Riesenmaschine

15.07.2006 | 15:08 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Verpackwaren aus Zuckerwatte


Biologisch abbaubar (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Macht man sich guten Mutes auf den Weg durch die sogenannte Wildnis, stellt man schnell fest, dass der Grossteil der dort rumliegenden Materie für den Menschen nicht nur nutzlos, sondern teilweise sogar gefährlich ist. Steine zum Beispiel kann man in der Regel nicht essen, fallen sie einem aber auf den Kopf, ist das Geheul gross. Und zwar nicht das Geheul der Steine.

Es ist deshalb leicht zu verstehen, dass der erste Gedanke, den der Affe formulierte, nachdem er Grunzlaut 0.9 zu Sprache 1.0 upgegradet hatte, "Umbauen den Scheiss, aber sofort!" lautete. Von da bis zu Wolken-, Eis- und Alligatorpfotenrückenkratzern dauerte es nur einen Wimpernschlag, im geologischen Massstab.

An diesem Drang des Menschen, aus nutzlosen Dingen andere, marginal nützlichere Dinge zu bauen, hat sich seither nichts geändert, nur die technologischen Fähigkeiten sind erblüht. Die Transmutation von Blei zu Gold zum Beispiel erforderte vor ein paar hundert Jahren noch wirrstes Gefasel, ist heute aber konzis innerhalb des Röhrensystems Internets beschreibbar. Neueste Errungenschaft der Molekülverformer ist die jetzt auf einer Konferenz in Toronto vorgestellte Kleiderkollektion aus polymerisiertem vergorenen Zucker. Wetterfeste, kompostierbare Zuckerpüppchen und -modelle – das muss diese Zukunft sein, die jetzt endlich begonnen hat. Oder jetzt. Oder jetzt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Essen calling


14.07.2006 | 12:14 | Supertiere | Alles wird schlechter | Zeichen und Wunder

Chimpsmissbrauch


Lache, Bajazzo, lache.
Sonst Dresche, Bajazzo, sonst Dresche. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im Dienste der Austreibung unerwünschter Geister unternimmt das Menschentier ja seit Jahr und Tag Dinge, die sich im Lebenslauf einer vernunftbegabten Person womöglich sonderbar ausnähmen. Hexenverbrennungen, AlkaSeltzer und die weltweite Lärmentfaltung zum jeweiligen Neujahrsfest sind nur drei Beispiele. Jetzt neu in der Liste ist die Geisteraustreibung qua Menschenaffe, genauer gesagt qua Fickschimpanse Bonobo, der grade im Netz rumgereicht wird, weil er sich angeblich beim Jagen der Geister in Ms. Pacman so köstlich amüsiert wie sonst nur der Polyesterpullover tragende Kellernerd aus dem Klischee. Das soll vermutlich mal wieder beweisen, dass Tiere die dümmeren Menschen sind, weckt in uns nach näherem Betrachten des Beweisvideos aber eher den Eindruck, dass der Mensch in der Lage ist, demütigend ehrgeizzerfressene Erziehungsmethoden auch auf Affen anzuwenden. Faszinierend, dieser Mensch. Dass das Grinsen von Schimpansen und Bonobos keineswegs Spass an der Freude, sondern Unterwerfung und Furcht signalisiert, könnte sich auch allmählich mal rumgesprochen haben. Vielleicht kann man die die Forschung ja mit Charlie, dem Karate-Chimp fortsetzen, zwecks Ungeistaustreibung mittels Roundhouse Kick.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die Spiele der Grillen


12.07.2006 | 18:33 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

I-Punkt Torpedos


Zurechtgebogene Wirklichkeit (Foto: kansas_city_royalty) (Lizenz)
Alle menschliche Tätigkeit ist ja in irgendeinem Sinn illusionär, oder jedenfalls nicht beweisbar real. Das kommt auf eins hinaus, sofern man als Sechzehnjähriger im hormonellen Neinsagemodus steckengeblieben ist. Aber selbst wenn man aus diesem Kontra-Alter raus ist und das volle Bock-Ramsch-Regelwerk der Welt akzeptiert hat, bewahren sich schöne Illusionen ihren Kitzel. Dass etwas nicht so sei, wie es uns erscheint, erinnert uns fundamental daran, dass alles ist, was es ist, indem es zu dem wird, was es nicht ist (oder umgekehrt), und sieht jedenfalls meistens ganz gut aus.

Die Illusion betrügt den hilflosen Wahrnehmungsapparat, der aber im Allgemeinen und abgesehen von epistemologischen Grundfragen, recht zuverlässig operiert. Sie ist deshalb stets von Randbedingungen abhängig. In besonderem Mass gilt das für perspektivische Täuschungen, (zum Beispiel U-Bahn-, Strassen- oder Wandmalerei, die Werke von Calum Colvin oder auch transparente Bildschirme), die oft nur von einem einzigen Standpunkt aus ihren Illusionscharakter entfalten, und aus anderen Blickwinkeln mehr oder weniger viel von ihrem Getriebe herzeigen. Steht man aber an diesem speziellen I-Punkt, oder schiebt stellvertretend eine Kamera da hin, dann kitzelt das den Wahrnehmungsapparat und eine kleine Explosion ereignet sich. Gesundheit.


12.07.2006 | 07:41 | Vermutungen über die Welt

Tote Kunst schmeckt nach Hühnchen


Vincent van Gogh: Mensch, Maschine oder Mensch-Maschine? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wissenschaft und Kunst, das ist ja in den Köpfen vieler Menschen eine ähnliche Paarung wie die von Feuer und -löscher oder von Göffel und Spork. Gerne wird da der Frosch zitiert, der nach dem Auseinanderschneiden zwar verstanden, aber maustot sei. Oft vergessen wird bei der Kritik, dass Froschteile ganz gut schmecken, und zwar nach Hühnchen.

Tatsächlich schlägt es oft funky Funken, wenn die Wissenschaft auf die Kunst haut. So knasterte es lautstark, als Schwimmbeckenmaler David Hockney mit Science-Sidekick Charles Falco vor fünf Jahren die gesamte Renaissance der Schummelei mittels optischer Gerätschaften bezichtigte. Das Gezeter der Wissenschaft um die Perspektivenproblematik schleppt sich bis heute fort, Hockney selbst hält sich unterdessen aus der Debatte raus und malt wieder. Leise kichernd, darf man vermuten.

Neueste Erkenntnis der Forschung: van Gogh malte Turbulenzen wie sonst keiner Turbulenzen malte, inklusive Kolmogorov-Skalierung, nämlich. Er war sozusagen ein Turbulenzenmaler der Weltklasse, und kein anderer Turbulenzenmaler konnte ihm Wasser reichen, jedenfalls nicht nach dem Umrühren. Ob das nun tatsächlich bedeutet, dass van Gogh einen Analogcomputer zum Berechnen komplizierter Differentialgleichungen aus seinem Ohr gebaut hatte, müsste man vielleicht mal Hockney fragen.


06.07.2006 | 14:11 | Vermutungen über die Welt

Rückspielchen


Quark und Antiquark, erstmalig gemeinsam fotografiert.
(Foto: Kuckuck)
Ende der 90er rappelte es ein bisschen in der Sandkiste. Die Sozialwissenschaftler, so maulten die Physiker, waren über die in den Sand gezeichnete Disziplinsgrenze gekrabbelt und spielten mit den Förmchen der Physiker. Schlimmer, die Invasoren um Lacan, Baudrillard, Deleuze und Virilio buken Tortendiagramme und bauten Teilchenzoos in der Physikerecke, dabei hatten sie doch von Quarzkörnern und Backtriebmittelchemie keinen Schimmer. Einer der Physiker, Alan Sokal, schlug zurück und reichte unter dem schönen Titel "Die Grenzen überschreiten: auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation" einen Beitrag zur renommierten Zeitschrift Social Text ein. Der Text enthielt jede Menge weitere schöne Formulierungen, die aber von Sokal absichtlich nicht mit einem kohärenten Sinn ausgestattet wurden. Social Text druckte das Ding klaglos weg, Sokal verging vor Häme in einer buchförmigen Explosion aus Glück, die es sich auch Jahre später noch anzuschauen lohnt. Nach dem Knall herrschte dann erstmal Ruhe im Kasten.

Nun aber schlugen die Sozialwissenschaftler zurück. Einer der ihren tarnte sich nach nur 30 Jahren der Beschäftigung mit der Teilchenphysik erfolgreich als Teilchenphysiker und wurde selbst von echten Teilchenphysikern nicht durchschaut. Das beweist unzweifelhaft, dass der Schaden einer sozialwissenschaftlichen Ausbildung nicht komplett unwiderruflich ist, und wird daher nicht nur Ende des Jahres in einer sozialwissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht, sondern sicherheitshalber schon heute vorab in Nature protokolliert. Im Sandburgenkrieg steht es also nun Sokal – Norkal Social, 2:0. Vielleicht reissen sie's beim Elfmeterschiessen noch ra... oh, Abpfiff.


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"Chocolate", Prachya Pinkaew (2008)

Plus: 8, 9, 11, 12, 37, 49, 55, 69, 79, 80, 89, 108
Minus: 1, 26, 90, 113, 143, 158
Gesamt: 6 Punkte


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