Riesenmaschine

09.09.2006 | 06:48 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln

Buchhalterlampenständervorstellartikel


Endlich die Hände frei im Bett zum, äh, über dem Bauch falten. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wer hatte nicht schon dieses Problem: man liegt im Bett und will gemütlich im Telefonbuch seiner Lieblingsgrossstadt schmökern, da schläft einem in rascher Folge erst der Arm und dann der Kopf ein. Am anderen Morgen wacht man tot auf, weil einen der Papierberg erstickt hat. Das ist ärgerlich, und muss nicht sein, denkt sich der Weltverbesserer, und überlegt sich eine Lösung, zwei, drei. Alles noch nicht praktisch genug, sagte aber der Japaner, und entwickelte pfiffig ein Ding, an dem man sich ein dickes Buch übers Bett hängen und gleich noch geschmackvoll beleuchten kann. Zwar ist ein bisschen enttäuschend, dass kein kleiner Godzillaarm eingebaut ist, der automatisch umblättert und als Lesezeichen dient, aber andererseits schläft man ja vermutlich vor dem Fertiglesen der Telefonbuchseite sowieso ein.


07.09.2006 | 14:21 | Anderswo | Papierrascheln

Volk ohne Hohlraum


Etwas war anders (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Dass die Menschen eine Seele haben, ist eine schwer zu widerlegende Behauptung, und obwohl niemand weiss, wie sie aussehen könnte, dient der Begriff auch zur Bezeichnung einer Besonderheit an manchen Korkenziehern und Stahlseilen. Hier ist die Seele ein zentraler Hohlraum, der das Ziehen des Korkens vereinfacht – Korkenzieher mit Seele sind zuverlässiger –, bei Stahlseilen ist sie ein inneres Seil, um das das eigentliche Seil gewickelt wird, womit man näherungsweise Biegeschlaffheit erreicht, durch die sich das Seil nach der Balkentheorie überhaupt erst vom näherungsweise biegesteifen Balken unterscheidet. Die Seele scheint also ein Hohlraum sein zu können, sofern sie sich in einem anderen Körper befindet, aber auch eine Füllung in einem ihr wesensgleichen Gefüllten. Hohlräume ohne umschliessenden Körper sind häufiger als Körper ohne umschliessenden Hohlraum, es wird also mehr Hohlseelen als Vollseelen geben. Jedenfalls ist die Seele immer von etwas Seelenlosem umgeben, dessen Seele sie ist, eine Seele kann also keine Seele haben.

Klopapier, wie wir es kennen, ist ebenfalls innen hohl, könnte also theoretisch beseelt sein. Im erdgeschichtlichen Massstab ist es ein ähnlich junges Phänomen wie das Internet. Vor seiner Einführung im 19. Jahrhundert (wie bei der Mauer waren die Chinesen natürlich schneller) wurde alles Mögliche benutzt, bis man auf den naheliegenden Gedanken mit dem Papier kam. Die Griechen reinigten sich mit Steinen und Tonscherben, die Germanen mit Stroh und Laub, das Mittelalter kannte Moos, Schafwolle, Sand, Maisstroh, die linke Hand, Rabelais diskutiert die Vorzüge lebender Gänse als Arschwisch. Ist Papier das Ende der Entwicklung? Die Zahl der Lagen stagniert bei 4 bis 5. Nach dem Ende des kalten Krieges brauchen meine Verwandten aus Itzehoe zwar kein Klopapier mehr, um die Grenze zu passieren und in den Osten zu reisen, einerseits hat sich der Westen also durchgesetzt, aber andererseits muss er nicht mehr weicher werden, um den Osten auszustechen, was schade ist.

Aber jeder Osten hat seinen Osten, und in Odessa fand ich nun ein nichtkanonisches, hohlraumloses Klopapier, das mich irritiert hat, weil es auf einfache Art alte Denkgewohnheiten zerstörte. Es stellte sich z.B. sofort die Frage, ob zuerst unser Klopapier da war, oder unsere Klopapierhalterung. Aber die viel zermürbendere Frage war, ob dieses Klopapier, weil es innen nicht hohl ist, keine Hohlseele hat, oder ob es selbst die aus unserem Klopapier herausgestanzte Vollseele ist, die nun, getrennt von ihrem Körper, in Osteuropa Dienst tun muss.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Volk ohne Zwischenraum


06.09.2006 | 18:28 | Anderswo | Papierrascheln

Yale Shmale


Stadtleben in Thunder Bay
(Foto: loimere)
Thunder Bay ist eine mittelgrosse Hafenstadt am Nordende des Oberen Sees, bekannt vor allem für riesige Getreidesilos. Ausserdem ist es der Ort, an dem Terry Fox, kanadischer beinamputierter Volksheld, seinen "Marathon of Hope" nach 5373 km aufgab. Was viele nicht wissen: In Thunder Bay befindet sich auch ein Campus der Lakehead University, die auch fast niemand kennt. Damit sich das ändert, hängen seit ein paar Wochen einigermassen ästhetische Werbeplakate und eine Website in der Gegend, wobei "Gegend" sehr kanadisch-grosszügig definiert ist. Versehen mit dem extra dafür erfundenen Slogan Yale Shmale, versprechen die Plakate kurzerhand, dass man auch mit einem Studium in Lakehead Präsident der Vereinigten Staaten werden könne. Wir nehmen das mal zur Kenntnis. Nun stimmt es zwar, dass Yale die amerikanischen Präsidenten Ford, Bush, Clinton und Bush hervorgebracht hat. Aber praktisch im selben Atemzug spuckte Yale unter vielen anderen auch die Erfinder der Quark-Theorie, der Laffer-Kurve, des Morsealphabets, der Zeitbombe, des U-Boots, der Programmiersprache COBOL, des Monetarismus und des Nyquist-Theorems aus. Zudem gilt es als nur halbwegs umstritten, dass Yale-Studenten in ihrer freien Zeit das Frisbee-Spiel entwickelt haben. Lakehead dagegen: zwei Curlingweltmeister. Grössenwahn hin, Selbstüberschätzung her, bei soviel Realitätsverlust muss man hochgespannt sein, was in den nächsten Jahrhunderten so aus Thunder Bay für sagenhafte Innovationen durch die Welt schwappen werden. Bis dahin glauben wir aber weiterhin eher an Lakehead Shmakehead.


06.09.2006 | 13:15 | Berlin | Alles wird besser | Sachen kaufen | Papierrascheln | In eigener Sache

Berlinmaschine im tip


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ab heute ist im Berliner Stadtmagazin tip in jeder Ausgabe eine Seite Riesenmaschine drin, oder präziser eine Seite Berlinmaschine. Es handelt sich dabei um die Lokalausgabe der Riesenmaschine, die so aussieht wie auf der Fotografie des aktuellen tip auf Seite 94 hierneben. Neben zwei bis drei Beiträgen mit Berlinbezug gibt es auch den Ratgeber und die nagelneue Rubrik Das besondere Event, in der ein besonderes Event vorgestellt wird. Ausserdem finden sich dort papierne Banner, in denen für die Riesenmaschine geworben wird, um dem überaus selbstreferentiellen Konzept ein Sahnehäubchen auf den i-Punkt zu setzen.


31.08.2006 | 20:33 | Papierrascheln

Mit Spatzen auf Kanons schiessen


Buch mit Internetanbindung (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Alles Banausentum strebt zum Kanon, und das Bildungsbürgertum geht kaputt auf die Idee, alles, was man eben kennen, wissen oder gelesen haben muss, überschaubar einzuhegen und auf wenige Regalmeter bis -zentimeter einzudampfen. Schwanitz und Reich-Ranicki haben ihre Versionen vorgelegt. Zeitungen bringen uns per Sondereditionen die literarische Welt according to Süddeutsche, Bild oder neuerdings Spiegel ins Haus. Aber wie bei Atomen steckt selbst im eingedampftesten Kanon noch jede Menge überflüssiger Luft respektive Textmasse, wie das neue Angebot des Summary-Dienstes GetAbstract beweist, der ansonsten vorrangig Wirtschaftsbücher für Unternehmenskunden zusammenfasst. 4.000 Klassiker der Weltliteratur und Geistesgeschichte sollen dort langfristig – jeweils auf acht Seiten komprimiert – als PDF abrufbar sein. 300 sind es bisher, darunter auch Klopper wie Die Brüder Karamasow oder die Bibel. Überhaupt ist Unternehmensgründer Rolf Dobelli, der nebenher sehr lesenswerte Bücher schreibt, für literarisch-technische Innovationen gut: Sein neuer Roman "Himmelreich", eine zeitgenössische "Homo Faber"-Adaption, dürfte das erste Buch weltweit sein, dessen Frontispiz mit einem Semacode versehen ist, der mit dem Handy abfotografiert direkt zur Autoren-Website führt.


... 19 20 21 22 23 [24] 25 26 27 28 29 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Sexy Grandma Chic

- Saugnapfforschung

- Moebiusband quer zerschneiden

- keine Autorenstimme haben

*  SO NICHT:

- Haarausfall verbergen mit Beckham-Combover

- Bartstoppeln (an Beinen)

- Kundenvergrämung

- Reggae aus Mexico


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Iron Man", Jon Favreau (2008)

Plus: 25, 75, 80, 93, 96, 97
Minus: 99, 116
Gesamt: 4 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV