Riesenmaschine

24.11.2005 | 14:49 | Anderswo | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Der Müsli-Kaiser von China

Traditionell wird im Land der Chinesen (China) schön ungesund gefrühstückt: Süss oder salzig gefüllte Teigbällchen (Bao Zi), mit diversen Ingredienzien aufgepeppter Reisporridge (Zhou), frittierte "Ölstangen" (You Tiao) oder eine schlichte Nudelsuppe (Mian Tang). Dazu reicht man bisweilen wurstartiges, weisses Pappbrot (Mantou).
Offensichtlich passt das der Internationale der Müslifresser und Cerealienfreaks nicht, die traurigerweise auch unter den Riesenmaschineautoren ihre Agenten hat. In China wird sie neuerdings durch die Beijing The Cereal Way Food Technology Development Co. Ltd. vertreten. Seit ein paar Wochen "wirbt" das Unternehmen für ein Produkt, das man ganz unverblümt "Kampfplatz der fünf Getreidesorten" nennt. Auf den Plakaten herrscht der Schauspieler Chen Bao Guo die traditionellen chinesischen Frühstücker an: "Sagt nein zu Frittiertem – bleibt gesund!", andernfalls – so muss man es wohl interpretieren – er ihnen vermittels seines Baseballschlägers die Gesundheit einzuprügeln gedenkt.

Und Chen Bao Guo ist hierzulande nicht irgendeiner. In der 58-teiligen und sechs Millionen US-Dollar teuren TV-Serie "Han Wu Da Di" ("Grosser Han-Dynastie Kaiser Wu") spielt er den Kaiser persönlich, der eigentlich Liu Che (156 – 87 v. Chr.) hiess und den Beinamen Wu für seine kriegerischen Verdienste erhielt. Der Müslifresser – ein lascher Peacenik? Die hiesigen Werber glauben anscheinend, es sei an der Zeit, dieses internationale Trugbild zu korrigieren, respektive in China gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dabei haben sie ungewollt sogar Recht, denn letztlich kann man vor dieser gefährlichen Sorte Mensch gar nicht drastisch genug warnen.

Allerdings scheuen die chinesischen Cerealien-Warlords bisher die offene Feldschlacht. Wer die Schriftzeichen in und ums Plakatausrufezeichen genau studiert, wird feststellen, dass es sich beim propagierten "Kampfplatz der fünf Getreidesorten" immer noch um eine Nudelsuppe handelt, allerdings eine, die "Gesunde Instant-Nudeln – 100% nicht frittiert!" enthält. Beruhigend liest sich auch, was die Beijing The Cereal Way Food Technology Development Co. Ltd. sonst noch so unter dem Label "The Cereal Way" vermarkten möchte: Neben Schokolade, Backpulver und Senf auch künstlichen Kaffee, Eiscreme und Mondkuchen. Das nun klingt tatsächlich nach einem richtig leckeren Frühstück.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Lob des Schlabberfrühstücks und des Internets

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


23.11.2005 | 19:24 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Quo vadis, Feuchtigkeitsfeinabstimmung?


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Kaum war mein letzter Riesenmaschinenbeitrag freigeschaltet, da erreichten mich schon wieder neue Produkte aus der vorweihnachtlich zappelig gewordenen Innovationsabteilung der Firma Henkel: die Pril Winter-Edition in der Duftrichtung Vanille + Zimt und das Diadermine Professional Novalift Anti-Age-Set. Das trägt man natürlich gern nach Hause, sintemal das Anti-Age-Set ersichtlich Weiberkram ist, weil die Verpackung in Weiss, Rosa- und Fleischtönen gehalten ist. Bei Männern kommt das sportlicher daher, zum Beispiel in Silber und Orange. Ausserdem altert Männerhaut nicht, sondern wird bloss ein bisschen müde. Meine Hydra Energy Feuchtigkeitspflege (aus dem Hause L'Oreal) heisst jedenfalls "Anti-Müdigkeit". Die Feinabstimmung der Feuchtigkeitsverteilung scheint überhaupt das Top-Thema der Saison zu sein. Während die Haut nicht genug Feuchtigkeit haben kann, verhält sich's anderswo ganz konträr, und schon bringt Henkel den Ceresit-Luftentfeuchter auf den Markt. Jahrzehnte lang haben wir uns mit trockenen Schleimhäuten, Atemwegserkrankungen und der Suche nach hygienischen Luftbefeuchtern herumgeschlagen, die nicht die reinsten Bakterienschleudern sind, und jetzt war's eh die ganze Zeit zuviel? Das ist ja noch schlimmer als mit Aerobic-Trends und Sit Ups: Jahrelang super, dann plötzlich Gift für Gelenke und Wirbelsäule! Auf ein paar Dinge muss sich die Menschheit doch, verdammt noch mal, einigen können, ein paar Fortschritte einfrieren: So, das ist jetzt das Beste, das bleibt so. Man kann doch nicht ewig damit weitermachen, alljährlich eine zusätzliche Klinge in Nassrasierer einzubauen! Mal ehrlich, wackere Leute in den diversen Etagen und Abteilungen von Henkel, habt ihr nicht das Gefühl, bei der Produktinnovation hin und wieder ein bisschen über die Schnur zu hauen? Ich meine, zu Weihnachten soll die Küche nach Vanille, Zimt und Mandelkern riechen, aber doch aus dem Backrohr und nicht aus der Spüle! Und über den Duo Aktiv Grapefruit Fresh Surfer von Schnickschnack-Alessi, Firma Henkel, über den Fresh Surfer müssen wir auch noch sprechen, da muss nachgebessert werden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Mein Dank an die Firma Henkel

Klaus Nüchtern | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


21.11.2005 | 17:39 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Gib dir die Kugel, Howard!


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Erinnert sich noch jemand an den Marquis de la Grange? Nein, nicht den frühneuzeitlichen französischen Adelsmann (1639 – 1692), der es mit der Beobachtung, dass, wenn wir jemanden um Rat fragen, wir lediglich auf der Suche nach Begleitung sind, ins kollektive Gedächtnis der Menschheit geschafft hat. Die Rede ist von jenem Marquis de la Grange, der als verschmitzter Lebemann mit bonvivantistischen Anwandlungen Mitte der 1990er Jahre eine fiktive Hautevolee auf deutschen Bildschirmen zu foppen pflegte. Als Verschnitt aus James Bond-Parodie, Fürst Rainier und Roger Whittaker entführte er seinerzeit junge Adelsdamen per Privathubschrauber oder versetzte noble Festgesellschaften in Aufruhr mit der unvermittelten Ankündigung, er gebe sich nun die Kugel. Wogegen freilich niemand der Zuschauer je etwas einzuwenden gehabt hätte. Gemeint war jedoch der unter dem Slogan "Adel verpflichtet" brachial auf Premium getrimmte kugelförmige Unterschichtkonfekt aus Haselnusssplittern und Nutellarestbeständen namens "Rocher" aus dem Hause Ferrero. Eben jener Ferrero-Konzern im Übrigen, der auch mit seinen anderen Produktlinien regelmässig demonstriert hat, dass ihm in punkto Werbung ("Wenn der Milch-Jieper kommt...", "Als wären die Cerealien gerade erst in die Milch gefallen", "Der Snack im Handyformat") niemand das Wasser reichen kann. Irgendwann verschwand der Marquis de la Grange ohne Abschied vom Bildschirm und leider nicht aus unseren Köpfen; über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt. Zwischenzeitlich fungierte der echte James Bond-Darsteller Pierce Brosnan als Werbeträger für die internationale Kampagne von Ferrero Rocher. Zwischenzeitlich sah es sogar mal so aus, als hätte Ferrero das hohe Nerv-Potenzial der eigenen Werbung erkannt und mit Beauftragung der Berliner Agentur Aimaq.Rapp.Stolle einigermassen wirksam gegengesteuert.
Im neuen TV-Spot für Ferrero Rocher agiert ein gewisser "Howard" als Wiedergänger des Marquis und bespielt dasselbe pseudofeudale Yellow-Press-Fantasy-Setting. Auf einer dekadenten Sommerparty im Garten eines Stadtpalais wird nämlicher Howard zunächst vermisst, und die Frage "Wo ist Howard?" verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den alarmierten Partygästen. Dann taucht Howard, eine verjüngte Mischung aus Robbie Williams und Kai Pflaume, wie aus dem Nichts auf und wird stürmisch gefeiert. Offensichtlich hat er etwas arrangiert, denn auf seine Ankündigung "It's time for gold" hin regnen Rocher-Kugeln an goldenen Fallschirmen aus dem Nachthimmel. (Man muss sich mal vorstellen, wie das im Script steht: "... regnen Rocher-Kugeln an goldenen Fallschirmen aus dem Nachthimmel"!) Wir wissen nicht genau, was es mit diesem Howard auf sich hat, was er zukünftig noch aushecken und im Schilde führen wird. Wir möchten nur vorsorglich darauf hinweisen, dass die Kampagne, für die die relativ frisch gegründete Hamburger Agentur Kempertrautmann des einstigen Branchenprimus André Kemper verantwortlich zeichnet, bei uns schon jetzt ein ähnliches Gefühl verursacht, wie es seinerzeit nur dem deprimierend bescheuerten Marquis de la Grange gelang.


21.11.2005 | 02:07 | Anderswo | Alles wird schlechter

Nur über meine Leiche


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Der einzige Trend, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erfunden wurde, ist die Ausstellung von Leichen. Vermutlich hat es etwas zu bedeuten, dass dieser Renner erst vor etwa einem Jahr in Amerika Fuss gefasst hat, vielleicht funktioniert Trendwanderung nur mit dem Golfstrom oder es hängt mit der Hühnergrippe und den Importschwierigkeiten für Naturmaterialien zusammen, aber damit muss man sich nicht befassen. Viel aufschlussreicher ist es, die Expansion der Leichenindustrie mitzuverfolgen. Ideen, zumal wenn sie Geld bringen, rufen immer Epigonen hervor; Mozart, Beatles, Nirvana, alle wurden sie noch zu Lebzeiten kopiert, und so ist es nicht verwunderlich, dass jetzt gleich mehrere Leichenshows auf den amerikanischen Markt drängen, so dass man als Kunde wirklich die Wahl hat. Während das (mutmassliche) Original, Body Worlds 2 zur Zeit in Toronto herumsteht, wird heute, wie wir bei Medgadget erfahren, in New York Bodies, the Exhibition eröffnet. In San Francisco wurde offenbar vor wenigen Wochen bereits wieder geschlossen, und zwar "The Universe Within". Zeitgleich warten in Ostasien, dem Mekka der Leichenverarbeitung, Zombie-Armeen mit so kreativen Namen wie "Body Exploration", "Bodies Revealed" oder "Mysteries of the Human Body" auf ihre Marscherlaubnis für amerikanisches Territorium.

Körperwelten-Erfinder von Hagens, selbst nicht gerade wie ein Lebender aussehend, behauptet natürlich, dass nur er den wahren Beatles-Sound, nein, dass nur seine Gebeine richtige Tote sind. Aber wie obiges Bild zeigt, ist das durchaus Geschmackssache; manche mögen blassgelb lieber als dunkelrosa und nicht jeder kommt mit dreiteiligem Geschlechtsteil klar. Wie immer gibt es Neid und Missgunst zwischen Erfinder und Nutzniessern, so beschuldigen sich von Hagens und sein ehemaliger Mitstreiter Sui Hongjin, der mittlerweile seine eigene Nekrophilieshow leitet, statt der glücklichen Leichen von freilaufenden Hühnern Exponate aus Massentierhaltung, ähm, chinesische Sträflinge also zu verwenden. Man muss dies wohl als ganz normale Abnutzungserscheinung der Trenderscheinung Leichenschau bewerten. Wie immer wird es eine Weile dauern, bis ein neuer Geniestreich die Branche erobert, zum Beispiel Tote irgendwie an speziellen Orten vergraben oder so.


11.11.2005 | 16:10 | Berlin | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Kinderkunstkacke


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Einige sehr ärgerliche Trends finden mit besäufniserregender Regelmässigkeit immer wieder ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit zurück. Zu ihren erbärmlichsten Vertretern gehört die kokett vorgetragene Infantilität Erwachsener. Beispiele dafür gibt es wie Sand auf dem Spielplatz: Von der Miniplayback-Show über die Schnullerschwäche einiger Jugendlicher und das Diddldrama bis zur Teletubbietragödie. Ein konstant bleibendes Ärgernis aus dieser Kategorie ist Kinderkunst. Zeichnungen von Kindern sind für genau drei Personen etwas Schönes – für das Kind selbst und die Eltern. Schon Geschwister sollten nicht mehr damit belästigt werden und erst recht nicht Kollegen im Büro oder arglose Passanten, die nichts getan haben ausser zum falschen Zeitpunkt an einem beklebten Fenster vorbeizulaufen.

In der Wrangelstrasse in Berlin Kreuzberg gehen die Teilzeiterwachsenen der "Ist-doch-süüüüss"-Fraktion noch einen Schritt weiter und hängen kommentierte Kinderzeichnungen an alle Strassenbäume. In manchen Ländern ist visueller Terror strafbar. Offenbar jedoch nicht in den USA, wo sich tagtäglich ein von Kinderhand designtes Drama abspielt. Die Website Small Hands Creations bietet entzückt-entrückten Eltern an, Zeichnungen ihrer Kinder einzuschicken. Diese werden dann in Sterling Silber dreidimensional nachgebildet (Foto). Da bleiben eigentlich nur zwei Fragen offen: Wie reagiert das Unternehmen, wenn man keine Kinderzeichnung, sondern etwa eine stilisierte Hamsterschändung einschickt? Und bis wann muss man seine Zeichnung eingeschickt haben, damit sie noch rechtzeitig als Worst-Case-Weihnachtsgeschenk zu verwenden ist? Die eine der Antworten ist "10. Dezember". Die andere Antwort kann gern selbst erfragt werden.


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