Riesenmaschine

22.03.2008 | 22:48 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Zukunft waagen


Das UC-Smartvision bei einer seiner Standardaufgaben (Erkennen und Wiegen einer Hochseeyacht). (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Während uns die Deowerbung düstere Zukunftsvisionen präsentiert, in denen hypermoderne Überwachungsdroiden unseren Achselschweiss kontrollieren, hat die wahre, wunderbare Welt von morgen im Real-Markt um die Ecke bereits begonnen. Ausgerechnet die immer leicht angegammelt wirkenden Grossfilialen des Metro-Konzerns sind ein Sammelplatz zukunftsweisender Technologien: Während anderswo beispielsweise Selbstbedienungswaagen aus dem Landschaftsbild der Obstabteilungen vollkommen verschwunden sind, weil kein Filialleiter seinen eigenen Kunden mehr über den Weg traut, setzt Real schon seit 2006 auf eine Mischung aus Eigenverantwortung und radikaler technischer Überwachung. Dort muss sich niemand mehr Obstnummern merken oder Gemüsesorten anhand von schlecht gezeichneten Bildchen zuordnen. Bei einer Firma mit dem wohlklingenden Namen Mettler Toledo, natürlich ansässig in der Schweiz, dem Übermorgenland der Wiegetechnik, hat man sich nämlich gedacht: "Was bei Terroristen gut und richtig ist, kann bei Obst doch auch nicht verkehrt sein!" Man entwickelte das hochinnovative Wiegesystem UC-Smartvision (pdf): Eine in die Waage integrierte Digitalkamera überprüft mit Hilfe einer Bilderkennungssoftware von IBM Form, Farbe, Oberflächenstruktur und Grösse der Frucht und druckt automatisch das richtige Etikett aus.

Angesichts der grossartigen marktstrategischen Vorteile, die man sich als Verkaufsargumente ausgedacht hat ("Innovative Einkaufsumgebung für den Kunden", "Verluste durch Falschbuchungen werden zuverlässig verhindert"), ist es kein Wunder, dass immer mehr Real-Obstabteilungen derart aufgerüstet werden. Wurde das System allerdings gerade erst neu installiert (wie z.B. im Real Köln-Sülz) und noch nicht korrekt "eingelernt", wie es im Obstwaagensoftware-Fachjargon heisst, liegt die Trefferquote recht niedrig: Wenn man einen Apfel auf die UC-Smartvision legt, erscheinen die Vorschläge "Fenchel", "Birnen", "Weisskohl" und "Porree", bloss eben kein "Apfel". Aber was heisst das schon? Osama bin Laden läuft ja auch noch frei herum und trotzdem gibt es biometrische Reisepässe. Sobald die UC-Smartvision sich überall durchgesetzt hat und weiss, wie man Apfel und Porree auseinanderhält, können sich Mettler Toledo und Real dann gleich an das letzte technische Relikt aus grauer-grauenhafter Obstabteilungsvorzeit machen. Dringend nötig wäre ein intelligentes System zum Abrollen und Abreissen von Plastiktüten, bei dem nicht jeder Versuch, an eine Tüte zu kommen, damit endet, dass man den Ständer umreisst. Irgendeine IBM-Software kann man dann ja auch noch einbauen.


21.03.2008 | 13:53 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Zürich-Spezial II: hässlichstes Gemüse der Welt


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Nackt sieht es auch nicht besser aus. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Es sieht aus wie eine Mischung aus Spargel und Romanescu bzw. Rhododendron, erinnert von fern aber auch an Baumpilze oder ein Ungeheuer aus der Tiefsee. Gesichtet wurde das hässlichste Gemüse der Welt das erste Mal bei einem türkischen Gemüsehändler im Kreis 4. Laut Verkäufer ist es geniessbar in Form von "Salat oder Suppe", sicher ist er sich da aber auch nicht. Nach Entfernen des äusseren Gebüschs kommen fetzenartige Tentakel zum Vorschein, die im Rohzustand bitter schmecken. Innen sind sie hohl und laufen in der Pfanne braun an, schmecken danach aber milde mit einer Note von muffigem Rhabarber. Um damit auch nur ansatzweise Chancen auf den immer noch vakanten Posten des neuen Rucolas zu haben, bräuchte das haarsträubende Naturereignis zumindest einmal einen Namen, den uns jedoch auch der Verkäufer nicht nennen konnte oder wollte. Wir werden es bis auf weiteres "Quasimolo" nennen und wünschen ihm viel Glück bei seinem weiteren Werdegang.

Reiseinformation: Anreise mit Tram 2 oder 3 bis Haltestelle Lochergut (direkt gegenüber: die Stadtstalaktiten), Mo.-Sa. 8.30 – 20.00 Uhr, Sfr. 3,- (ca. 2,- Euro)

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Zürich-Spezial I: Stadtstalagmiten


18.03.2008 | 13:59 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Runde Dinger


Unique and beautiful (Foto: joeshlabotnik) (Lizenz)
Für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben: Die Krümmung der Banane lässt sich durch die Fruchtstände und das Wachsen der Früchte zur Sonne hin leicht erklären. Seit letzten Freitag sind wir aber noch schlauer und wissen auch, warum die Tomate rund ist. Eine Bande von Forschern aus Ohio berichtet, dass sie ein Rider-Retrotransposon erwischt haben, das das so genannte SUN-Gen einfach noch einmal in das Tomatengenom kopiert hatte; die betroffenen Tomaten wurden zu länglichen Früchten, kamen vom runden Pfad der Tugend ab und landeten alsbald in Gewächshäusern der alten Welt.

Erstaunlich, wie weit die Inhaltsindustrie die Propaganda vom geistigen Eigentum getrieben hat: Jetzt wird man schon beim Essen von Tomaten daran erinnert, dass Kopieren sich nicht auszahlen soll. Als williges Helferlei derselben erhob das Wissenschaftsmagazin Science die Studie auf ihre Titelseite. Die Geschichte vom ungezügelter Weitergabe von Informationen unter Bakterien in derselben Ausgabe hingegen wird jedoch nur unter ferner liefen geführt. Dabei hätte man die Visualisierung von horizontalem Gentransfer bei Bakterien mit nur wenig journalistischer Fantasie locker als Bakterienpornographie vermarkten können und sicher weitaus mehr Leser am Bahnhofskiosk gezogen. Die wunderbaren Geschichten und Filme von F-Pili und all den anderen schmutzigen Genübergabevorrichtungen sind jedoch nur hinter den Paywalls des Magazins zu bestaunen. Aber so ist das halt mit der interessanten Pornographie im Internet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Die verkrepelten Pfirsiche von Askaban

Roland Krause | Dauerhafter Link


04.03.2008 | 08:19 | Anderswo | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Farbe: egal


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Klosteine, Windelkontrastflüssigkeiten, Kaninchenpisse, und jetzt auch noch Bier, blaues Bier. Natürlich aus dem farbenfrohen Japan, dem Land der grünen Gurkencola. Sie behaupten, die Farbe rühre von Eisschollen, aber wer soll das glauben? Deshalb haben sie noch ein paar Algen reingeworfen, in ihr Gebräu. Farbwechsel: Aus der Not eines riesigen Milchsees zwackt man bekanntlich seit einem Jahr Bilk, das bizarre Milchbier ab (warum zum Bier statt Salzmandeln nicht auch mal einen Keks reichen?). Nicht, dass die Japaner jetzt auch noch anfangen, Bier mit Zigaretten zu mischen – das haben wir schon gemacht. Saufen und rauchen in einem. Anzunehmen ist, dass Scherzkekse dieses Bier bereits statt im gewohnten Willibecher im Aschenbecher verlangt haben. Das kann man sich also auch sparen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Milch und Bier rat ich dir

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


03.03.2008 | 15:02 | Supertiere | Essen und Essenzielles

Fortschrittsmerkmal Zierstreifen


Zierstreifenvorbild Schwalbenschwanz
(Foto: 28481088@N00) (Lizenz)
"Wissenschaftler finden Gen, damit man nicht mehr wie Scheisse aussieht!" wäre eine prima Überschrift in einer noch zu gründende Boulevardwissenschaftsgazette. Für die Zielgruppe (junge, zahlungswillige Männer aus dem breiten Ende der Gehaltspyramide) wäre die Erkenntnis um die Transformationen des japanischen Schwalbenschwanz' hochrelevant: Den Übergang vom 4. Raupenstadiums des Schmetterlings, in dem er sich als Vogelkot tarnt, und der nachfolgenden Form mit Zierstreifen in Modefarben des Sommers wird von nur einem Hormon gesteuert . Einige ernüchternde Nachrichten könnte man für diese Zeitschrift ja weglassen: Nach ersten Überprüfungen besitzt der Mensch das Gen, das für das Protein kodiert, wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich würde uns das ohnehin nicht auffallen, weil sich Menschen wie Schmetterlinge nach Erreichen der Adoleszenz ja nicht beschissen, sondern abschreckend kleiden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Fiese Biester


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