Riesenmaschine

13.01.2009 | 19:31 | Sachen kaufen

Die schrumpeligen Fingerkuppen der Christiane F.


Warnhinweis: Einschlafen in der Badewanne kann tödlich sein (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der Mohn ist wieder da. Im Foodbereich war er nie ganz weg, und auch Hanf kommt als Back- und Müslizutat wieder. Nur beim Mutterkorn zögert man noch. Aber wie lange noch? Denn während Head- und Smartshops traditionell Wellnessprodukte wie Duftkissen, Raumerfrischer und Räucherwerk anbieten, versuchen nun die Kneipp-Werke – ein Traditionsunternehmen am Puls der Zeit – Badezusatz mit Inhaltsstoffen und Bestandteilen BtM-kontrollierter Pflanzen aufzusexen – für alle, die sich den Alltag bisher noch nicht ausreichend gut wegschäumen konnten. Name und Produktversprechen riechen dabei so wenig subtil nach hidden highs, dass gerade wegen des Warnhinweises "Nicht einnehmen und für Kinder unzugänglich aufbewahren" intravenöse oder auch Wasserpfeifenanwendung nicht ausgeschlossen werden kann.

Der Riesenmaschine Praxistest ergab:
T+0:01: Wasser färbt sich lila. Geruch erinnert an aufgelöste Räucherstäbchen und Omas Veilchenwasser.
T+0:02: Starkes Wärmegefühl beim Einstieg in die Wanne.
T+0:04: Ziemlich entspannt. Gedanken kreisen um die Frage, wieso auf der Umverpackung Klatschmohn abgebildet, in den Inhaltsstoffen jedoch Papaver somniferum gelistet ist. Das ergibt alles keinen Sinn!
T+0:20: Ende des Tests. Fazit: Transdermale treats ähnlich denen von Koffeinshampoo, Biershampoo und Pantene Pro-V. Die Frage, ob und wenn ja wie Drugwipe Tests auf diesen Badezusatz reagieren, verspricht einen interessanten Tag in der Opiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (13)


30.12.2008 | 07:18 | Anderswo | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Wü wie Wii


Whü not? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Der weiseste aller Riesenmaschinenkollegen, Christian Y. Schmidt, leistet für die Werbung unersetzbare Dienste; er erforscht, wie Marken auf den asiatischen Märkten (Schwerpunkt: China) angenommen werden. Das Resultat bisher: Marken sind dort so wichtig, dass sie weitgehend egal sind. Im Westen sind Vertrauen in die Qualität und ein Mosaiksteinchen im Ausdruck der eigenen Konsumpersönlichkeit Elemente der Markenbedeutung. Im asiatischen Raum dagegen geht es um die schiere, emotionale Essenz: Hauptsache, es fühlt sich gebrandet an. Was Y. Schmidt in Asien durch Sammlung und Analyse neu definiert, ist nichts weniger als ein neues Stadium der Markenkommunikation: die "gefühlte Marke" – oder angemessener "Brandiness". Dem Markengefühl kann man nachhelfen, indem man sich an eine tatsächlich bestehende Marke, sagen wir, visuell anlehnt – wer mit halbgeschlossenen Augen durch einen Aldimarkt läuft, kann das nachvollziehen.

Die aktuelle Hochweihe der Brandiness hat sicher ein indonesisches Unternehmen inne, das Zubehör für die Nintendo Wii herstellt, eine der erfolgreichsten Spielkonsolen-Marken überhaupt. Jedes Zubehör dafür muss natürlich durch Nintendo lizensiert und geprüft werden – bzw. müsste. Denn um dieses teure Verfahren zu umgehen, produziert man unter dem famosen, fantasiereichen, fantastischen Markennamen Wü. Und zwar Wü-kompatibles Zubehör. Einen clevereren, charmanteren Schachzug kann es auf dem Feld der Markenähnlichkeit nicht geben. Auch, weil es im Indonesischen kein ü gibt. Weit also, bis in die Türkei, nach Deutschland oder wo man Volapük spricht, musste der diensthabende Verpackungsdesigner und Brandiness-Experte gedanklich fahren, um überhaupt einen so exotischen, aber doppel-i-ähnlichen Buchstaben zu finden. Wü man sieht, hat es sich gelohnt. Wü ziehen unseren Hut.


16.12.2008 | 19:01 | Berlin | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Ein schöner Tag im Lenkungsausschuss Obst


Oft falsch eingeschätzt: die hohe Zahl der Vorteile der Erdbeer-Hochsaison (viele) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Den mächtigen Vonnebrink aus dem Fruitvertrieb und Stockmann vom Markenmarketing hatte Büscheling schon auf seiner Seite. Jetzt musste er eigentlich nur noch den Bereichsvorstand Öbste & Gemüsen der Holding, also Sasel selbst, überzeugen. Das neue Vertriebskonzept war einfach und genial "Einfach genial – genial einfach" (Büscheling hatte sich antrainiert, stets in Slogans zu denken). Erdbeeren seien in erdbeerdesignten Outlets verkaufen, Mandarinen in mandarinendesignten Outlets – er hatte eine 154seitige PowerPoint mit 153 verschiedenen Outlet-Entwürfen anfertigen lassen (das Quitten-Outlet konnte auch für Kaki verwendet werden): "Wir schaffen zwei, drei, viele Generic Retail Opportunities!" Ein Vorschlag wie ein Donnerschlag, nachgerade ein Donnervorschlag.

Der Lenkungsausschuss Obst sass dann auch wie vom Donner gerührt da. Bis Perlebach – "der Komet", wie sie ihn wegen seines Aufstiegs vom stellvertretenden Leiter Steinobst zum Vizeleiter Fruchtdrittverwertung in nur neun Monaten nannten – die Frage stellte: "Und ausserhalb der Fruchtsaison?". Büscheling hatte auf die Frage regelrecht gelauert und stiess die mit den Beratungsconsultants vorbereitete Antwort hervor: "It's not a bug, it's a feature! Ausserhalb der Saison ist es 3D Fruit Advertising." So sei immer Saison, jedenfalls für die Firma, trug Büscheling überzeugend vor.

"Ein völlig korrektes Argument", befand Sasel am Abend nach der Vorstandspräsentation, aber man müsse den Kunden ihren Vorteil auch nahebringen, am besten mit einem Schild. "Wann ist überhaupt Erdbeer-Hochsaison?" "Na, jetzt!", kannte sich Büscheling perfekt aus. "Das müssen Sie natürlich auch draufschreiben". Zufrieden schenkten sie sich einen Gemüsler ein, im Übrigen eine Erfindung Sasels, der damit den sinkenden Obstler-Umsätzen der Fruchtkörperverwertung begegnen wollte.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag bei den Berliner Verkehrsbetrieben


11.12.2008 | 12:19 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Dann klingelt's aber


Geld sparen müssen ist immer hässlich, so Geld sparen zu können immerhin schön (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Allerspätestens seit sich selbst Ethnologiestudenten beim Bier Fondstipps zuraunten, ist die Sparbüchse tot. Wer sein Geld nicht für sich arbeiten lässt, muss selbst arbeiten und wer will das schon? Also hinfort mit der Sparbüchse! Da aber eine der Grundregeln der Produktverwurstung lautet, dass jeder vollkommen überflüssige Mist noch eine zweite Chance bekommt, wenn man ihn nur als Gadget in Umlauf bringt – und gegebenenfalls entsprechend aufmotzt – verharren tausend unnütze Dinge gerade in einem technologischen Limbus.

Dass dieses trashige Werbegeschenk (eigentlich: das Werbegeschenk par excellence) nun wieder eine Chance bekommt, das liegt nun so gar nicht an dieser Finanzmarktkrise, die gerade so aufregend ist, sondern allein am Format. Denn wo Japan draufsteht, da ist eben immer vollkommener Unsinn drin. Unsinn, mit dem Menschen anzugeben versuchen, die sehr viel Zeit mit Computern verbringen. Die Mischung aus urbaner Weltläufigkeit und Kindlichkeit hat schon Unerträgliches wie das Tamagotchi zu einem Kassenschlager werden lassen – dass sich damit nicht auch $100 pro geräuscheerzeugender Sparbüchse machen lassen sollte, geradezu abwegig. Und so geschah es dann auch.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Sunuzu auf der Yamanote-Linie


07.12.2008 | 15:03 | Anderswo | Sachen kaufen | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Tempoverschärfung

Wiewohl es auch in Hongkong echte Tempo-Taschentücher der Mutterfirma
SCA Products GmbH
aus 68264 Mannheim gibt, und zwar mit einem englischen und deutschen Aufdruck ("Taschentücher, naturweich, stark, 4-lagig"), wird doch das eigentliche Signature-Zellstofftaschentuch Hongkongs von der einheimischen Drogerie-Kette Watson's sowohl produziert als auch vertrieben. Dieses Taschentuch unterscheidet sich nun von der fast achtzigjährigen deutschen Traditionsmarke nicht nur dadurch, dass es – wie alle asiatischen Papiertaschentücher – viel dünner ist, sondern auch durch eine – wie soll man sagen? – offensivere Vermarktung. Zumindest wirbt Watson's auf den Verpackungen seiner Taschentücher, sie seien nicht nur der Gesundheit und der Schönheit dienlich, man könne auch richtig Spass mit ihnen ihnen haben. Ja, Watson's fordert gerade dazu auf ("have fun")! Spass mit Tempos? Sollte damit vielleicht..., äh, nein, das führen wir hier nicht aus.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Eine kurze Werbegeschichte vom Töten

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


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