Riesenmaschine

13.03.2006 | 12:09 | Was fehlt | Fakten und Figuren | Sachen kaufen

Vom Pyrrhussieg der Erbsenzähler


Weniger Pimp geht nicht. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Warum sind deutsche Werbespots eigentlich so oft so schlecht? Diese häufig gestellte Frage wurde früher von Marktforschern beantwortet: "Die Konsumenten wollen es so, sehen Sie hier bitte die Exceltabellen 29 bis 137, dieser in der Fussgängerzone von Plön gedrehte Waschmaschinenspot ist der wirksamste seit Jahren". Traurig gingen dann die Kreativen zurück in die Agenturen, schrieben schlechte Spots und koksten die Bedenken fort.

So war es, bis das Internet kam und schnell genug war, dass Filmchen online angesehen werden konnten. Die Marktzähler und Erbsenforscher freuten sich zunächst, dass man im Internet ganz genau zählen konnte, wie oft welcher Spot angesehen wurde und sie dachten, sie würden die Welt beherrschen. Dann aber mussten sie feststellen, dass ihre wirksamsten Spots von grob geschätzt vier Menschen online angesehen wurden. Andere unterhaltsame Spots hingegen, wie die bekannte Reihe "Unpimp your auto" von Volkswagen wurden innerhalb von ein paar Tagen eine Million Mal angesehen. Und anders als beim Fernsehen waren das nicht ungefähre, abgeschätzte, hochgerechnete Zahlen, sondern echte Menschen, die dazu noch genau den Spot betrachten wollten. Weil er interessant war. Da weinten die Erbsenzähler bitterlich, denn sie befürchteten, dass von nun an nur noch interessante, unterhaltsame Werbespots produziert würden und auch die Fernsehsender weinten bitterlich, weil sie ihre Felle davonsurfen sahen.

Doch zum Glück kam alles anders, denn rechtzeitig fand man heraus, dass da draussen eine grosse, schweigende, verhältnismässig dämliche Mehrheit ist, die sich von schlechter Fernsehwerbung noch immer und auch für immer beeinflussen lassen wird. Und so starb weder die schlechte Werbung noch das Fernsehen. Sondern nur der intelligente Zuschauer.


10.03.2006 | 18:11 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Durst? Grünwein!


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Mit klassischen Farbtönen wie Braun, Schwarz und Weiss liessen sich auf dem Getränkemarkt seit der Einführung von Milch, Tee, Kaffee und Cola keine grossen Erfolge mehr erzielen, ein gut verkäufliches graues Getränk ist uns bisher nicht bekannt, und die Farblosigkeit ist ein zweischneidiges Schwert. Dem kalten, klaren Wasser hat sie absatztechnisch nicht geschadet, während sich das äusserlich ununterscheidbare Crystal Pepsi als massive commercial failure erwies. Blau steht auf dem Getränkesektor für Unglück und Misserfolg, wie man schon nach dem Scheitern von Pepsi Blue (Markteinführung 2002, Marktausführung 2004) hätte wissen können, ohne 2004 die dann auch ziemlich schnell wieder aus dem Sortiment genommene Fanta Berry Blue einzuführen.

Mit Rot und Gelb kann man zwar nicht viel falsch machen; als zukunftssicherste Farbe auf dem Getränkesektor darf derzeit aber Grün gelten. Das kommt auch für die Hersteller überraschend: "Green Energy is our most popular smoothie (a surprise given it's green)", wundern sich die Erfinder eines kanadischen mit Spirulina-Algen, Weizen- und Roggengras grün gefärbten, zähflüssigen Getränks (siehe Abbildung) und empfehlen: "Just close your eyes". Auch Berliner Bars sind in letzter Zeit vermehrt mit einer Weizengraspresse versehen, mit der sich aus einem einfachen Apfelsaft ein Getränk von absinthgleicher Grünheit herstellen lässt. Im Unterschied zur Berliner Weisse wird die grüne Farbe in allen genannten Fällen nicht von Chinolingelb und Patentblau V erzeugt, sondern vom aus Zahnpasta, Funk und Fernsehen beliebten Chlorophyll. Einziger Nachteil: die chlorophyllinduzierte Grünheit hält nicht ewig, all die schönen grünen Getränke müssen deshalb entweder mit sehr viel Alkohol versetzt oder möglichst schnell hinuntergeschüttet werden, oder beides. Was zum Glück nicht schwer fällt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Single Cola, Single Cask


07.03.2006 | 19:18 | Anderswo | Fakten und Figuren

Ineffizienzkompetenz


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Welchen Sinn hat es, Ingenieuren an der Universität beizubringen, wie man ein Problem möglichst einfach, effizient und benutzerfreundlich löst, wenn sie später ihren Lebensunterhalt mit der Entwicklung von, sagen wir, Motorola-Handys verdienen müssen? Aus dieser vernünftigen Einsicht heraus hält die Purdue University schon seit vielen Jahren den Rube Goldberg Contest ab, bei dem es darum geht, ein Problem in möglichst vielen komplizierten, umständlichen und ineffizienten Schritten zu lösen. Dasselbe Team, dem es im letzten Jahr gelang, in immerhin 125 Schritten die Batterien einer Taschenlampe zu wechseln, gewann dieses Jahr mit der Vernichtung von fünf Blatt Papier in 215 Arbeitsschritten. Thema ihrer Arbeit: "The Rube Machine Ate My Homework". Am 1. April geht es auf nationaler Ebene weiter. (Quelle: MAKE-Blog)


05.03.2006 | 15:18 | Anderswo | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Pekingente besiegt Blixa Bargeld


Historisches Cover zum Ausschneiden und Sammeln
Dauernd wird in China Geschichte gemacht. Vor ein paar Wochen wurde ein Zaun errichtet – gestern erschien der erste chinesische Rolling Stone. Damit gibt das amerikanische Mutterblatt dem "Festland" – wie die Volksrepublik hier nur genannt wird – den Vorzug vor Hongkong und Taiwan, wo nur eventuell und erst zu einem späteren Zeitpunkt Lizenzausgaben erscheinen sollen. Leider enthält auch die – allerdings schön aufgemachte – chinesische Ausgabe kaum mehr als üblichen Rockkrempel. Die Coverstory ist Cui Jian gewidmet. Der ist so etwas wie der hiesige Udo Lindenberg (mit dem der Chinese auch schon auftrat), nur trägt er statt Hut eine Basecap. Er gilt als rau und ehrlich und muss seit Jahren herhalten, wenn ein westlicher Korrespondent beweisen will, dass es auch in China eine lebendige Rockszene gibt. Tatsächlich aber war seine letzte CD nicht mehr als ein Stück Ethnorockschrott aus dem Leichenschauhaus. Nicht weniger schlimm ist eine elfseitige, reichhaltig bebilderte Strecke über die übelste Band der Welt, deren Namen sie auf dem Cover selber nachlesen mögen, weil wir ihn hier garantiert nicht hinschreiben.

Auch ein Deutscher hat es in die historische Ausgabe geschafft: Blixa Bargeld, seit letztem September Neu-Pekinger. Im Interview erzählt er, wie er von chinesischen Fans vorm hiesigen Ikea erkannt und begrüsst wurde. Seinerseits habe er dann wenig später auch jemanden erkannt, und zwar in einem Taxi Brian Eno. Nur hätte er, Blixa, ihn leider nicht begrüssen können, weil er selbst in einem Taxi sass usw... So spielt das Pekinger Leben. Im Weiteren erklärt der Schwarzträger den Chinesen: "Ich ziehe Schwarz nicht an, weil ich gothic bin. Ich habe Gothic erfunden. Und viele andere Kunstformen seit den Achtzigern auch", dass er vor dreissig Jahren Vegetarier wurde, weil er nicht dasselbe essen wollte wie sein Vater ("Das war eine Rebellion"), sowie: "Ich glaube immer noch an den dialektischen Materialismus. Und ich glaube immer noch an Marx."

Wir können hier nicht sagen, ob Blixa Bargeld auch aus dialektischen Gründen mit dem Fleischverzehr wieder begann, kaum hatte er Pekinger Boden betreten. Eine leckere Pekingente war sein erstes Fleischgericht nach drei Dekaden. Zumindest teilen wir sein "Gefühl: Peking wird das Kulturzentrum der Welt." Nur wird das noch eine welthistorische Sekunde dauern. Das sagt uns auch die erste Ausgabe des chinesischen Rolling Stone.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: The Writing on the Wall (is the wall)

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


04.03.2006 | 17:20 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

iPod jetzt auch in nützlich


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Der iPod ist ein hübsches Gerät, doch leider völlig uninteressant, wenn man sich nicht für Musik oder das gesprochene Wort interessiert. Lange kam der iPod-Kauf daher für weite Teile der Bevölkerung nicht in Frage. Jetzt ist mit Hilfe von Robert Bamlers kostenloser Wikipedia auf dem iPod endlich ein sinnvoller Einsatzzweck für das sympathische Plastikding gefunden: Unnütze Fakten müssen für den mobilen Einsatz nicht mehr auswendig gelernt werden, der Kopf ist frei für neue Ideen und Themen wie "Irland grösser als Island? Deine Mutter!" dominieren nicht länger das Kneipengespräch. Der Abschied vom Faktenwissen, der sich schon seit einiger Zeit ankündigt, ist damit endgültig vollzogen; das Abitur nach vier Jahren rückt in greifbare Nähe.


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