10.03.2007 | 00:26 | Alles wird besser | Alles wird schlechter
 Als Logo für die Conservapedia? Konservativ, doch zu modern. (Foto: orangeacid, Lizenz) Warum ich und nicht der da? So jammert manch ein Wikipediaautor, dem gerade wieder ein Artikel unter dem Sitzkissen weggelöscht worden ist. Wie die Pest, die im Dunkeln schleicht, wie die Seuche, die wütet am Mittag, so suchen Tag um Tag kübelweise Artikel die beliebte Internetenzyklopädie heim, welche formell allen gesammelten Löschstatuten genügen. Ob die dreiste Offenbarung der SS-Vergangenheit schottischer Dudelsackisten oder markante Biographien wie "Ist ein Typ der in Wien wohnt viele sind eifersüchtig auf ihn weil er einfach cool ist aber viel zu sagen gibts dazu nix kommts und besuchts ihn mal", es wird sich nichts geschenkt ("Vormittags ist aber mehr los im Löschbetrieb", so Wikipedia-Admin d). Manche Frustrierte unter diesen löschbedrohten Kulturvandalisten versuchen wenigstens, es auf die Ruhmesseiten dauerhaft gesperrter Lemmata zu schaffen oder im Humorarchiv blasoniert zu werden – oder aber, sie gründen einfach eine neue Pedia, von denen es inzwischen fast mehr gibt als Sand im Getriebe der Ursprungspedia. In diesem Reigen eine der letzten Neugründungen: Die logolose Conservapedia, ein Wiki für, wie erwartet, Konservative und Neocons. Wer also konservativ ist, der braucht sich nicht mehr in Löschdiskussionen mit linken Wikipedianern herumzuschlagen, sondern kann sich gleich mal hinsetzen und für die Conservapedia ein pfiffiges Logo entwerfen. Aber nicht zu modern, bitte.
08.03.2007 | 17:17 | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Früher, als es noch Videotheken gab, war eines der zentralen Probleme der Menschheit die Auswahl des richtigen Films. Die misanthropischen Tipps des verhinderten Regieassistenten hinter der Theke annehmen, der seinerzeit einen schwachen Moment nutzte, um einem einen Mel-Gibson-Abend aufzuschwatzen? Per SMS die Freunde fragen, die dann doch wieder nur mit Hinweisen auf Erich-von-Strohheim-Retrospektiven und Ozu-Anfällen ihr Filmwissen unter Beweis stellen wollen? Oder gar nach dem DVD-Cover beurteilen, von denen es inzwischen nur noch drei Varianten gibt, nämlich ein Gesicht mit was drumherum, die in möglichst unnatürlicher Szenerie angeordneten Hauptfiguren oder unter Einsatz typografischer Zumutungen und sinnloser Farbflächen entstandenes artiges Arthouse-Artwork? Zwischendurch hatte man diese Probleme nicht mehr, weil man einfach keine Filme mehr sah, aber nun gibt es Moviepilot.de, bei dem man ein paar Dutzend Filme bewertet, von null bis zehn, als Zusatz mit Totenkopf oder Herzchen, und schon bekommt man – nach Art der Wisdom of the Crowds generiert – die tollsten Vorschläge, was einem auch gefallen könnte. Das hört sich sehr webzwonullig an, weil es nämlich auch Web 2.0 ist. Das könnte natürlich jeder sagen, aber der Beweis ist eindeutig, es ist nämlich (siehe Bild) nicht nur Beta, sondern sogar Beta Test.
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07.03.2007 | 18:18 | Alles wird besser | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Für Musik gibt es last.fm und Pandora und vielleicht eines Tages auch mal iLike, für Bücher gibt es nur die Amazon-Empfehlungen, die in den neun Jahren ihrer Existenz nur wenig klüger geworden sind. Nichttechnisch generierte Menschenempfehlungen fallen wegen ihrer grossen Amplituden weg, denn noch unterschiedlicher als der Fingerabdruck ist wohl nur der Bücherregalabdruck zweier Menschen. Lovelybooks soll seit Ende 2006 mit Hilfe der Weisheit der Massen schaffen, was bisher nicht gelungen ist, nämlich brauchbare Buchempfehlungen auf der Basis des bisher Gelesenen zu geben. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, ob die bis Ende April zu verlosenden 50 Buchpakete wohl erstmals in der Geschichte des Preisausschreibens auf die Vorlieben des Gewinners abgestimmt sein werden.
Optisch setzt Lovelybooks bisher stark auf die amazontypische Idee aus dem vorigen Jahrhundert: "Was viele gut finden, müssen alle gut finden", während man den Hauptvorteil von last.fm, die individuellen Empfehlungen von Geschmacksnachbarn, länger suchen muss. Aber es handelt sich ja auch noch um die Betaversion, nach deren Abschluss vielleicht auch das Suchen und Hinzufügen eines Buchs nicht mehr länger dauern wird als dessen Lektüre.
Ausnahmsweise braucht man übrigens keine Angst vor der üblichen "Sympathisches kleines Startup wird von bösem Konzern aufgekauft, alles wird schlechter"-Entwicklung zu haben, denn das unter anderem von last.fm-Mitgründer Michael Breidenbrücker von Lovely Systems entwickelte Lovelybooks gehört von Anfang an der Holtzbrinck-Gruppe. Ich hoffe, den Germanistikprofessoren der FU Berlin, die ich 1994 als Betreuer für die Entwicklung eines solchen Systems als Abschlussarbeit zu gewinnen versuchte und die mich auslachten, tut es heute leid und sie liegen nachts wach und weinen.
06.03.2007 | 19:33 | Berlin | Alles wird besser
 Foto: Kathrin PassigBerlin (hier: Schlesisches Tor) ist eine vorbildliche Stadt, von der der Rest der Welt viel lernen kann. Tagging wird mit öffentlichen Geldern gefördert, und das schöne "Vorsicht, frisch gestrichen"-Schild gibt es beim Kauf jeder Spraydose gratis dazu. Bevor wir hier in Berlin eine Bushaltestelle kaputttreten, spannen wir Absperrband rundherum, und danach hängen wir ein "Vorübergehend ausser Betrieb"-Schild auf. Unsere Dealer versteuern ihre Erträge, für Schwarzfahrer gibt es eine spezielle Monatskarte, und wer in Hauseingänge pinkelt, wäscht sich danach die Hände. Ja, so schön ist Berlin!
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06.03.2007 | 03:27 | Alles wird besser | Fakten und Figuren
Der Mensch besteht zum überwiegenden Teil aus überzogenen Erwartungen und Wasser. Als sich einst Grossrechenanlagen zum Lösen all der Gleichungen für die Quantenchemie feilboten, dachten wir, bald alle chemischen und physikalischen Eigenschaften von Molekülen berechnen zu können, um daraus die Geschicke von Zellen, Organismen oder Grösserem zu prognostizieren; Nur ein paar Petaflops, und das Ganze würde fluppen.
 1MFlop (Foto: jurvetson) (Lizenz) Was für das Wasserstoffmolekül (H2) und andere Gase vernünftige Ergebnisse ergab, wurde bereits bei anderen einfachen Molekülen aufwändiger als erwartet und kam den experimentell ermittelten Daten nicht nahe. Man schraubte seine Ansprüche herunter und wandte sich verschämt pragmatischen Lösungen in hohen Stiefeln zu, um dieses oder jenes zu approximieren, indem die experimentell gewonnenen Daten miteinbezogen wurden.
In einem schmutzigen Fenster wurde nun ein Widerschein eines Silberschimmer am Horizont der Berechenbarkeit der Welt gesichtet: Die Berechnung wichtiger physikalischer Grössen des Wassers aus den first principles. So kamen Robert Bukowski und seine Mitstreiter zu einer Inneren Energie von -10,89 kcal/mol, einem Selbstdiffusionskoeffizienten von 2.4 x 10-5 cm2/s und der Koordinationszahl von 5,6, alles ganz in der Nähe der gemessenen Werte. Die Fortschritte in der Störungstheorie, die hier zum Erfolg führten, lassen sich bald vielleicht auf grössere Probleme anwenden, frohlockte man in Science verhalten. Bis dahin lässt sich die Zukunft begrüssenswerterweise noch nicht an einer Hand auf der Tastatur abzählen.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Geweihförmige Holz-Keule
- Schamhaar von der Schiffer im Flusensieb
- Christopher Walken
- Pippi Lundström (geil)
SO NICHT:
- Mainstream-Religionen
- Legionen des Satins
- Risikohamster
- Wipperfürth an sich
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Ghostbusters", Paul Feig (2016)
Plus: 37, 75, 76, 80, 96, 108, 117, 122, 125, 126, 140, 142 Minus: 46, 99, 113, 155, 192 Gesamt: 7 Punkte
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