Riesenmaschine

06.07.2007 | 19:28 | Berlin | Fakten und Figuren

Weil einfach einfach Einfalt ist


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In jedem von uns steckt ein Neandertaler, der sich nach Einfachheit sehnt. Lasst uns ihn bekämpfen! Dreitausend Jahre europäische Zivilisation mit dem Ziel, alles so komplex wie möglich zu machen, dürfen nicht verleugnet werden! iPhoneskes und Googleartiges muss als unterkomplexe Gesellschaftsverdummung begriffen werden; setzt es sich durch, wird schon in wenigen Jahren die menschliche Intelligenz durch ständige Unterforderung verkümmern. Jetzt, wo Siemens keine Handys mehr herstellt, hält allein das Antiusability-Bollwerk Motorola den Intelligenzbooster der terakomplizierten Handysoftware hoch. Alles wird immer einfacher und damit weniger herausfordernd, wie sollen unsere Kinder die für das Leben unabdingbare Erfahrung des Scheiterns am Gerät dereinst nachvollziehen?

Zum Glück regt sich gegen die Diktatur der Einfachheit, den gefährlichen Usability-Populismus, Protest von unten. Der Wirt eines Restaurants in der Berliner Cantianstrasse etwa bringt uns mit dem nebenstehenden Schild bei, wann Happy Hour ist, wann Crazy Hour und wann nicht. Wer dieses Schild länger als acht Minuten betrachtet, beginnt, es sinnvoll zu finden und ist gerettet.


09.05.2007 | 11:45 | Berlin | Sachen kaufen

Gleise? Nur von Spitzke!


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Eventuell wird es für immer ein Rätsel bleiben, weshalb Gleishersteller grossflächig auf Strassenbahnen werben, noch dazu mit dem Spruch "Spitzke – Die Gleis-Power". Auf der anderen Seite: wo sollten sie sonst werben. Auf den Slogan "Deine Bahnen fahren leise, nimmst Du Spitzkes Spitzen-Gleise!" ist man leider nicht gekommen.


08.05.2007 | 10:07 | Berlin | Zeichen und Wunder

Streuverlustangstfrei


Kryptosponsoring (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Sponsoring ist ein beliebtes Marketinginstrument, weil es allen Beteiligten famose Vorteile bietet. Sponsoren und Gesponserte tauschen Geld gegen Image und können so dem begeisterten Zuschauer Qualitätsgetöse zeigen. Der Wert für den Sponsor besteht in Bekanntheit und Sympathiesteigerung für sein Produkt. Einer der zentralen Vorteile des Sponsoring ist der geringere Streuverlust durch interessenspezifische Ansprache. Streuverlust ist, wenn man mit jemandem kommuniziert, den das überhaupt nicht interessiert. Man hat inzwischen wissenschaftlich herausgefunden, dass Menschen, die auf Damentennisturniere gehen, sich überproportional häufig für Damentennis interessieren – im Marketing ist es sehr wichtig, seine Zielgruppe so gut wie möglich zu kennen.

Und man könnte hier noch hundert Seiten Marketingfachliteratur paraphrasieren, es würde kaum den Sinnschock mildern, dass ein katarisches Telekommunikationsunternehmen ein Berliner Damentennisturnier sponsert und dafür die ganze Stadt mit teuren Plakaten vollhängt. Wen möchte Qatar Telecom damit erreichen und warum? Es gibt nicht mal eine deutschsprachige Website. Haben wir hier einen seltenen Fall von pathologischem Übersprungssponsoring? Nein, die Lösung ist sicher eine politische: Qatar Telecom möchte den Imageschaden durch die halbherzigen Zensurbemühungen ausgleichen. Die Zielgruppe soll denken "Gut, den Chat haben sie damals gesperrt, aber jetzt dieses superbunt plakatierte Damentennisding – inzwischen hab' ich sie richtig liebgewonnen und würde ihre Produkte kaufen! Wenn es sie hier gäbe." Potenzielle Kunden waren gestern; willkommen im Zeitalter der hypothetischen Kunden.


01.05.2007 | 19:13 | Berlin | Essen und Essenzielles

Vom Zauber des Nebenbeiten


Immerhin können sich nur sehr grosse Kinder die Hände verbrennen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nebenbeiten. Ein nagelneues, famoses Wort für eine halbneue, halbfamose Tätigkeit. Es ist eine Kurzform von "nebenbei arbeiten" und bedeutet im vorliegenden Fall eine gleichzeitige Verbindung von Nutzflächenoptimierung, Just-in-Time Lean Production, Arbeitsprozess-
Parallelisierung und Verarschung. Wir sehen einen Supermarkt, in dem integriert ins Brotregal ein Backofen steht. Das ist die Nutzflächenoptimierung. Wir sehen auch, dass daneben ein Tablett unfertiger Brötchen steht, das genau dann in den Ofen geschoben wird, wenn der Brötchenvorrat zur Neige geht. Das ist die Just-in-Time Lean Production. Wir ahnen aber auch, dass der Backvorgang nicht unbedingt von Konditormeistern vorgenommen wird, sondern von Regalbefüllern, die vorher eine vierstündige Ofenschulung bekommen haben mögen. Das ist die Arbeitsprozess-Parallelisierung. Und schliesslich vermuten wir, dass diese nebenbeitenden Backbefüller niedrigentlohnt werden dürften, aber auch sie irgendwann eingespart werden, so dass als Steigerung nur die Flucht nach unten bleibt: schon in naher Zukunft werden die Kunden ihre Brötchen selbst backen müssen. Supermärkte werden nur noch Zutaten und Gerätschaften bereithalten, der Trend wird sich weiter verschärfen, indem die Entertainmentgesellschaft daraus ein Event macht und ganz am Ende kommt man beim Supermarktgang in eine riesige Halle, wo man die Kuh selbst künstlich besamen muss, damit man ein Jahr später im Rahmen eines Live-DJ-Sets ein Kalbsschnitzel überreicht bekommt. Wenn man in der Zwischenzeit Hunger hat, mäht man ein Feld und bäckt sich ein Brot in einem der Öfen im ehemaligen Brotregal.


30.04.2007 | 21:25 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Schlüsselerlebnisse


Warum fragen eigentlich immer alle bei Produkten nach dem Sinn? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der grosse Schliess- und Schlüsselkongress in Las Vegas war sowohl dem Marketingmanager als auch dem Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung noch in lebhafter Erinnerung, als sie eines Freitags abends vom Vorstand gebeten wurden, für Montag früh eine Präsentation vorzubereiten. Ein Grossinvestor wolle "die ganze Hütte kaufen", Bedingung sei jedoch, so der Aktienoptionen besitzende Vorstand, dass man "ordentlich Innovationen am Start" habe und besonders die "schliessaffine Zukunftszielgruppe 14 bis 29 Jahre" bedienen könne. Und so dachten die beiden eine Viertelstunde intensiv herum, und als immer noch nichts herausgekommen war, malten sie einen bunt bedruckten Schlüssel in ihr Powerpoint, flanschten die selben Finanzierungsfolien wie beim (leider gescheiterten) Projekt "magnetischer Siliziumschlüssel" hinten an die Präsentation und gingen zur Weinprobe.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag in der Firma


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