Riesenmaschine

27.06.2007 | 14:19 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Gehirnsturm im Zahnputzbecher


Sie denkt, sie denkt! (Ausriss: FTD) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es gab mal früher einen Witz, der ging: "Was ist ein Kettcar mit einem Taschenrechner? Antwort: Knight Rider auf polnisch." Wir haben einen langen Weg gekommen, seither: Polen wird zum High-Tech-Standort und niemand weiss mehr, wer oder was Knight Rider war. Allein die Dinge blieben stumm und dumm und weigern sich beharrlich, ihren eigenen Nachschub zu bestellen, so sie ein Kühlschrank sind, oder gar zum Spime zu werden, wie Bruce Sterling nicht müde wird, es ihnen anzutragen. Doch just in dem Moment, da sich die ersten Beobachter enttäuscht und entnervt abwenden wollen, beginnt es nun tatsächlich doch noch, das Zeitalter der denkenden Dinge. Und wie? Nicht etwa auf leisen Sohlen durch die Hintertür, sondern mit einem Paukenschlag, einem Triumph des Willens, der Technik und des Fortschritts, namentlich mit der Zahnbürste Oral-B Triumph, die so heisst so, weil sie einen "Triumph über herkömmliches Zähneputzen" darstellt. Und zwar verfügt diese laut Copytext über einen "einzigartigen On-Board-Computer" (nicht zu verwechseln mit dem schnöden Nur-Bordcomputer), der Zähneputzen wie folgt noch effektiver macht: "Er misst die erreichte Putzzeit, zeigt die gewählte Reinigungsstufe und empfielt rechtzeitig den Bürstenkopfwechsel." Die Technik von "Deep Blue Something", wie das technische Wunderwerk in Expertenkreisen bereits hochachtungsvoll genannt wird, stammt vom selben Forscherteam, das seinerzeit beim Brita-Tischwasserfiltern mit dem Memo den ersten funktionsfähigen Produkt-Bordcomputer vorlegte, der freilich nur in der Lage war, nach Ablauf von vier Wochen den notwendigen Filterwechsel anzuzeigen. Wenn die Entwicklung derart rapide voranschreitet, werden elektrische Zahnbürsten in nur wenigen Jahrzehnten imstande sein, eigenständig Nachschub zu ordern, wenn die Zahnpasta zur Neige geht, und dabei "Hänschen klein" zu singen.


27.06.2007 | 01:28 | Anderswo | Fakten und Figuren

Sie haben sich selbst aufgegessen


Regisseur L. Kledolf bei der ZIA Dokumentation, Foto Bölsche (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kurz vor Beginn des diesjährigen Bachmannkampflesens, auch Tage der reitenden Leichenwäscher genannt, erinnert man sich wieder an sie. Jene ominöse Firma ZIA, die die letzten drei Jahre den Wettbewerb durch eingeschleuste Agenten, Inoffizielle Mitarbeiter und Schläfer aufmischte, Preise abräumte und sogar neue Preise schuf. Was ist ausser der Tatsache geblieben, dass die "gratisschnittchenfutternden ZIA-Zombies" (Bachmannjuror Klaus Nüchtern) eine neue Studentengeneration für diese Veranstaltung sensibilisieren konnte? Wo sind sie alle hin, man hört nur mehr sehr wenig von all den fleissigen Lemuren? Die Riesenmaschine, ihr Zentralorgan, ist nahezu verwaist. Wolfgang Herrndorf, wo ist er jetzt? Wasserträger für das Rainald-Goetz-Blog. Sascha Lobo? Verteilt in Kneipen in Berlin Mitte Probepackungen der Zigarette "Digibobo". Holm Friebe? Der Volkswirt hat sich in obskuren Wettgeschäften verspekuliert. Aber der Rest des Haufens?

Die Antwort liegt wie immer so nahe, wenn zu viele Egos aufeinanderprallen. Sie sind heillos zerstritten, produzieren ein hässliches Buch nach dem anderen, mit lauter Sekundärverwertungen und Ausschussware. Dieses erschütternde Filmdokument (Link führt zu Teil 1 von 4) legt das ganze Ausmass der Verrottung der Vereinigung bis in die Knochen dar. Sollte denn ausser Spesen nichts gewesen sein? Man darf über ihre Zukunft gespannt sein, denn momentan befinden sie sich alle an der Stätte früherer Triumphe, in Klagenfurt, um ihre Knochen neu zu ordnen oder aber nur abzunagen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Zentrale Intelligenz Agentur

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


26.06.2007 | 23:01 | Anderswo | Alles wird besser

Das fliegende Klassenzimmer


Foto, Lizenz
Flyglobespan ist eine schottische Billigairline, die vor knapp einem Jahr das Konzept NFLHS (No Frills Long Haul Service) erfunden hat und seitdem bzw. schon vorher unverstellt in alle möglichen Himmelsrichtungen expandiert (so viele sind es auch wieder nicht). Im Juli 2007 zum Beispiel werden wir alle Zeugen eines neuen, extraordinären Schubes mit der Einführung von sechs wöchentlichen Flügen von Glasgow nach Hamilton/Ontario (alle Tage ausser Freitag). Anstatt hier darüber zu mutmassen, warum so viele Glasgower nach Hamilton wollen, oder warum die überfällige NFLHS-Erfindung ausgerechnet aus Schottland kommt, berichten wir lieber darüber, wie man sich einen Billigflug nach Amerika vorzustellen hat. Von aussen sehen die NFLHS-Flieger so aus wie alle anderen auch, länglich und vorne angespitzt. Innen jedoch erstes Stutzen, sind doch alle Beschriftungen wahlweise auf spanisch oder auf isländisch. Auch die Stewardessen sind teilweise von Iceland Air ausgeborgt, während die Bordkarten aus dem Papierkorb von Air Canada stammen. Unterhaltungs- und Verpflegungsangebot sind von einer bestechenden Willkür: manchmal Filme, aber nicht überall im Flugzeug; Essen meist, allerdings nur dann auf einem Tablett, wenn man monatelang vorher reserviert, sonst halt ohne oder seltener auch gar nicht. Das gesamte Unternehmen Atlantiküberquerung wirkt ein wenig wie ein schlecht vorbereiteter, amateurhafter Klassenausflug im klapprigen Schulbus, und der Hinweis "flights may require a brief fuel stop en route subject to weather conditions on the day" vermindet diesen Eindruck keineswegs. Aber wenn das die Zukunft des Langstreckenfluges ist, bitte, immer noch besser als Papyrusboote oder Luftmatratzen. Wenn auch immer noch ein wenig teurer.


26.06.2007 | 03:16 | Sachen kaufen

Lichtblicke aus dem Börsianer


Teenageverlustangst (Foto: echo4ngel) (Lizenz)
"Kaufen, kaufen, kaufen." Die höhnische Propaganda der Habenichtse zeigt warum sie welche sind: Im Verkaufen liegt die Kunst, wie jeder in den Finanzsachbüchern aus der guten alten Zeit von 1999 und 2000 nachlesen kann, die irgendwo hinten im Regal zwischen Terry Pratchett und alten Zeitschriften nicht einmal besonders gut Staub fangen.

Der Scientific American, der sich gut daneben macht, fragt in seiner Juli-Ausgabe 2007, ob man lieber für 20.000$ (14.908,6843 EUR) Aktien von Google oder für 20.000$ (14.907,7847 EUR) Aktien von Ford verkaufen soll. Das ist natürlich rhetorisch, denn aus seiner Hausbibliothek weiss ein jeder, dass man die schlechten Aktien von Ford verkaufen muss, obwohl man mal dafür 40.000$ (29.817,3226 EUR) gelatzt hat.

Die eigentliche Frage ist natürlich, warum unsere Verlustängste so ausgeprägt sind, dass es uns schwer fällt, die Aktien von Ford abzustossen oder wenigstens die albernen Zeitschriften und blöden Bücher wegzuwerfen. In deren hinteren, ungelesenenen Teilen steht allerdings, was alles an der Börse Psychologie ist, und gegen die Psychologie ist glücklicherweise bereits eine Maschine erfunden, der Kernspintomograph. Wenn man dort Leute hineinschiebt, weiss man, was sie gedacht haben, weil man es ihnen vorher gesagt hat. Anschliessend schaut man nach, welche Hirnregion verwendet wurden, wenn Nonnen beten oder über Aktiengeschäfte grübeln.

Im Falle des vorgestellten Experimentes wurde gar herausgefunden, dass sowohl bei einem Anstieg der Angst vor Verlust als auch bei einem Anstieg der Gewinnmöglichkeiten die gleichen Hirnregionen angeregt werden. Hierbei gibt es allerdings individuelle Unterschiede, die man quantifizieren und zur Vorhersage der Risikobereitschaft nutzen kann. Hinterher ist man ja immer schlauer.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Betrachtungen über den Klecks


24.06.2007 | 23:54 | Fakten und Figuren | Sachen kaufen | Papierrascheln

Interview mit H. v. Schwindt


Heiko von Schwindt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Heiko von Schwindt (32) studierte Germanistik und Betriebswirtschaft in Göttingen und London, habilitierte sich dort 2002 mit einer Arbeit über den Getreidehandel in Thomas Manns Buddenbrooks und war kurze Zeit Redakteur der Financial Times. Heute arbeitet er als freier Mitarbeiter für das Börsenblatt des deutschen Buchhandels und präsentiert zusammen mit Walter Feinbeiss die tägliche Börsensendung "Bears 'n' Bulls" auf n-tv. Von ihm stammt die Idee, in der Riesenmaschine eine Klagenfurt-Aktienbörse einzurichten.

RM: Herr von Schwindt, Sie haben diesen Markt für uns organisiert und nun auch lange beobachtet. Wie würden Sie die Lage nach 6 Tagen beschreiben?
Schwindt: "Lage" ist noch milde ausgedrückt. Der Markt ist tot.
RM: Was ist Ihre Prognose, wird das so bleiben?
Schwindt: Das kann nicht in unserem Interesse sein und auch nicht im Interesse der Anleger. Wir brechen das jetzt mit dem Contenthammer auf.
RM: Was heisst?
Schwindt: Was heisst, dass ja bisher praktisch blind in die Werte reingegangen wurde und blind wieder raus. Nichts gegen Ihre Leser, aber die können doch die Scheuermann nicht von dem Zwicky unterscheiden. Die "Toptrader" konsolidieren den Markt, indem sie die Kurse halten, wo sie sind, und keiner weiss, warum. Neuankömmlinge werden abgezogen, alles drückt zur Mitte hin.
RM: Und wie genau wollen Sie das jetzt ändern?
Schwindt: Kennen Sie das Sprichwort, ein rollender Stein setzt kein Moos an?
RM: Nein.
Schwindt: Das ist Börsensprache und bedeutet: Die Lawine stürzt ab, die Karawane zieht weiter.
RM: Und konkret jetzt?
Schwindt: Autorentexte. Wir werden Leseproben veröffentlichen. Damit die Anleger einfach mal sehen, auf was sie sich da eigentlich eingelassen haben.
RM: Was wird das Ergebnis dieser Veröffentlichung sein?
Schwindt: Schweissausbrüche, Panik, Flucht in den Alkohol. Autorentexte, das ist schlimmer als eine Brezel im Hals des amerikanischen Präsidenten. Da crasht die Börse, da fliegt der Bär. Ich kann nur raten, oben schon mal alles wegzushorten.
RM: Und wann und wo wollen Sie das veröffentlichen?
Schwindt: Montag, Punkt 14 Uhr, in den Kommentaren zu diesem Beitrag. Wobei Veröffentlichung natürlich das falsche Wort ist. Weil, das ist ja alles öffentlich. Hätt sich ja jeder angucken können, was die Herren und Damen so schreiben. Aber ein Blick auf den Markt, und Sie wissen: Hat keiner gemacht.
RM: Die meisten unserer Leser haben -
Schwindt: Leser! Patati, patata.
RM: Manche hängen seit 72 Stunden auf der F5-Taste und haben viel Arbeit in ihr Portfolio investiert.
Schwindt: Sie nennen es Arbeit, ich nenne es Unfug.
RM: Ihr Schlusswort?
Schwindt: Mit Literatur hat das alles nichts zu tun.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Klagenfurt-Totalisator


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