Riesenmaschine

07.07.2006 | 16:39 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Was fehlt | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Assoziationskettenmassaker: Behirne Gehirne!


Systemmeldungen auf Flickr als Beweis für irgendwas (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Heute vor 1000 Jahren fand die hellste Supernova der Welt statt. Sie leuchtete -9,5 mag hell, das mag auch die beeindrucken, die mag bisher für den österreichischen Titel mit der Bedeutung "ich habe zu Ende studiert" gehalten haben. Damit handelt es sich um die am wenigsten beeindruckende Abkürzung, die man dort an seinen Namen anflanschen kann. Schöner zum Beispiel: StGVKF oder NÖGKmtK/St. Der erste dieser beiden Orden kommt aus der Steiermark, einem Bundesland, dessen grösste kulturgeschichtliche Errungenschaft zweifellos das steirische Kürbiskernöl ist. Dieses ist nicht nur besonders reich an den tollsten Ölfeatures, sondern schmeckt auch hervorragend. Eine Eigenschaft jedoch wird oft genug unterschlagen, das Öl ist nämlich dunkelbraun, wenn es in grösseren Mengen auftritt, und wenn nur noch ein einzelnes Tröpfchen vorhanden ist, ist es grün. Es taugt damit hervorragend als reziprokes Sinnbildöl für ökofaschistische Parteien.

Ökofaschistisch nur ohne öko nennen bösartig Unterstellende die schon mal hier vorgestellte Partei BüSo. Deren Vorsitzende heisst nicht nur lustig – Helga Zepp-LaRouche – sondern tritt auch für Transrapid, Kernkraft und umfassende Kulturkontrolle ein: "Ständiges Behämmertwerden mit Gewalt, Pornographie und Techno-Lärm zerstört das Denkvermögen. Klassische Theater müssen sich wieder am gedanklichen Inhalt der von ihnen aufgeführten Werke orientieren". Der Zusammenhang zwischen zerstörtem Denkvermögen und Kultur ist aber nicht nur Thema bei der BüSo, sondern schon eine ganze Weile inspirierend für Dichter und Denker, zum Beispiel für Gottfried Benn, dessen Novelle Gehirne mit einer berühmten freien lyrischen Assoziationskette endet, angeschlossen an eine Erklärung der Hauptfigur Werff Rönne, die als teilweise autobiografisch angelegt verstanden werden muss. Gottfried Benn selbst starb exaxt heute vor 50 Jahren an den Spätfolgen der Supernova von 1006.

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06.07.2006 | 08:07 | Anderswo | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Assoziationskettenmassaker: Buddha bolzt nicht

Dieses Plakat, das im Dongcheng Distrikt in Peking aushängt, wirbt nicht für ein buddhistisches Golfkloster, sondern für teure Immobilien, die in irgendeiner "Rote Mauer Villen Gegend" – so geht Branding hierzulande – ausserhalb der Stadt halbfertig vor sich hinwesen und auf irgendwelche VIP-Käufer warten. Buddhistischer Mönch + Golfschläger + coole Sonnenbrille = Eyecatcher, weil feichang qi guai, dachte man sich sicher in der Beijing East Xinhe International Advertising-Agentur, und fertig war die Kampagnenlaube.

Dabei sind Golf und Buddhismus gar nicht so weit auseinander, wie der chinesische Werber glaubt; in seinem Essay "Golf and Buddhism" hat Reverend Marvin Harada von der "Orange County Buddhist Church" dazu einiges Banales sagen können. Aber auch der birmanische Diktator General Ne Win, der 1962 im Zuge seiner Machtergreifung einen Buddhistischen Sozialismus proklamierte, war passionierter Golfer. Während seiner Ägide liess er in dem ansonsten recht unlifestyligen Land eine grosse Anzahl Golfplätze anlegen. Nach dem Sturz Ne Wins wurde Birma zwar in Myanmar unbenannt und der buddhistische Sozialismus gestrichen. Ansonsten änderte sich nicht viel: Der Klerus des weiterhin buddhistischsten Lands der Welt ist bis heute eng mit den regierenden Militärs verbandelt, die weiterhin Golfplätze bauen und auch dort ihre Entscheidungen treffen, bisweilen sogar ihre Untertanen. So wird von General Saw Maung, dem ehemaligen Vorsitzenden der Junta, die bis 1997 den ungemein dystopischen Namen SLORC trug, berichtet, er habe seine Berater mit Golfschlägern verprügelt, wenn das Einputten nicht klappte. Bitte assoziieren Sie von hier ab selbst.

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Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


01.07.2006 | 15:25 | Anderswo | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Chinesische WM


100 Kräfte und ein Argentinier
Ziemlich bis verdammt sicher ist sich die Riesenmaschine, dass die laufende Fussball-WM in die Geschichte eingehen wird – in die Geschichte der Stadionwerbung nämlich. Wer beim gestrigen Spiel GER vs. ARG mal nicht auf die einerseits hin und andererseits wieder her rennenden Fussballer, sondern auf die unglaublich ruhig dastehende Bandenwerbung achtete, konnte neben dem Schriftzug des offiziellen Biers der Fifa, Bud, zwei chinesische Schriftzeichen ausmachen: 百威! Auf Mandarin werden sie "Bai Wei" ausgesprochen, was übersetzt etwa so viel wie "Hundert Kräfte" bedeutet, nichts anderes als der chinesische Markenname der amerikanischen Plörre.

Zum – einfach mal daher behaupteten – ersten Mal wirbt damit eine westliche Marke bei einer in Europa stattfinden Fussball-WM auch in der kommenden Weltsprache, die in den nächsten Jahren bei global übertragenen Veranstaltungen mehr und mehr Verwendung finden dürfte. Spätestens bei der WM 2014, allerspätestens 2018, in China oder China, wird Stadionwerbung dann komplett zweitsprachig sein. Wer dann als Werber noch kein Chinesisch kann, der baut sich von seinem Gehalt kein Haus mehr.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


30.06.2006 | 12:37 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Lila Aliens


Der Feind in meinem Beet (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schon als der Kollege Albers und ich 2001 im Zuge unserer Tournee durch Deutschland Karlsruhe streiften, dort die Harfinistin und Autorin Angelika Maisch besuchten und einen Ausflug in den Schwarzwald unternahmen, um dort die zu Recht sagenumwobene MaKü-Systemgastronomie zu studieren, wurden wir auf das Phänomen aufmerksam und stellten darüber Spekulationen an. In unserem Reisetagebuch notierten wir damals:

Am Wegesrand bemerkten wir lobend ein rosanes Kraut, das überall in voller Blüte stand. Maisch sagte, dass das gar nicht so lustig sei, weil es sich dabei um Indisches Springkraut handele, das, einmal in Europa eingeschleppt, nun drohe, den gesamten Schwarzwald zu überwuchern. Umgekehrt habe Hawaii gerade mit der Invasion der heimischen Brombeere zu kämpfen, die dort die dermaleinstige Faunavielfalt niederzumachen drohe. Wir fühlen uns an die gestrige "Risiko"-Session erinnert und mutmassen, dass die beiden Arten einfach in einer strategischen Allianz die beiden Kontinente "Europa" und "Asien" unter sich aufgeteilt hätten,weil das in ihren evolutorischen Auftragskärtchen stand.

Heute lesen wir in der Titelgeschichte des "SZ-Magazins" über den Verbreitungsfortschritt des nämlichen Krauts:

Weil das Indische Springkraut auch noch sehr schnell und dicht wächst und alle seine natürlichen Feinde immer noch im westlichen Himalaya sitzen, hat es sich in einigen Gegenden rasend schnell ausgebreitet, oft in riesigen "natürlichen Monokulturen".

Umweltschützer schlagen erwartungsgemäss Alarm und bemühen fremdenfeindliche Rhetorik. In der Schweiz bekämpft man bereits Gleiches mit Gleichem, indem man Asylbewerber gegen das Kraut zu Felde ziehen lässt. Aber hey, muss man Überfremdung nicht auch mal als Chance begreifen? Deutschland wird rosa – das passt zum neuen soften Patriotismus mit menschlichem Antlitz wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Nach "Cool Britain" jetzt "Pink Germany". I'm lovin' it.


27.06.2006 | 19:50 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Das No Logo Logo


Wiederverwendbares Universallogo (Multibrandsignet) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Ohne Marken wären wir bedeutend schlimmer dran als die Marken ohne uns. Marken geben uns Halt und sind Garanten für einen Haufen anderer wichtiger Dinge, findet jedenfalls der Markenverband. Aber was sind Marken, diese tollen Hechte, wirklich? Gehen wir in der Zeit etwas zurück, und zwar bis damals. Hans Domizlaff gilt als derjenige, der in den 20er und 30er Jahren die Marke an sich gewissermassen mit Kerosin betankte, sie dann in einen gesellschaftspolitischen Kontext stellte und 1932 das Buch schrieb "Propagandamittel der Staatsidee", mit dem er unter Reichskanzler Brüning Werbeleiter des Deutschen Reiches werden wollte. Das Buch ist dann anderweitig zum Einsatz gekommen. Domizlaff, Entwickler von Marken wie Ernte 23 und Siemens, wurde 1943 Vorsitzender der Lüneburger Heide. Seine Idee der Marke war, der Masse der Kunden Anhaltspunkte für ihr Vertrauen zu geben.

"Anhaltspunkte für Vertrauen", dafür braucht man doch keine Marke, wird sich ein findiger Bierglasproduzent gedacht haben und hat das nebenstehende Gefäss auf den Markt geworfen. Denn bierausschenkende Wirte haben oft das Problem, dass sie von irgendeiner Biermarke die Gläser geschenkt bekommen haben, aber Bier von einer anderen Marke ausschenken. Und es ist genauso doof, Warsteiner aus einem Beck's-Glas zu trinken wie aus einem Glas, wo gar nichts draufsteht, dann könnte man ja gleich Noname-Bier ausschenken, das will doch auch niemand, wer weiss, was da drin ist! Abgesehen davon, dass auch die glühendsten No-Logo-Verehrer noch stets eine Lieblingsbiermarke haben, "aber nur, weil sie schmeckt!", gibt es bei Biergläsern also das Problem, dass sie das traute Markengefühl erzeugen sollen, ohne sich festlegen zu müssen. Sieht aus wie ein Markenglas, fühlt sich auch so an, und mit "Bier-Spezialität", "meisterlich gebraut" kann sich vermutlich jede Biermarke irgendwie identifizieren. Nur mit dem Spruch "Hopfen und Malz, Gott erhalt's" könnte es in seltenen Fällen inhaltliche Kollisionen geben.


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