20.09.2005 | 21:07 | Supertiere | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an der Sprache, aber kann das sein, dass die Dinge nur deshalb dümmer, platter und aufgesetzter wirken, weil sie in Deutsch und nicht in Englisch formuliert wurden? Oder hat es dann doch mit den Dingen selbst zu tun? Jedenfalls verdichtet sich das leise Unbehagen, das wir bei der ersten deutschsprachigen Ausgabe des von uns hoch geschätzten Vice-Magazin verspürten, jetzt bei der zweiten Nummer, zu einer massiven Skepsis – und das, obwohl es um unser Lieblingsthema Tiere geht. Während der in deutscher Zunge abgefasste Aufmacher "Bastard-Power", ein mit deplazierter Verve vorgetragenes Plädoyer für die Durchmischung der Rassen, uns mit seiner aufgesetzten Schnodderigkeit ("Ich weiß, Hitler rotiert gerade in seinem Grab") sachte gähnen macht und mit seiner Ad-hoc-Biologie, die dabei schnurstracks wieder im Biologismus landet ("Warum überrascht es uns, dass ein Genpool durch Inzucht trübe und eklig wird? Hin und wieder braucht es einfach etwas frisches Wasser, um den ganzen Scheiß, der sich am Boden absetzt, wieder rauszuspülen.") gar ein leises Ennui hervorruft, macht uns beim englischen Originalbeitrag "Hammerheads = Bullshit", ein fulminanter Erklärungsversuch des Hammerhais und anderer Freaktiere, bald jede Zeile feixen. Wie Franclin Costa sich darin zu einer intuitiv gestützten Revision von Darwin versteigt ohne dabei in die Intelligent Design-Falle zu tappen, einfach indem er den bislang unterrepräsentierten Faktor Durchgeknalltheit ins Feld führt ("I'm not saying that Darwin was utterly wrong. I'm just saying that Darwin was only part of the story – like 50 percent of the picture. You also need an element of craziness, where weird things just sprout out of animals for no particular reason.") – doch, doch, das hat schon eine gewisse ragende Größe und obendrein Plausibilität. Den Rest haben wir noch nicht gelesen. Wie auch immer. Die Fotos sind jedenfalls wieder mal ziemlich gelungen, egal in welcher Sprache.
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15.09.2005 | 15:20 | Alles wird besser | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die bereits beobachtete Neue Werbeehrlichkeit beginnt langsam, höhere und intensivere Wellen zu schlagen und sogar auf angrenzende Medien überzugreifen. Wie die W&V und der Popkulturjunkie berichten, scheinen sich große Verlagshäuser entschlossen zu haben, einem sehr wahrhaftigen Motto zu folgen: Wo der gleiche Quatsch drin ist, kann auch der gleiche Quatsch drauf sein. Bishin zur Hintergrundfarbe gleichen sich die aktuellen Titelbilder der Zeitschriften Hörzu und Gong (Springer, Gong Verlag) wie ein Ei sich selbst. Ein guter Ansatz, wie wir finden, leider reicht der Bildmut der Blattmacher dann doch nicht aus, den Weg ganz bis zu Ende zu gehen. Als offensichtlich vorgeschobene Begründung für diesen Testballon spricht man von einem "Irrtum der Bildagentur" und von unglücklich verketteten Terminverschiebungen. Schade, der Einsatz eines bundesweiten Zentraltitelbilds für ähnliche publizistische Erzeugnisse wäre ein angemessener Schritt auf die Verbraucher zu.
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26.08.2005 | 16:19 | Fakten und Figuren | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt
In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, zu Zeiten von Kohls geistig-moralischer Wende, hatte man noch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie man sich junge Konservative vorzustellen hatte: Sie trugen Loafer und Barbour-Jacken, karierte Burlington-Pullis, die Frauen Perlenohrringe, die Männer einen Topfschnitt. Sie fuhren Vespa-Roller oder Golf-Cabrios, und man nannte sie Popper. Popper waren das genaue Gegenteil, die affirmative Negation der Punks, Hippies und aller sonstigen irgendwie dissidenten Jugendkulturen. Während sich jene Jugendkulturen aber ausdifferenzierten, weiterentwickelten oder auf hohem Niveau versteinerten und seither – meist mit der Vorsilbe "Neo" versehen – zyklische Revivals erleben, war der Popper lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Erst studierte er BWL, dann diffundierte er durch die Gesellschaft und war als eindeutige "Gestalt" im Sinne etwa von Ernst Jüngers Arbeiter nicht mehr auszumachen. Lediglich in den USA geistert seit längerem das Gespenst der "Neocons" herum, was bei Licht besehen jedoch vorwiegend alte Säcke sind, die in Think tanks herumsitzen.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Dabei könnte man mutmaßen, dass die Wechselstimmung im Lande und das Abtrete der 68er-Generation dem Untoten neues Leben einhauchen könnten. Tatsächlich bahnt sich unter dem Label "neue Konservative" so etwas an wie ein Re-Entry des Poppers in die jugendkulturelle Typo- und Topologie. Im Juli bereits widmete ihm das Magazin der Süddeutschen Zeitung eine Titelgeschichte. Unter der Annahme "Die 68er sind am Ende und wir müssen uns mit den neuen Konservativen anfreunden" versucht die Autorin Mariam Lau eine Annäherung, die allerdings reichlich spekulativ ausfällt. Anhand so disparater Exponenten wie CDU-Sunnyboy Eckhard von Klaeden, der 68er-fressenden Autorin Sophie Dannenberg und dem schreibenden Chirurgen und Ex-Panzergrenadier Uwe Tellkamp extrapoliert Lau das Portrait einer Generation, "für die Konservatismus eine knackfrische, attraktive und vorwärtsweisende Angelegenheit ist." Anschaulicher da schon die begleitende Bildstrecke, in der ein junges Paar, er halb Dandy, halb Popper, sie im 50er-Jahre-Twinset, in einem Villengarten inszeniert wird. Die Bildunterschrift präzisiert: "Die jungen Konservativen halten sich gern in Gärten auf, sie kennen sich mit MP3-Playern ebenso aus wie mit Schinkel-Gemälden. Für ihr Arbeitszimmer möchten sie jetzt eine Gipsstatue kaufen." Aha.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Was hier noch reichlich phantasievoll imaginiert wird, findet nun seine empirische Erhärtung und teilweise Widerlegung in einer gemeinsamen Umfrage von Stern und Neon unter 2000 jungen Erwachsenen. "Generation Zuversicht – realistisch, optimistisch, konservativ" titelte der Stern und nagelt damit das Bild einer Generation herunter, die den Generationskonflikt hinter sich gelassen hat und das kleine Glück im Privaten anstrebt. 68 Prozent wollen später einmal heiraten, sofern sie nicht schon verheiratet sind (10 Prozent). 80 Prozent sind romantisch und glauben an die große Liebe. Trotz der pessimistisch eingeschätzten Stimmung in Deutschland blickt die Mehrheit optimistisch in die eigene Zukunft. 71 Prozent sparen bereits für die Altersversorgung und bemerkenswerte 52 Prozent würden gern in einem anderen Land als Deutschland leben. Der neue Konservatismus der jungen Generation ist demnach ein pragmatischer, privatistischer und eskapistischer. Er hat nichts gemeinsam mit dem auf Konfrontation angelegten utopischen Programm, das etwa die "konservative Revolution" in Weimar verfolgte, und das sich auch bei den originären Poppern noch findet. Während jene mit arrogantem Elitarismus zu provozieren und polarisieren verstanden, sind die jungen Konservativen harmoniesüchtig. Der Neo-Popper wäre demnach gar keiner, sondern eher ein Normalo. Als hätten wir's geahnt ...
13.08.2005 | 21:44 | Was fehlt | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Liebende auf Distanz haben in diesen Zeiten grosse Vorteile, wo man SMS to Skype per Mail via WAP-Handy qua MMS eine Voicemail von überall auf dem Planeten für überall auf dem Planeten hinterlassen kann (ausser E-Plus bei mir im Schlafzimmer). Ein neuer Liebesbrief-Trend begegnet dem Mangel an persönlicher Intimität, den die elektronischen Botschaften oft mit sich bringen. Man schickt sich inzwischen gescannte, handschriftliche verfasste Liebesbriefe. Die sind obendrein fast vollkommen abhörsicher, bei einigen Menschen für Unbefugte bzw. Ungeübte sogar absolut überhaupt nicht zu entziffern. Auf einen Workaround, der die früher gepflegte Sitte ersetzt, einen ordentlichen, sehnsüchtigen Liebesbrief mit diversen körpereigenen Aromen zu versehen, warten wir jedoch noch.
12.08.2005 | 14:10 | Sachen kaufen | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Professionelles Glücksspiel bleibt in Deutschland zwar auch weiterhin verboten, als Komponente der Preisgestaltung hat es die Taz jetzt aber in ihre Abo-Konditionen eingeschummelt. Wer sich für das Taz-Neuwahl-Abo entscheidet, erhält bis zum Wahltermin am 18. September die Taz zum Einheitspreis von 50 Euro. Danach verlängert sich das Abo automatisch für ein Jahr, entweder als "schwarzes", "Koalitions-" oder "Wunder-Abo". Der Preis richtet sich dann nach dem Wahlausgang und der anschließenden Regierungskoalition. Sollte der Fall eintreten, und Rot-Grün weiterregieren, beträgt er sage und schreibe 0 Euro, was darauf hindeutet, dass die Taz dieser Konstellation eher geringe Chancen einräumt. Bislang kannten wir diese Gambling-Komponente beim Pricing nur von der Schülerdisco im Jugendclub, wo der Eintrittspreis an der Kasse ausgewürfelt wurde. Dabei liegt das innovative Potential für einen verschnarchten strategischen Sektor auf der Hand, wo Yield-Management bislang als der Weisheit letzter Schluss galt. Ein Supermarktpreis für ein Kilo Kassler, der sich nach der Wettervorhersage richtet; Bierpreise in der Kneipe, die von den Bundesligaergebnissen abhängen – her damit!
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"In Bruges", Martin McDonagh (2008)
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