Riesenmaschine

26.04.2006 | 09:38 | Berlin | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Navigare necesse est?


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Zukunftsforschung ist, wenn man heute Daten von gestern analysiert, um herauszufinden, wie morgen ist. Das wäre nicht weiter schlimm, letztlich arbeiten die meisten Forscher daran, irgendein Bauchgefühl zu erklären, zu bestätigen oder zu widerlegen. Schlimm ist aber die dramatische Lücke, die in der öffentlichen Wahrnehmung besteht. Die Vergangenheit wird wegen Hitler praktisch ununterbrochen erklärt. Die Zukunftserklärung ist ebenfalls regelmässiger Gast auf den bunten Seiten vieler Medien. Aber wer erklärt einem die Gegenwart? Es geht nicht um einen grossen, feuilletonistischen Ansatz der Gegenwartsdeutung, auch nicht um den Klassiker der Gegenwartsdeutung, die im meckernden Tonfall vorgetragene Beschwerde. Viel mehr ist jemand mit relevanter massenmedialer Stimme gesucht, der erklären kann, warum in Berlin am Potsdamer Platz eine Ampel eine Digitalanzeige hat mit einem immobilen Navigationssystem. Eine Anzeige, die den Weg zur Philharmonie Berlin anzeigt und noch zwei, drei andere Ziele. Warum ist das so? Haben soviele verzweifelte Ortsunkundige die Ampel nach dem Weg gefragt, dass man reagieren musste? Muss im Zuge der Berliner Ampelprivatisierung die zuständige Firma Stadtlicht GmbH einen Weg finden, die Wartungspauschale dramatisch anzuheben ("Ein Notfall, Ampel-Navi in Mitte abgestürzt, ratlose Berlinbesucher randalieren bereits!")? Sitzt in der Berliner Stadtverwaltung ein geistesgestörter Gadgetsüchtiger? Will das Berliner Stadtmarketing an touristischen HotSpots den Eindruck einer HighTech-Metropole erwecken, um der sonst allgegenwärtigen Rütliness entgegenzuwirken? Wir wissen es nicht, wer erklärt es uns?


23.04.2006 | 15:15 | Anderswo | Was fehlt | Zeichen und Wunder

Markenentwicklung


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Briefmarken gibt es inzwischen in den verschiedensten Formen – aus Holz, mit Meteoritenstaub, gestickt oder mit bewegten Bildern – die Motivauswahl ist allerdings nach wie vor arg beschränkt. Zumeist sind es doch bloss tote Menschen im Porträt, wissenschaftliche Errungenschaften, Bauwerke, Naturabbildungen und Historisches. Für worth1000.com Grund genug, einen Wettbewerb auszurufen, bei dem die Teilnehmer, nach dem Vorbild von Bernd Winter, eigene Ideen für Briefmarkenserien entwickeln durften (via BoingBoing).

Unter den 91 Einsendungen findet sich viel Sehenswertes: Da gibt es die Ex-Männer von Liz Taylor, die meistgesuchten US-Straftäter, Fastfood-Ketten und diverse popkulturelle Motive, z.B. die Simpsons, Fight Club, Spongebob und High Fidelity. Der Gedanke, mit derartigen Fantasiemarken tatsächlich Briefe zu verschicken, ist dabei gar nicht mal so abwegig: In der Schweiz bietet die Post den praktischen Dienst WebStamp Private an, der den Druck eigener Briefmarken ermöglicht. Eine streng limitierte Riesenmaschinen-Edition ist selbstverständlich bereits in Vorbereitung, gestaltet als Hommage an die legendäre Lenin-Briefmarke des März-Verlages.


20.04.2006 | 12:39 | Zeichen und Wunder | Papierrascheln

Popetown II


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Eigentlich häuften sich gestern die Meldungen, MTV wolle einen Schritt auf das klagevorbereitende Erzbistum München zugehen und irgendwie um die Sendung Popetown verhandeln. Heute aber müssen wir feststellen, dass nicht nur die letzte Anzeige zurückgezogen wurde – sondern auch eine neue geschaltet worden ist, nämlich die nebenstehende in den Zeitschriften Sonic Seducer und RockHard. Offenbar ist mit dem Entgegenkommen auf die Christenschaft gemeint, dass Jesus wenigstens wieder am Kreuz hängt. Weil er aber Popetown keinesfalls sehen möchte, hält er sich die Augen zu, und zwar mit den blutigen Händen, in denen noch die Nägel stecken. Die für die Kampagne veranwortliche Agentur Roxy Munich erklärte auf Nachfrage, sich nicht erklären zu können, wie das Motiv in die Zeitschriften gekommen sei, eventuell habe man bei MTV versehentlich geschaltet.

Die Grenzen des guten Geschmacks scheinen weit überschritten, hier werden religiöse Empfindungen mit Händen genagelt Füssen getreten, und so hatte ich es mir beim Ausdenken ja auch gedacht. Leise Zweifel mehren sich, ob die werbliche Rückführung des Heiland ans Kreuz geeignet ist, MTV aus der Schusslinie derer zu ziehen, die Meinungsfreiheit nur dann fordern, wenn andere angegriffen werden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Popetown


15.04.2006 | 12:40 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Japan-Kubismus


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Den krassen Gegenpol zum Prinzip Kawaii bildet in Japan der allgegenwärtige Kubismus, die Liebe zu Quadrat- und Würfelform. Nirgendwo sonst auf der Welt wird im Bereich der gehobenen Architektur so radikal am Bauhaus-Dogma der rechtwinkeligen Kantigkeit festgehalten – selbst wenn jetzt unfassbarer Weise der Nagakin Capsule Tower, wohl das kubistischste Bauwerk der Welt, abgerissen werden soll –, wobei der klassische White Cube sich gegenüber dem in Tokio verbreiteten Sichtbeton-Quader ausnimmt, wie ein ornamentales Verbrechen. Der graue Würfel ist an minimalistischer Schlichtheit nicht mehr zu übertreffen. Unangekränkelt jeglicher im Westen verbreiteter Skrupel hinsichtlich Aerodynamik und Spritverbrauch kommt dieses Prinzip auch auf der Strasse zur Geltung. Der nur in Japan erhältliche Kleinwagen Nissan Cube ist, wie der Name schon sagt, ein Würfel auf Rädern und allein dafür im Land der achtkantig aufgehenden Sonne sehr populär. Dass der rollende Mies-van-der-Rohe-Traum dermaleinst seinen Weg zurück ins Mutterland des Bauhauses finden könnte, gilt als unwahrscheinlich, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Kawaii, Kawaii!


12.04.2006 | 04:12 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Pitagora Suichi


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
"Pitagora Suichi" ist Japanisch für "Pythagoras' Switch", eine Kindersendung des japanischen Senders NHK. Leser, die dem Link zu dieser Videokompilation der Anfangssequenzen folgen, dürfen die nächsten 12 Minuten und 54 Sekunden in schierem, ungetrübtem Glück verbringen. Nur kurz sorgt man sich um die wertvolle Lebenszeit, die besessene Japaner mit dem irritierend komplexen Maschinchenaufbau verbringen, denn es ist offensichtlich, dass solch kybernetische Schönheit nicht von Menschenhänden stammen kann. In einer abiotischen Evolution finden sich hier Pappbecher, Buchrücken, Mülleimer und Spielzeugeisenbahnen ohne menschliche Hilfe zusammen, sobald man der Wohnung den Rücken kehrt. Das japanische Klima mit seinem unermüdlichen Laufen und Tun lässt ihnen vermutlich keine andere Wahl.

Die genaue Funktionsweise der fragilen Wunderwerke ist dabei unklar; wie durch Zauberkräfte gelenkt scheint die Kugel vom Start zum Ziel zu gelangen. Vermutlich wirken im Versteckten Dämonen wie Hebelgesetz, Impulserhaltung, Schwerkraft, Magnetfelder, der ganze esoterische Quatsch eben, aber beweisen können wir es nicht. Jedenfalls: Neueren Erkenntnissen (unseren) zufolge sieht man am Ende des Lebens nicht, wie bisher angenommen, ein strahlendes Licht, einen weissbärtigen Herrn oder auch rein gar nichts. Vielmehr erscheint eine kleine grüne Karte, und freundliche japanische Stimmen singen "Pitagora Suichi!" Ende der Kugelbahn, wo ist dein Schrecken?

P.S.: Wer uns nähere Informationen und womöglich eine MP3-Bezugsquelle zu dem Song liefern kann, der im Video bei 4:13 beginnt, bekommt im Mai ein nagelneues Riesenmaschine-T-Shirt seiner Wahl.

Kathrin Passig / Aleks Scholz | Dauerhafter Link | Kommentare (20)


... 46 47 48 49 50 [51] 52 53 54 55 56 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Adapter (Existenz)

- Japan-Bindung

- HTTP

- in den Arm genommen werden

*  SO NICHT:

- Adapter (Notwendigkeit)

- Shanghai Connection

- HPPD

- auf den Arm genommen werden


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Secuestrados", Miguel Ángel Vivas (2010)

Plus: 3, 33, 35, 42, 52, 141
Minus: 192
Gesamt: 5 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV