10.07.2006 | 08:42 | Alles wird besser
Endlich Grillen im Rechner (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Schon lange konnte man es nicht mehr ertragen, dieses stupide, streng algorithmengesteuerte Herumgeistern von simulierten Gegenspielern in naiven Computerspielen. Viele wandten sich angeödet ab und verbrachten ihre Nächte stattdessen damit, Stechmücken oder andere Insekten, also richtige, wahrhaftig unberechenbare Lebewesen, durch das schwülwarme Schlafzimmer zu jagen. Jetzt endlich ergreift der holländische Student Wim van Eck das Problem am Chitinpanzer und entwirft ein Pac-Man-Spiel, in dem echte Insekten das Verhalten der Geister bestimmen. Mit Pac-Man gegen lebende Grillen, das ist zumindest vergleichbar, nein, vielleicht nicht ganz, aber es kommt nahe heran, an die Dramatik, Hitze und Verzweiflung des nächtlichen Kampfes mit dem Schuh gegen die Invertebraten. Warum man dieselbe Verwandlung von Echtweltplage zum Virtualgegner in Singapur aber auch den Nagetieren antun muss, bleibt vollkommen unklar.
06.07.2006 | 20:19 | Anderswo
Golflehrer verlangen oft zu viel (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Schottland ist in vielerlei Hinsicht so ähnlich wie die Riesenmaschine: Altmodisch, aber futuristisch, bei gleichzeitiger maximaler Albernheit. Exemplarisch steht dafür die Kleinstadt St. Andrews an der Ostküste, für die extra das Wort "pittoresk" erfunden wurde, damals, als Attribute noch knapp waren. St. Andrews verfügt nicht nur über die einzige Eliteuniversität in Grossbritannien, die nicht Cambridge oder Oxford heisst. Hier lehrte u.a. der Physiker, nach dem der Brewster-Winkel benannt wurde (der Mann hiess auch exakt genauso), ein überaus wichtiges Konzept, wenn man spiegelnde Oberflächen mal genauer betrachtet, also ein Grundelement für Narzissmus und Eitelkeit. Fast ebenso interessant ist die Bedeutung St. Andrews für den Golfsport, denn hier wurde schon Golf gespielt, als es noch verboten war, weil Bogenschiessen dadurch gestört wurde. Heute ist die Situation umgekehrt, die Stadt ist viel kleiner als ihre Golfplätze und erschossen wird man nirgendwo. Sondern vergiftet oder aufgefressen, und zwar im Seeaquarium, das ausserhalb von St. Andrews total unbekannt ist, aber offenbar spezialisiert auf kreative Todesarten: Stachelschweinfische! Schottische Haie! Piranhas! Zur Abwechslung auch mal vollkommen harmlose Robben! Elektroaale! Und, am allerbesten, der südamerikanische Pfeilgiftfrosch, leuchtender Wegweiser für die zuverlässige Zustellung von Tod und Verderben, und verantwortlich für mehr Tote als Hitler und Stalin zusammen, naja, vielleicht nicht ganz. Eben gerade gewonnen hat die Universität von St. Andrews übrigens auch den prestigeträchtigen nationalen Catering-Preis, denn niemand will kulinarisch unbefriedigt vom Frosch angespuckt werden. Frösche können ausserdem gar nicht spucken.
02.07.2006 | 19:00 | Sachen kaufen
Heiss: Halloween 2006 (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)"We bring the heat" verspricht We bring the heat und torpediert mit der instantanen Einlösung dieses vollmundigen Versprechens den Schnee-und-Eis-Trend des Sommers 2006. Endlich! Man besorge sich eines der grünlichen Natriumacetatkissen oder stelle sie gleich selbst her, lege sie auf die letzten Schneereste, dann einfach "push the button", und schon ist alles Gerede vom Kältetod obsolet. Natürlich ist das überhaupt gar keine Neuigkeit, spektakulär allerdings die vielen schönen Formen, die obengenannte Firma im Angebot hat, sowie die innovative Entdeckung, dass das stromlose Wärmekissen ganz genauso gut funktioniert, selbst wenn der Hersteller offen zugibt, keine Ahnung davon zu haben, wie es funktioniert: "We don't care how these amazing heat packs can be explained scientifically." Man muss nämlich gar nicht immer alles verstehen, es reicht, wenn das irgendjemand anderes mal erledigt hat.
29.06.2006 | 02:30 | Anderswo
Quo vadis, Schrumpfturm? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Kann man die Welt imitieren? Das Klagenfurter Minimundus, eine Ansammlung von Weltwundern (Oper Sydney, Dampflok, Suleiman Moschee), verkleinert im Massstab 1:25, versucht es zumindest und erzeugt ein seltsames Skalenschrauben im Kopf, wenn der 500 Meter hohe CN Tower auf Baumhöhe durch den Park schimmert. Ähnliche Institutionen befassen sich mit der Weltverkleinerung in beschränktem Masse vor allem zum Zwecke der Laufwegeverkürzung. Obwohl ein brauchbarer Ansatz, solange die Verkehrsmittel nicht schneller werden, einfach die Welt zu verkleinern, muss die fragmentarische Ausgestaltung des Unterfangens gerügt werden. Selbstähnlichkeit in Kombination mit grossräumigem Copy&Paste ist, so wissen wir heute, ein Grundprinzip der unbelebten Welt: Planeten werden von Monden umkreist, Sterne von Planeten, Schwarze Löcher von Sternen, grosse Galaxien von kleinen, es scheint so zu sein, als hätte das Universum seit Milliarden von Jahren nichts anders getan, als mit einer einzigen Blaupause herumzuspielen. Nicht weniger faul die belebte Natur, oft tut sie Millionen Jahre nichts anderes, als gesamte Gruppen von Organismen zu kopieren und umzuskalieren. Mal werden die Tiere grösser, mal kleiner, und keiner weiss so genau warum. Ab und zu rutscht aus Versehen eine Mutation dazwischen, und das verkauft man dann seit Ewigkeiten hochtrabend als Evolution. Innovation nämlich braucht gar keine Kreativität, das wird oft verwechselt, sondern nur einen billigen Taschenrechner und ein gutes Modell. Während der Mensch noch hilflos und verkrampft versucht, jeden Tag etwas Brandneues zu erfinden, liegt der Rest der Welt in der Sonne, sieht gähnend und voller Unverständnis zu, und skaliert währenddessen ein wenig herum. Immerhin haben die österreichischen Landstrassenerbauer dies schon erkannt: Ihre Werke sind extrem stark verkleinerten, wie zufällig veränderten Superstrings sehr ähnlich: Verschlungen, gefährlich und irreführend.
22.06.2006 | 04:14 | Anderswo | In eigener Sache
Ingeborg Bachmann Turner Overdrive (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Klagenfurt, eine listige Kleinstadt irgendwo zwischen Donau und Adria, verwandelt sich jedes Jahr so Mitte Juni, nachdem die letzte Wolke hinter den Karawanken eingesperrt wurde, in eine quantenverschränkte Mischung aus Grossmutters Kramladen, Toni Sailer, Dr. Hauschkas Sonnenmilch und Ingeborg Bachmann bzw. genauer den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Diese noch nie zuvor in der Riesenmaschine erwähnten Tage muss man nicht zwangsläufig kennen, aber man wird verstehen, dass Gesamtpreisgelder von über 50.000 Euro ausreichend Grund für die streng marktorientierte Redaktion sind, die nächsten Tage in Kärnten zu verbringen. Ausserdem ist das Wasser im Wörthersee wunderbar klar und kühl. (Dies erklärt gleichzeitig den gebremsten Fluss an Berichten über neuartige, sensationelle Geräte, die keinen USB-Anschluss besitzen, stay tuned.)
Nachdem die Riesenmaschinenautoren Wolfgang Herrndorf und Natalie Balkow in den letzten Jahren erfolgreich am, wie es heisst, "Bachmann-Bewerb" teilnahmen, wird heuer Kathrin Passig ins Feuer geworfen. Am Samstag, um 10:00 Uhr (das ist verdammt früh), ist live auf 3sat und im ORF zu besichtigen, wie sie einen Text über, soviel darf man vorab verraten, verschiedene Dinge vorliest. Im Vorfeld wird ein von diversen Riesenmaschinemitarbeitern unter der Regie von Lars Stanley Hubrich angefertigtes, bildendes Kurzportrait übertragen, in dem man die Autorin unter anderem in den Keller gehen sieht. Am darauffolgenden Samstag dann, und zwar zwischen 13:30 und 20:00, muss jeder, der das hier liest, zu einem internetfähigen Rechner gehen und Kathrin Passig hier für den Publikumspreis vorschlagen (mit Begründung). Denn der Grimmepreis reicht uns nicht, und wenn wir danach noch Fussballweltmeister werden, käme ein schöner Hattrick zusammen.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- langwierige Frauenbesuche vermeiden dank eingescannter Briefmarkensammlung auf dem iPhone
- Twi, Ga, Fon oder Kwa sprechen
- mehr Kümmel im Leben
- automatisches Schreiben
SO NICHT:
- das Baby Franz Ferdinand nennen
- Superbody durch Omas Napfkuchendiät
- Gardinen mit Goldkante
- Geisterbeschwörung
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Vers le sud", Laurent Cantet (2005)
Plus: 42, 53, 77 Minus: 19, 31, 53, 55, 110 Gesamt: -2 Punkte
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