Riesenmaschine

03.02.2007 | 05:02 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Apple für Arme


Schkopau auf Ecstasy (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das ist also dieser OLPC, von dem man so wenig hört in letzter Zeit. Er hat einen hässlichen Namen und ist selbst hässlich. Er sieht aus, als hätte Siemens 1997 versucht zu erahnen, wie Apple 2001 hätte aussehen mögen. Die Farbe löst Leckreflexe der Ekelfaszination aus, entsprechend dem Verlangen, das Apfelshampoo wegen des Geruchs wider besseres Wissen mal zu kosten. Und der Name ist schlecht. Aus Marketingsicht kann man nur Dinge gutheissen, die gut heissen. OLPC kann und möchte niemand aussprechen. Produziert wird überhaupt erst, wenn fünf Millionen verbindliche Bestellungen eingegangen und bezahlt wurden. Als wäre das nicht genug, kostet der 100-Dollar-Laptop überraschend 150 Dollar. Das alles spricht für schlechtes Marketing. Dabei soll der Durchschnittskunde ein paar Millionen Stück abnehmen. Weil das Projekt aber trotzdem ein zukunftsweisendes ist, möchten wir alle mitlesenden Staaten zum Kauf ermuntern.


31.01.2007 | 01:18 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Die totale Versymbolung von allem


Eine Art eingebautes Verfallsdatum (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Im letzten Jahrtausend schrieb der Wortkomponist Max Goldt von der Beschriftung der Bevölkerung und meinte Textiltexte. Diese Beobachtung erhält inzwischen einen gesamtkulturellen Kontext: Der Mensch scheint dazu zu neigen, alles ihn umgebende Zeug semiotisch vollzusauen. Im Verbund mit einem Beherrschungsdrang ist uns Greiffenhagens Wort "Wer die Dinge benennt, beherrscht sie" offenbar ins Genset gebrannt und zur Sicherheit flanschen wir zusätzlich zur Benennung noch eine Handvoll Symbole dran. Und zwar immer überaller; hier wird auf Äpfeln frohe Weihnacht gewünscht, immerhin, es könnte auch iPod-Werbung sein. Zeichen sind auf Bäumen ebenso zu finden wie sie mit Bäumen konstruiert werden oder mit Gebäuden, es ist schwer, überhaupt unbeschriftete Waren im täglichen Konsumverkehr zu entdecken. Design- und Zeichenexperte Ezio Manzini (Minimal-Blogger mit einem soliden Schnitt von drei Postings pro Jahr) spricht von "semantic pollution", die Antikommunikationsguerilla träumt von Brillen, die Zeichen wie Werbung ausblenden.

Muss man also die Allgegenwart der Zeichen verdammen? Nicht unbedingt. Grosssemiot Umberto Eco, der Mann mit den meisten Ehrendoktorwürden (31), verspricht Rettung nur derjenigen Zivilisation, die Zeichen zur kritischen Reflexion einsetzt statt als quasihypnotischen Ablenkmechanismus. Wir schliessen daraus: Wenn nächstes Jahr auf Supermarktäpfeln Revolutionsparolen zu lesen sein werden, geht die Welt nicht unter. Sonst leider doch.


29.01.2007 | 21:32 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Cornfakes

Die für Outsider harmlos daherkommenden Corn Flakes sind in Wirklichkeit weltweit Massstäbe setzende Werbeexperten, und das schon seit gut einhundert Jahren. Im harten Konkurrenzkampf kam man 1906 im Maisflockenhaus auf die Idee, auf jede Packung zu schreiben Beware of imitations. None genuine without this signature. W.K. Kellogg. Der Markterfolg blieb nicht aus; wer mochte damals schon als unaufgeklärter Konsument gefälschte Cornflakes essen? Unvergessen die Anzeige For thirty days, stop eating toasted Corn Flakes, mit der man angeblich nur die Lieferengpässe in den Griff bekommen wollte, den Umsatz aber massiv steigerte.

1906 forderte man das Publikum per Anzeige mit Erfolg auf, unbeflakte Händler mit dem Ziel der Flockenbestellung unter Druck zu setzen. 1907 erfand man bei Maisflockens das Sampling: in einer Anzeige ohne Absender wurde die Bevölkerung für den nächsten Mittwoch in die Lebensmittelgeschäfte einbestellt, wo am nämlichen Tag überraschend Gratispackungen verteilt wurden. Allein in New York konnte der Absatz verfünfzehnfacht werden. 1909 entwickelte man das Give Away, bei dem ab zwei Packungen Corn Flakes ein Comicbüchlein dreingegeben wurde. In den 90er Jahren erfand man das deutsche Wort Cerealien, um nicht nur eine Frühstückszutat zu sein, sondern gleich eine ganze Lebensmittelkategorie zu beherrschen.


Goebbels könnte es auch nicht besser. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Auch heute noch wollen die Flocken vorne mit dabei sein, was ungewöhnliche Kommunikation angeht: 1% Fett, so steht es gross und signalfarbig auf der Packung. Und das ist natürlich toll, dass Cornflakes nur so wenig Fett enthalten. Wenn es auch vollkommen egal ist, denn wenn Cornflakes ein Problem haben, ist es zu viel Zucker – das sah übrigens auch der Bruder des Erfinders so, der wegen der Zuckerbeigabe bis zu seinem Tod kein Wort mehr mit dem Bruder sprach. Als Marketingtrick ist es natürlich trotzdem famosest; wir Werber arbeiten dementsprechend bereits daran, cholesterinfreies Benzin anzupreisen und kalorienarme Tapete.


28.01.2007 | 13:30 | Anderswo | Was fehlt

Neues vom Stadtmarketing


Reiterstadt Verden. Reiterstadt Verden. Reiterstadt Verden! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Stadtmarketing ist eine brandneue, kaum 3000 Jahre alte Sache, wenn man die erste virale Kampagne ("in Jerusalem sind die Strassen aus Gold") mitrechnet, die es sogar in den damals angesagtesten Universalratgeber schaffte. Eine neuere, handfestere Entwicklung im Bereich Urban Image Management ist die Verleihung des "Bad", eine Art Doktortitel für Städte, organisiert vom 1892 gegründeten Deutschen Heilbäderverband. Über die Jahre scheint sich jedoch dieses Heilbäderprädikat ob der schieren Masse der Bäder abgenutzt zu haben. Vielleicht deshalb preschte jüngst in den Dreissiger Jahren das Städtchen Verden an der Aller voran und nannte sich offiziell Reiterstadt. Überliefert ist, dass Pferde in Verden seit 1648, der Einrichtung einer Reitergarnison, eine grössere Rolle spielen. Der Name aber stammt eher von Furt oder Fähre her und ist älter als die städtische Pferdefreundschaft, was wiederum wahrscheinlich bedeutet, dass man aus dem hippophonen Stadtnamen irgendwann direkt das Stadtmarketingkonzept "Reiterstadt Verden" abgeleitet hat. Eine grandios einfache Idee, die auch bei der Vermarktung anderer Städte Pate stehen könnte; wir empfehlen die Motorradmetropole Helmstedt, die Kotzstadt Speyer, die Fahrradwerkstattstadt Radebeul und natürlich die Nagetierverherrlichungsstadt Nagold.


27.01.2007 | 15:53 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Taiga im Tank


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Ein Kilo Gas tanken hört sich an wie ein Meter Pommes in der Flasche (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Erdgasbetriebene Fahrzeuge explodieren auf deutschen Strassen, und zwar in der Anzahl. Ob der Russe mit dem Gasrubel in Zukunft ähnlich verantwortungsvoll umgeht wie der Araber mit dem Öldollar, wird man abwarten müssen. Bis dahin kann man sein geopolitisches Gewissen mit den gesparten Steuern beruhigen, und ein bisschen umweltiger sind Erdgasautos auch. Vielen Menschen ist allerdings unbekannt, dass man mit einem solchen Wagen in Kilo tankt, was einem hübsch den Geist öffnet zum fröhlichen Durcheinanderwirbeln der Alltagsmasseinheiten:
Warum nicht endlich mal zwei Stunden Bratkartoffeln bestellen? Eine 300 Kubikmeter grosse Wohnung anmieten? Urlaub im Umkreis von 250 Euro machen? Oder von 38° bis 32° lang baden? So weit kann einen ein Erdgasgefährt bereits beim Auftanken bringen, allein dafür hat sich die Sache gelohnt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Masseinheiten für Gefühle


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