Riesenmaschine

10.10.2008 | 09:14 | Berlin | Nachtleuchtendes

Pelzgraffiti


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Angesichts der Kunsthandwerkisierung der Street Art und der Verschmelzung mit der Crafting-Bewegung (um mit Knitfiti nur ein Beispiel zu nennen) war das Auftauchen von Pelz-Graffiti nur eine Frage der Zeit. Wir geraten dementsprechend wenig aus dem Häuschen darüber, vermelden statt dessen emotionslos, ohne Ira und Studio und ausschliesslich, um unserer Chronistenpflicht genüge zu tun, die Sichtung ergiebiger Vorkommen dieser neuen Spielart mit – was sonst? – flauschigen Tiermotiven in der – wo sonst? – Auguststrasse in Berlin. Wir werden nicht wider die verwahrloste Verweichlichung der Strasse wettern. Auch den naheliegenden Vergleich mit Katzencontent im Internet verkneifen wir uns vorbildlich. Dafür bleibt uns Makrameeeulengraffiti dann aber erspart. Abgemacht?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Konservative Wände


07.10.2008 | 12:33 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Saturnbau jetzt noch schneller


Saturn in modernen Farben. Credit: NASA/JPL/University of Arizona
Es mag überraschend klingen, aber wir wissen noch nicht richtig, wie Rätselplanet Saturn entstanden ist, obwohl die meisten von uns zumindest 100%ig davon überzeugt sind, dass er existiert. Die Grundidee stammt überraschenderweise aus dem 18. Jahrhundert von Leuten wie Laplace und Kant, die meinten, dass Planeten aus einem scheibenförmigen "Nebel" entstehen, der die Sonne umgab, als sie noch jung war. Das grobe Szenario muss man sich so vorstellen wie das Zusammenklumpen von Staubmäusen unter dem Bett, nur ganz anders: Winzige Staubteilchen stossen zusammen, wachsen zu grösseren Klumpen, die dann durch Kollisionen mit anderen Klumpen und durch Zusammensammeln von Gasteilchen immer mehr zu dem werden, was man Planeten nennen könnte. So weit, so gut.

Das Problem dieses hervorragenden Szenarios: Es funktioniert zwar, braucht aber zu lange, um so etwas wie Saturn hinzukriegen. Junge Sterne sind in der Tat von Scheiben aus Staub und Gas umgeben, den Resten der Wolken, aus denen der Stern mal entstand; diese Scheiben leben allerdings nur maximal so 5 Millionen Jahre, was sehr lange klingt, aber Planetenentstehung dauert länger, jedenfalls im Modell. Jetzt, beziehungsweise letzten Freitag, erfährt man von einer neuen Arbeit, die es mit relativ geringen Anforderungen an das Baumaterial in der Scheibe schafft, Saturn in nur dreieinhalb Millionen Jahren zusammenzubauen. Das ist schnell genug. Die Existenz Saturns damit gerechtfertigt, sein dämlich-ewiges Herumkreisen um die Sonne akzeptiert. Als nächstes müssen wir uns um Uranus kümmern.


24.09.2008 | 12:05 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Waiting is a way of life


Bild: Martin Baaske
Sind wir alleine im Weltall? Anders gefragt, ist das Leben nicht entsetzlich anstrengend, so im Allgemeinen? Fragen, die man mit wissenschaftlicher Systematik angehen sollte, behauptet jedenfalls das WETI-Institut, eine Einrichtung von mehreren Riesenmaschineautoren und anderen Kapazitäten zur Erforschung von Leben im Universum. Der Ansatz ist weltweit einzigartig: Im Unterschied zu Gruppierungen wie dem amerikanischen SETI-Institut, das nach draussen geht und nach ausserirdischen Intelligenzen sucht, verzichtet WETI auf jeden Aktionismus und wartet darauf, von den Ausserirdischen gefunden zu werden. Das WETI-Institut gibt es zwar schon seit vielen, vielen Jahren, aber in der aktuellen Lage von globaler finanzieller Unsicherheit und Bestürzung erlebt es einen ungeahnten Boom. Nicht zuletzt ist WETI eine inhärent kostensparende und von den Aktienmärkten vollständig unabhängige Methode. Sie funktioniert sogar, wenn man gar keinen Computer hat. Man verwendet dann einfach ein Buch.


23.09.2008 | 05:22 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Rauchende Japaner

Wie Riesenmaschinekorrespondent Christian Y. Schmidt kürzlich hier erzählte, werden die Raucher in Hongkong hart an die Kandare genommen. In Japan ist es ähnlich. Einerseits kann man zwar nach wie vor in Bars und Restaurants kräftig qualmen. Ein Verbot wäre auch widersinnig, weil die beliebten Yakitorilokale sowieso schon dermassen russig und verraucht sind, dass es so aussieht, als rauchten die Raucher gegen den Rauch an. Vielleicht ist ihnen das so peinlich, dass man jetzt zum Ausgleich auf den Strassen ein generelles Rauchverbot erlassen hat. Verbotsschilder stehen an allen Ecken. Aus dem Automaten kann man Zigaretten nur noch mit einem Taspo ziehen, einem Raucherpass. Manche haben sogar einen Erwachsenen-Erkennungsknopf, der muss gedrückt werden, dann fotografiert der Automat den Kunden und schätzt sein Alter anhand der Falten und Tränensäcke. Ist der Kunde klar über 20, gibt der Automat die Zigaretten heraus. Im Zweifelsfall verlangt er einen Ausweis, den die Kamera auch lesen kann. Und weil die Japaner so gerne und so emsig tüfteln, haben sie jetzt einen neuen Trend erfunden. Nachdem alles immer leichter geworden ist, Joghurt wie Zigaretten, und nicht noch leichter werden kann bzw. in Kanada sogar verboten wird, hat nun der japanische Marlboroableger eine extrastarke Mentholzigarette auf den Markt geworfen. Es wird beworben mit einem grossen schwarzen Pferd, vielleicht eine versteckte Botschaft auf die Schädlichkeit des inhalierten Teers? Schliesslich sind ja schwarze Pferde so ziemlich das Schädlichste, was man rauchen kann.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: No smoking in hell


02.09.2008 | 16:11 | Nachtleuchtendes | Papierrascheln | Effekte und Syndrome

Und man sieht nur die im Dunkeln werben


Im Licht sieht man sie dagegen fast nicht. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Verständlicherweise richten sich die Begehrlichkeiten von Werbetreibenden, die das mediale Rauschen durchdringen wollen, verstärkt auf solche Sonderwerbeformen und -flächen, die bislang für marktschreierische Botschaften nicht zur Verfügung standen und ergo allein wegen des Neuigkeitswerts schon Aufmerksamkeit erzielen. Dazu zählt auch das Magazin-Cover, quasi die gute Stube eines jeden Heftes. Blattmacher sehen sich hier einem Trade-off, genauer gesagt: einem Zeitinkonsistenz-Problem gegenüber. Kurzfristig können sie sich den Tabubruch teuer bezahlen lassen und ihre Einnahmensituation maximieren. Mittelfristig brechen die Kioskverkäufe ein, weil niemand ein Heft mit Werbung auf dem Cover kaufen will, und ihre Aufmerksamkeitswährung rauscht in den Keller. Eine elegante Lösung für dieses Problem hat man beim deutschen Vice gefunden. Das Cover der aktuellen Ausgabe zieren zwei unverdächtige – wenngleich etwas uninspiriert wirkende – Eisbecher. Erst im Dunkeln erkennt man die Werbung für das neue Sony-Vaio-Notebook, die mit nachtleuchtender Fluoreszenzfarbe darüber gedruckt ist, dafür aber die Eisbecher nicht mehr. Die beiden semantischen Sphären überlagern sich, ohne sich dabei ins Gehege zu kommen! Dahinter schlummert auf den ersten Blick eine weiter reichende Kompromissformel, um nicht zu sagen: die Chance, des ästhetischen Problems der Werbung generell Herr zu werden.

Bei Tag könnte die Welt so werbefrei sein wie São Paulo; unbehelligt von lästigen Botschaften schritte man durchs Paradies der reinen Sachlichkeit. Das gesamte Werbeaufkommen wäre in die Nachtschiene verbannt: Leuchtreklame würde nachts die Städte bunt machen, Fernsehspots liefen ausschliesslich nach Mitternacht, wenn eh kein vernünftiger Mensch mehr fernsieht, Pop-up-Fenster und Banner würden nur sichtbar werden, nachdem der Screensaver anspringt. Kurz: Wir könnten den Werbekuchen verschmähen und ihn gleichzeitig haben.

Bei näherer Betrachtung hat die Sache jedoch einen Haken. In dem Moment, wo Werbung wie die Geister der Untoten unterm Bett hervorglimmt, sich alsbald per Neuronenschnittstelle in unsere Träume einblendet und alles in allem unsere Nächte hässlicher macht als unsere Tage, ist doch wieder mehr verloren als gewonnen.


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