Riesenmaschine

17.10.2007 | 19:12 | Anderswo | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

Es müssen nicht immer Platinraketen sein


Acht Playstations für die Wissenschaft
(Foto: Dr. Gaurav Khanna)
Astrophysiker der University of Massachusetts at Dartmouth haben etwas Grossartiges herausgefunden: Acht Playstations können einen teureren Supercomputer ersetzen. Möglich ist das, weil Sony – Apple, aufgepasst – auf der Playstation 3 auch Systemsoftware von Drittanbietern zulässt, was wiederum die Installation von Linux ermöglicht, und der Rest ist dann eigentlich ganz einfach.

Was allerdings zunächst bloss wie eine lobenswerte Sinnstiftung für eine erfolglose Spielkonsole aussieht, ist gleichzeitig der Beginn einer Neuen Sparsamkeit, die Weltraumforscher auf der ganzen Welt unter starken Rechtfertigungsdruck setzen wird: Was Hubble kann, hätte sicher auch eine 200-Euro-Kamera mit einer davor gebundenen Lupe geschafft. Statt Teflon würde vermutlich auch Gusseisen funktionieren. Und um die Forschungssatelliten ins Weltall zu bekommen, könnte man es ja mal mit drei zusammengeschalteten Rasenmähermotoren versuchen. Nur so für die Zukunft.


15.10.2007 | 17:50 | Anderswo | Sachen anziehen | Essen und Essenzielles

Pizza Inkognito


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es ist mal wieder typisch: Da wurde die Initiative eines bayrischen Gastwirtes, der keine Kinder unter 12 Jahren mehr in seinem Restaurant zulässt (vgl. taz) inzwischen in so ziemlich allen wichtigen Internetforen kontrovers diskutiert – praktische Lebenshilfe sucht man aber (abgesehen von diesem Vorschlag) mal wieder vergeblich.

Was aber tun, wenn man als Elter in Kraiburg mal wieder eine leckere Pizza Ungarn 2 essen und einen Russen trinken möchte, aber für die Kinder keinen Babysitter findet, weil der bereits den Nebentisch reserviert hat und sich auf seine Atztekenpfanne und seinen Neger freut? Riesenmaschine-Spezialtipp: Die Kinder einfach tarnen! Sollte der Wirt irgendwann dahinterkommen und das Restaurantverbot auf Duftbäume ausweiten, nimmt man stattdessen halt ein Furzkissen mit. Oder ein riesiges gelbes Marshmallow-Küken. Oder eine Eistüte, eine Banane, eine Erbsenschote, ein Stück Pizza oder einen Hot Dog. Andererseits: Warum noch essen gehen, wenn man auch kristallklare Eiswürfel lutschen kann?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Intelligent Design


14.10.2007 | 21:12 | Essen und Essenzielles | Gekaufte bezahlte Anzeige

Im Dosenholozän


Ich bin dreitausend Dosen
(Foto: g-hat, Lizenz)
Keine Verpackung wird so häufig zu Unrecht heruntergemacht wie die Konservendose: Hört man irgendwo, die Plastiktüte hätte den Vietnam-Krieg ermöglicht oder die Jutetasche den jugoslawischen Bürgerkrieg? Die Schergen des Antidosen-Mems hingegen schreiben in der Wikipedia, dass die Blechdose den ersten Weltkrieg zuliess und ansonsten für Bleivergiftungen sorgte, bis sie 1950 selbst ausstarb. Dabei wurde die Mutter der Dosengerichte, Ravioli in Tomatensauce, erst 1956 auf den Markt gebracht und brachte eine Blüte der modernen Dose.

Nun würde manch infame Lobby oder Interessenvertretung diesen Umstand klammheimlich aus der Wikipedia beseitigen, den Grund für WKI einfach auf den Anschlag auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand oder das schlechte Wetter abwälzen und hoffen, dass es keiner merkt. Nicht aber die Dosenköche! Wie bereits berichtet, suchen sie stattdessen bessere Möglichkeiten, zum Beispiel helfen sie vier Leuten beim ]grossen Dosentest, sich sechs Wochen lang hauptsächlich aus Dosen zu ernähren. Diesen Leuten kann man hier auch über die Schulter gucken, und es geht ihnen wie erwartet gut. Morgen mittag gibt es übrigens Nudelauflauf mit Erbsen und Möhren und davor eine Pfifferlingssuppe, wie wir aus gut unterrichteter Quelle wissen.

Mal abgesehen vom ewigen Ex-Frischgemüsewegschmeissen: Was wäre das für eine Welt ohne Büchsen? Die bizarre Idee, Linsen oder Bohnen am Tag zuvor einzuweichen, mag einen nur amüsieren, wenn man nicht um Viertel nach elf in der Wohnung ankommt, wo einen die Apathie des Mitbewohners, aber kein herzhaftes Nachtmahl begrüsst. Eingedoste Gerichte halten hingegen für einige kleine Äonen und sicher alle Abende, an denen der liebe Mitbewohner und seine drei Nachbewohner gekocht haben. Trauriger noch war die Welt ohne Dosenöffner, besonders nach Erfindung der Konservendose um 1810. Bis 1858, dem Jahr der Patentierung des Dosenöffners, wurden Dosen mit Hammer/Meissel, Steinen oder Bajonetten ihrer Dichtung beraubt. Man wundert sich im Nachhinein, dass sich der Begriff Dosensteinzeit für diese frustrationsreiche Periode nicht durchgesetzt hat.

Was aber auf der Erde (USA) noch Grosses aus Dosen entstehen kann, sieht man beim CANstruction-Wettbewerb: Dort werden jedes Jahr Skulpturen aus Konservendosen prämiert. Die Gewinner dieses Jahres verbauten 12.528 Dosen zur fleischfressenden Pflanze Audrey II; wahrscheinlich war es gar nicht so einfach, sie zu zählen. Bleibt nur noch eine Frage: Wie bitte baut man aus 3000 Dosen ein Möbius-Band?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Dosen, euch will ich kosen


12.10.2007 | 18:22 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Worte, Sätze, Sensationen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Jahrmärkte sind im Wesentlichen eine Entsprechung der Riesenmaschine in analog: 1. Zahlreiche verschiedene Riesenmaschinen sind auf engem Raum vereint und bringen den Menschen Freude, 2. An allen Ecken warten flauschige und sonderbare Tiere, 3. Blinkende und nachtleuchtende Elemente werden kultisch verehrt und sind in vollkommenem Übermass vorhanden und 4. Die Macher haben die blumige Kunst des Aufschneidens und Blendens über die Jahrhunderte perfektioniert. Bloss von 5., dem vielgerühmten Bildungsauftrag der Riesenmaschine, war auf Jahrmärkten bisher leider nicht viel zu sehen.

In diese Bresche springt jetzt, todesmutig, wie man es von ihr gewöhnt ist, die Show der Sensationen, die auf dem Sonntag zu Ende gegangenen Oldenburger Kramermarkt mal wieder zu den absoluten Highlights zählte (neben der Blumenlotterie und dem Aalwürfeln). Denn bei der SdS hat man verstanden, dass gerade in den bildungsnäheren Zielgruppen die Zukunft des Schaustellergewerbes liegt. So schockierte man schon vor einiger Zeit die Konkurrenz durch eine Kooperation mit Littmann Kulturprojekte (Basel): Das Kunstprojekt Steilwand: Eine Hommage an Jean Tinguely war eine PR-Aktion, die die Jahrmarktwelt "auf den Kopf gestellt" habe, wie ein Branchenkenner zu Protokoll gab.

Diese Haltung soll nun natürlich auch am POA erlebbar werden. Zu diesem Zweck bewirbt die SdS ihr Programm mit dem vieldeutigen Sinnspruch "Nur wer Gefährlich Lebt hat wirklich Gelebt", zitiert nach Nietzsche. Das eigentlich Sensationelle daran: Dieses Zitat war bisher scheinbar unbekannt! Es findet sich weder im Internet, noch auf der CD-ROM "Friedrich Nietzsche – Werke" von Kollege Klaus Cäsar Zehrer. Spätestens an dieser Stelle wandelt sich der zarte Flirt mit dem Bildungsbürgertum in eine flammende Affäre und stellt die Show der Sensationen an die Spitze einer neuen Avantgarde. Eine Position, die mit dem Satz Die Gunst dem Volke fundamental bestätigt wird – eine erratische Neuinterpretation von "Dem Deutschen Volke", die viele Kramermarktbesucher verstört und beeindruckt zurückliess.

Jetzt, wo 5. Der Bildungsauftrag also erfüllt ist, kann sich das Schaustellergewerbe voll und ganz dem letzten offenen Punkt widmen: Einer optisch ansprechenden Aussendarstellung mit einem Logo, das selbst einschlägig bekannte C-Prominente gerne öffentlich auf dem T-Shirt tragen. Der letzte Versuch, eine ansprechende und ernstzunehmende Dachmarke zu etablieren, ging nämlich leider ziemlich in die Hose.


11.10.2007 | 11:59 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Vom Niedergang des Blitzes


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die Geschichte des Blitzes ist traurig, weil sie stetig bergab verläuft. Dabei hatte sie vielversprechend begonnen, als der Blitz vor einigen Milliarden Jahren mitverantwortlich für die Entstehung des Lebens war. Auch einige Zeit später war der Blitz noch gut im Geschäft, als er den ersten Humanoiden das Feuer bescherte. Dann aber entschied man sich im Hause Blitz folgenschwer für ein Zusammengehen mit einer Anzahl verschiedener Götter von Zeus bis Gott: der Blitz wurde aufs Ungünstigste als Drohgebärde und Strafe instrumentalisiert. Auch die eigentlich sinnreiche Kooperation mit dem Donner, die zuvor das gewünschte Pathos auch für blinde Nutzer wahrnehmbar machte, geriet ins Bedrohliche. Daraufhin ging alles ganz schnell: um heilig gesprochen zu werden, bauschte Sankt Florian die Brandgefahr durch Blitze heillos auf. Trotzig seinem kurzentschlossenen Wesenszug folgend, liess sich der Blitz hinreissen, das frühere Vorteil zu bestätigen, und zündete praktisch das gesamte Mittelalter hindurch eine Stadt nach der anderen an. Nach der Beteiligung an den Frankensteinschen Menschenexperimenten war der Tiefpunkt erreicht, als nach dem Sieg der Alliierten 1945 klar wurde, dass der Blitz Hitlers Angriffskrieg gesponsert hatte.

Der unausweichlichen schlechten Presse folgte ein Rückzug ins Private, ein Auskommen hatte man nur durch einen langfristigen Model-Vertrag mit der Firma Opel. Einen ersten, ironischen Aufarbeitungsversuch der eigenen Geschichte wagte man erst 1976, mit dem Ramones-Hit "Blitzkrieg Bop". Einen wichtigen Schritt zur Resozialisierung brachte schliesslich die Demokratisierung des Blitzes; sie gilt inzwischen zumindest in den westlichen Gesellschaften als abgeschlossen, wo fast jeder im Schnitt zwei Blitze (Handy und Digitalkamera) mit sich führt. Dass der Blitz aber von Zeit zu Zeit hier und da über die Stränge schlägt und daher noch immer als Bedrohung angesehen wird, lässt sich an der florierenden Blitzschutzindustrie festmachen. Das Bild zeigt eine aktuelle Aufnahme eines hausnahen Bürgersteiges in Berlin Mitte, wo ein metallener Gebetsstein zum Zwecke des Blitzschutzes eingelassen ist. Genutzt hat es in diesem speziellen Fall kaum: Regungslos verharrt das beschriftete Stück Stahl im Boden, als es in der Nacht vom Blitz getroffen wird (Foto).


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