Riesenmaschine

22.08.2006 | 14:24 | Was fehlt

This is Rocket Science

In nur wenigen Wochen ist es endlich soweit, und im amerikanischen Niagara Falls, das zufällig genau neben den Niagarafällen liegt, findet die international hochkarätig besetzte Rocketbelt-Convention statt. Alle werden dasein, "Hal" Graham, der allererste Rocketbelt-Pilot, "Bill" Suitor, der James Bond in "Thunderball" beim Rocketbelt-Flug doubelte, und Erik Bengtsson, Spezialist für Wasserstoffperoxid, das als Treibstoff für moderne Rocketbelts dient. Eigentlich ist uns das aber vollkommen egal, denn das einzige, was interessiert, ist die Beantwortung folgender Frage: Warum verdammt hat noch nicht jeder so ein Ding in der Garage? Obwohl doch schon die Nazis fast soweit waren? Warum fahren wir stattdessen mit Strassenbahnen und Mopeds? (Gut, das waren jetzt zwei Fragen.) Space.com lässt die Spezialisten erklären. Es sei zu riskant, von zehn Piloten würden vier sterben, sagt Ky Michaelson. Wasserstoffperoxid sei sauteuer, sagt Kathleen Clough, und ein Rocketbelt verbraucht mehr als ein Hummer. Und so weiter. Aber am Ende kommt das Hammerargument: Man solle doch bitte auch die Lärmverordnungen bedenken, so ein Rocketbelt macht schliesslich gehörigen Krach. Lärmverordnungen! War die Dampflokomotive etwa leise? Man muss erst mal laute, dreckige und stinkende Sachen bauen, bevor man irgendwann viel später, aber später halt! So geht das nicht, wenn sich alle so angestellt hätten, würden wir heute immer noch auf Draisinen nach Mallorca fahren.


20.08.2006 | 16:00 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Platten, wie wir sie lieben


Zu klein, nehmen wir nicht
Plattentektonik ist zweifelsohne die beste geheimnisvolle Kraft, die die Erde sich bisher ausgedacht hat, noch etwas besser als Brainslugs, die Todesstrahlen von Nikola Tesla und die seltsamen Zusammenrottungen von Staub unter Möbelstücken. Nicht nur gefährdet die Plattentektonik die Existenz der europäischen Aale, die zur Fortpflanzung aus Starrsinn immer bis in die Sargassosee fahren, nein, durch die Unstetigkeit der Erdoberfläche kommen wir auch in den Genuss von so herrlichen Katastrophen wie Vulkanausbrüchen und Erdbeben. (An dieser Stelle muss das ebenfalls herrliche Wort Subduktionszone zwar genannt, aber nicht unbedingt erklärt werden.) Jetzt kann man der internationalen Plattenfachpresse entnehmen, dass alles in Wahrheit NOCH besser ist, denn die Plattentektonik hat in einer beneidenswerten Glückssträhne nicht nur Amerika, sondern auch Australien zusammengewürfelt. Wie die Doktorandin Kate Selway aus Adelaide herausfand, entstand Australien in einem gekonnten Auffahrunfall von drei Landbrocken, die voller Hoffnung ihre Verwandtschaft verliessen, um nach Australien auszuwandern, aber weil es das noch nicht gab, stellten sie sich kurzerhand selbst als Australien zur Verfügung. Und zwar vor 1,6 Milliarden Jahren, weswegen es auch keinen Polizeibericht von der Massenkarambolage gibt, denn die Polizei wurde erst deutlich nach der Plattentektonik erfunden. Schön wäre jetzt noch, wenn man zwei Platten so zusammenhauen könnte, dass dabei ein extrem grossartiges Gebirge entsteht, dem man dann vielleicht einen total albernen Namen wie, sagen wir, Himalaja geben könnte. Das wäre wirklich irgendwie toll.


16.08.2006 | 19:58 | Alles wird besser

Endlich echt bluten

Die erstklassige Do-it-yourself-Talentschmiede instructables.com macht zur Zeit auf ein äusserst kompetentes Kompendium zur Vortäuschung schwerer Verletzungen aufmerksam, für die man nicht mal eine schwere Verletzung braucht. Genau das ist ja oft der Punkt: Um nicht zur Schule zu müssen, den hundsgemeinen Ex-Freund zu bestrafen oder beim Literatur-Wettbewerb Aufmerksamkeit zu erregen, muss man ernsthaft zumindest die oberen Schichten der Haut zerschneiden, wovor viele schon mal zurückschrecken, weil es meist zu Schmerz und Pein und einer erheblichen Sauerei führt. Schluss damit. In einem offenbar mehrteiligen Kurs beschreibt die erste Folge das Anbringen von tiefen Fleischwunden in sechzehn attraktiv bebilderten Schritten, und zwar hochpräzise und detailreich. Wer möchte hinterher schon feststellen, dass es eher wie ein zerkratzter Mückenstich aussieht? In der nächsten Folge kommen dann Schusswunden dran. Go scare the crap out of your Bachmann-Jury!


12.08.2006 | 05:19 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Klarheit ist nicht wünschenswert


Sieht eigentlich ganz normal aus: Planemo
Nächste Woche, auf dem grossen Symposium der Internationalen Astronomischen Vereinigung (IAU), soll endlich per Definition geklärt werden, was man in Zukunft Planet nennen darf und was nicht. Was auch immer dabei herauskommt – man wünscht sich natürlich eine komplett lebensferne und komplizierte Formulierung, irgendwas mit Deuteriumbrennen, e<0.25 und Spektraltypen – die Tatsache, dass man darüber überhaupt diskutieren muss, belegt, wie erfolgreich die letzte Dekade darin war, die rassistische Trennung zwischen Sternen und Planeten aufzuheben. Vor zehn Jahren noch war alles klar, die kleinen Planeten umkreisen den grossen Stern, und sie entstehen gefälligst, wenn der Stern schon fertig ist, basta. Als die Astronomen Jayawardhana und Ivanov Anfang Juni 2006 im kanadischen Calgary vor die Presse traten, und ein paar Dinger, zwar kaum grösser als Jupiter, aber ziemlich sicher genauso entstanden wie die Sonne, kurzerhand als Planemos bezeichneten, war darum das Geschrei gross. Ein Planemo – ein "planetary mass object", das jedoch nicht einfach nur einen Stern umkreist, sondern selbständig denken und handeln oder zumindest durchs All fliegen kann. Gleichzeitig präsentierte Kollege Mohanty einen Braunen Zwerg, auch so ein Untermensch des Weltalls, der von einem Planemo umkreist wird. Wenige Wochen später dann, in einem an planemolosen Nachrichten ansonsten eher armen Sommer, zeigte die Welt da draussen uns in aller Konsequenz ein Planemo, das von einem anderen Planemo umkreist wird. Leider wird es bis zur IAU-Tagung nicht mehr klappen mit der nächsten Stufe, denn worauf wir jetzt alle warten, ist ein Planemo, das von einem Planeten umkreist wird, oder halt auch umgekehrt. Früher war irgendwie alles viel zu einfach, die Erde eine Scheibe, die Bilder vom Himmel in Öl und Mathe ging noch ohne Taschenrechner.


08.08.2006 | 03:24 | Anderswo | Alles wird besser

Unmotiviertes Feiertagen


Zufrieden mit der Welt: Strand
(Foto: John Vetterli / Lizenz)
Kanada, der monolithische Landkloss auf der anderen Seite, zeigt, wie es geht: Während anderswo immer noch an vage religiös motivierten, aber ansonsten nutzlosen Feiertagen wie dem Ostermontag, dem Dreikönigsfest oder dem Buss- und Bettag festgehalten wird, erfindet Kanada einfach ein randomisiertes Sample von sauber weltlich oder auch gar nicht motivierten Festtagen und verteilt sie gleichmässig über die warme Jahreszeit. Ende Mai ist Victoria Day (zu Ehren einer toten Königin), Anfang Juli Canada Day (zu Ehren Kanadas), Anfang September der Labour Day (aus offensichtlichen Gründen) und gestern, am ersten Montag im August, der sogenannte "Civic Holiday". Fragt man Kanadier, was es damit auf sich hat, sagen sie verwirrt "kinda like a nice summer day", und tatsächlich hat es mit dem Civic Holiday rein gar nichts auf sich – er wurde 1869 offiziell als "midsummer holiday" nur so zum Spass eingeführt. Denn wie Sir John Lubbock 1871 in England über diese Sitte richtig feststellte: Einen Tag freihaben im August ist "advisable and satisfactory". So, Zwergstaaten in der restlichen Welt, kann man auch regieren.


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