison vielleicht einfach mit einem Gursky auf der Brust auflaufen sollte?


22.04.2007 | 12:42 | Alles wird besser

Körperliche Gebrechen


Albern, ja, aber ist Gicht etwa würdevoll?
(Foto: coriolinus, Lizenz)
Die Zukunft wird wundervoll für unsere armen, geschundenen Körper. Jahrtausendelang mussten sie es ertragen, dass harte Gegenstände auf sie herabfielen, zum Beispiel Steine (früher), Splitterbomben (heute) oder Fussböden (nagut, da ist es normalerweise umgekehrt). Immer öfter werden sie auch von Heckenschützen mit Hausratstackern zerlöchert. In der Folge gehen die weichen Kreaturen oft einfach kaputt, so wie Autos oder Flugzeuge auch. Wann hört das endlich auf, fragt man sich so lange, bis man aus Japan ein leises Piepsen vernimmt: Ab 2008 wird man für nur 400.000 Yen ein komplettes, stabiles, funkelnagelneues Exo-Skelett kaufen können, das alles tut, was das Gehirn von ihm verlangt, und zwar ohne Krankheiten mit garantiertem "h" an unpassenden Stellen (Arthritis, Rheuma, offener Bruch). Noch besser, man wird es leasen können, für nur 70.000 Yen pro Monat – ein Exoskelett leasen! Man bedauert sofort jeden, der das nicht mehr erleben wird, Aristoteles zum Beispiel. Und wenn dann doch mal etwas kaputtgehen sollte am neuen Superskelett, man weiss ja nie bei japanischem Schnickschnack, dann kommt aus dem All oderso der neue Roboter mit Skalpell, Hammer und Meissel und schraubt alles wieder zusammen. Zukunft, viel besser als Vergangenheit (und viel weniger Silben).

(alles via Medgadget)


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