Riesenmaschine

21.09.2006 | 17:57 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen anziehen

Schweres Markengeschütz aus China


Biemlfdkk-Shop, Urumqi

Firs Naturalzmzd-Schaufenster, Korla

Fransition-Laden, Korla
"Ein Angriff aus China", so prophezeite letzte Woche der 'Chefstratege der Credit Suisse', Philipp Vorndran, im Spiegel, "ist nur eine Frage der Zeit": Und tatsächlich: Beim Benamsen eigener Modeprodukte und -firmen reiten chinesische Brandingoffiziere ihre nächsten Attacken. So ist das Modelabel BIEMLFDKK – anders als die Hosenmarke OERSNVR – bereits voll googlebar, was den maroden westlichen Abschiedsgesellschaften (Spiegel) einen schweren Schlag versetzen wird. Zudem hat die noblerere Marke, die auf Chinesisch einfach 'bin yin le men gao er fu' heisst, so etwas wie ein Image: Sie steht nämlich, so heisst es hier, für "Golfkultur" sowie das "16. Jahrhundert", und stammt angeblich aus Korea. Ein grosser Fortschritt ist auch die bessere Aussprechbarkeit des Markennamens. Zumindest sein erster Teil dürfte zum Beispiel Mitgliedern der Dachorganisation der Verwertungsgesellschaften für mechanische Vervielfältigungsrechte oder des Brandenburgischen Institut für Existenzgründung und Mittelstandsförderung wie von selbst über die Lippen gehen.

Nur für einen etwas catchyeren, zweiten Markennamenteil hat es immer noch nicht gereicht, so ähnlich wie bei den Hosen- und Pullovermachern des Sublabels FIRS NATURALZMZD. Wohlmöglich waren die fernöstlichen Wissensökonomen (Spiegel) vom tagelangen Branden so erschöpft, dass sie am Ende einfach wahllos zu ein paar von diesen Buchstaben griffen. Oder ist das alles schlicht Branding in FRANSITION? Im Auftrag und Namen des Abendlandes: Wir bleiben dran!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Der Name der Hose*

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


20.09.2006 | 18:55 | Anderswo | Alles wird schlechter

Der Hut


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Sozialpiktogramme sind eine diffizile Sache, oft gehen sie ins Auge, weil deren Gestalter vermutlich weltabgewandte, unsensible Stubenhocker sind. Man erinnert sich an das deutsche Fussgängerschild, ein weisser Mann mit Hut auf blauem Grund hält ein kleines weisses Mädchen mit Minirock an der Hand. Das ging nicht mehr, die Zeit der Aufklärung Anfang der achtziger Jahre letzten Jahrhunderts verbot es. Männer trugen einfach keine Hüte mehr. Erschütternd auch, wie perfid in England alte Menschen dargestellt bzw gedemütigt werden. Mit etwas anderem als gebeugtem Humpeln kann man dort Greise wohl nicht assoziieren. Aber das beste und gleichzeitig unheimlichste Beispiel sozialer Interaktion ziert manche U-Bahnhöfe in Tokio. Märchenhaft, wie der traumatische Verlust des Hutes und die Bergung desselben durch eine lange Zange scherenschnittartig dargestellt werden. Leider sind die Tage des Schildes gezählt, man findet es kaum noch. In wieviel japanischen Alpträumen mag die grosse lange Zange eine Rolle gespielt haben?

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


20.09.2006 | 01:24 | Anderswo | Was fehlt

Apnoecatchen


Foto: jackol
Was ist das: Ein Spielfeld, etwas kürzer, etwas breiter als beim Indiaca, zwei Mannschaften, je sieben Spieler, kein Ball, keine Schläger, überhaupt keine Geräte, und die Angreifer müssen die Luft anhalten?

Leser aus dem Süden Asiens schreien jetzt atemlos: "Kabaddi, Kabaddi, Kabaddi" und haben damit natürlich recht. Nur hier, am anderen Ende Indogermaniens, kennt diese Sportart mal wieder keiner. Nach Cricket und Hockey ist Kabaddi auf dem Subkontinent und rund darum herum eine der beliebtesten Sportarten. Es ist eine Kombination aus, wie man in Süddeutschland sagt, Kettenfange und Ringkampf. Ein Team verteidigt, bildet eine Kette, während ein Angreifer des gegnerischen Teams in die feindliche Spielhälfte einfällt, wo er versuchen muss, die Kette zu zerreissen. Und: Für die Dauer seines Einfalls ins Feindesland muss er die Luft anhalten.

Wie? Die Luft anhalten? Ist da nicht Betrug Tür und Tor geöffnet? – Eben nicht. Zum Beweis, dass die Luft tatsächlich angehalten wird, muss der angreifende Spieler ohne Pause plosiv die Laute "Kabaddi, Kabaddi" chanten, entweder bis er erstickt, erlegt wird, einen Rückzieher macht, oder es ihm gelingt, die Kette der Feinde zu zerschlagen. (Regeln, Fotos und Videos hier)

Nicht nur aber ist das Kabaddifeld ähnlich gross wie das beim Indiaca. Beide Sportarten, obwohl von ungewissem älteren Alter, traten 1936 ins Rampenlicht. 1936 entdeckt der Sportlehrer Karlhans Krohn an der Copacabana das Indiacaspiel und importiert es mit einigem Erfolg nach Deutschland. Im selben Jahr wird auch Kabaddi salonfähig – als Demonstrationswettbewerb bei den Olympischen Spielen in Berlin. (Bei der Naziolympiade traten übrigens auch die Nationalhymnen im Wettstreit gegeneinander an. And the winner was: Die chinesische Hymne San Min Chu-i, in der es, Koinzidenz, Koinzidenz, heisst: "Oh ihr Kämpfer, seid für das Volk die Vorhut" – ein nur zu passendes Motto fürs Kabaddi, das Vorhutspiel per se.)

Leider scheint nicht überliefert, was der Führer zum Kabaddi sagte, aber es wird, Arier hin oder her, wohl wenig schmeichelhaft gewesen sein, was bedauerlich ist, aber nicht überraschend, denn mit angehaltenem Atem wäre der ganze schöne Krieg natürlich Essig gewesen.

Martin Bartholmy | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


19.09.2006 | 03:30 | Anderswo | Fakten und Figuren

Rede wie Männer ohne Moral (Piraten)


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Sicherlich wollte jeder schon mal Pirat werden, entweder bereits als Kind oder spätestens seit Monkey Island. Heute kann man zumindest so tun als ob, denn es ist mal wieder Talk Like a Pirate Day. Erfunden wurde der Tag von Cap'n Slappy, Ol' Chumbucket und Mad Sally (s. Bild) vor 11 Jahren beim Racquetball, wobei als Datum zur besseren Merkbarkeit der Geburtstag von Slappys Ex-Frau gewählt wurde.

Nun haben es die Angelsachsen natürlich einfach, sie verfügen über eine reiche Pirateriegeschichte und -literatur und wissen genau, wie man die fünf A richtig verwendet und ob man "Arrrr" vor, hinter oder vor und hinter einer adverbialen Bestimmung des Ortes verwenden sollte. Im deutschsprachigen Raum, wo die letzten Freibeuter vor vielen Jahrhunderten hingerichtet wurden, ist das hingegen nicht so einfach. Deshalb müssen wir trotz löblicher Ansätze weiter auf die Einführung des "Learn to Talk Like a Pirate Day" (der 18. September böte sich an) warten. Oder uns damit begnügen, den ganzen Tag Kapernbrötchen zu essen und dabei finster zu gucken.


18.09.2006 | 02:26 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter

Versteh einer Bahnhof


Bunt verliert (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Zuerst die superschlechte Nachricht: Der Fotomat ist weg. Sie haben den äonenalten Schwarzweiss-
Fotoautomaten vom Zürcher Hauptbahnhof entfernt, der auf kontrastreichem Barytpapier aus Zeiten Andy Warhols für unfassbare zwei Franken die besten Fotos der Welt machte. Seinen Platz hat eine computertechnisch aufgebrezelte Plastikmaschine eingenommen, die für zwei Franken allenfalls noch drei "Spassbilder" als flaue Digiprints in absurdem Hochkantformat ausdruckt, dafür aber mit der keck-aufgeweckten Quengelstimme eines Navisystems nervt.

Als kleinen Trost und Beschwichtigung für den solchermassen in Rage getriebenen und echauffierten Zürich-Reisenden haben sie im Bahnhof selbst nun ein 3,3 Tonnen schweres und weltweit erstes dreidimensionales und bivalentes (was immer das heissen mag) Farbdisplay namens Nova angeschraubt. Die 25.000 Lichtkugeln, in herabhängenden Schnüren ähnlich wie anal beads angeordnet, können in mehr als 16 Millionen Farben aufleuchten und brauchen mehrere starke Ventilatoren zur Kühlung und ein eigenes Wasserkraftwerk für den Strombedarf. Theoretisch können damit sogar Filme dreidimensional wiedergegeben werden. Praktisch kackt das Ding ziemlich ab gegen die obszön und monströs hässliche Nana von Niki de Saint Phalle, die am anderen Hallenende baumelt. Und vom praktischen Nutzwert her kann Nova es eh nicht mit dem schmucklosen, aber funktionalen Fotomaten aufnehmen, der mehr als 16 Millionen Farben darstellen konnte, solange sie entweder Schwarz oder Weiss waren.


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