Riesenmaschine

12.11.2005 | 19:19 | Fakten und Figuren

Sudoku


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn man einen Trend als ungefähr Einmilionster wahrnimmt, aber trotzdem wegen brandneuer eigener Begeisterung aktuell darüber schreiben will, dann googelt man den Trend ordentlich durch und sucht sich ein, zwei neue Fakten als Aufhänger für den Beitrag.
Das uns Cool People schon länger bekannte, mathematische Logikspiel Sudoku bringt inzwischen die für Supertrends üblichen Markt- und Medienblüten hervor. Zum einen wird es in Grossbritannien gleich zwei neue Fernsehshows geben (auf BBC und ITV), die sich um Sudoku drehen. Zum anderen versucht eine mehr oder weniger geschäftstüchtige Firma namens Cpro! eine Sudoku-Spielekonsole zu vertreiben und zwar in einem der weltweit armseligsten Online-Shops (für "Trendartikel und Lifestyle-Produkte") überhaupt: Vier Sudoku-Konsolen, dazu eine LED-Taschenlampe ohne Batterien und als besonderes Schmankerl eine an den Fernseher anschliessbare bunte "Tanzmatte Dance Master". Das Spiel selbst ist online bei vielen verschiedenen Anbietern zu finden, etwa beim Handelsblatt oder der Zeit, wo auch eine Handy-Variante angeboten wird. Das beste (Flash-)Spielinterface ist beim japanischen Anbieter Gamedesign zu finden, dort kann man pro Zahlenfeld auch vier Möglichkeiten an den Ecken notieren, was eine enorme Erleichterung, aber natürlich keine Vereinfachung für dieses gottverdammte Suchtspiel ist. Die Angst, dass einem die Zahlenrätsel ausgehen, muss man nicht unbedingt haben. Laut einer Berechnung von Herrn Bertram Felgenhauer gibt es 6.670.903.752.021.072.936.960 verschiedene Sudokus, was wiederum nach einer Berechung von Sascha Lobo bei einer Zeit von 15 Minuten pro Spiel für 31.729,95 Jahre durchgehende Suduko-Action reicht. Pro Erdenbewohner.


12.11.2005 | 11:51 | Anderswo | Sachen kaufen

Die grösste Mall der Welt


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Die grösste Mall der Welt steht im Haidian-Distrikt im Westen Pekings, etwas ausserhalb, eigentlich nur mit Auto oder Taxi zu erreichen, und harrt noch des grossen Andrangs:
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"Like the rest of the world, the Golden Recources Shopping Mall is still waiting for a big Chinese consumption boom", schreibt der Economist. Zugegeben, die schieren Eckdaten vermögen zu beeindrucken: Mehr als 1.000 Geschäfte auf über 500.000 Quadratmetern mit 230 Fahrstühlen...
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Der reale Eindruck bleibt jedoch weit dahinter zurück. Das liegt zum Teil auch an der Architektur. Die Golden Resource Shopping Mall ist kein Konsumtempel, keine glitzernde Kathedrale des chinesischen Wirtschaftswunders, sondern ein langer Riegel aus zusammengemorphten Kaufhäusern.
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Fast folgt sie dem Vorbild der Strip Mall aus der amerikanischen Provinz – nur eben auf sechs Ebenen statt auf einer. Die langen Gänge im Inneren werden von keiner zentralen Halle, keinem Atrium unterbrochen, und es fehlt der Ort, an dem die bombastische Grösse als solche erlebbar würde.
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Zwar sind anscheinend die meisten Ladenlokale vemietet, aber die Abwesenheit von Kunden verstärkt die Monotonie. Die Marken, die hier mit eigenen Geschäften Präsenz zeigen, sind weniger internationale Luxusmarken, sondern zum Grossteil merkwürdige Bastarde aus deren Assoziationsumfeld und vermutlich Chinas Reaktion auf den wachsenden Druck der WTO hinsichtlich allzu dreister Fakes: "Frognie Zila" statt Ermenegildo Zegna, "Rich Boss" statt Boss, "Prohans" statt ... gute Frage. Auch reine Phantasiegeschöpfe sind zahlreich vertreten, und senden fingierte Signale einer langen Tradition und westlicher Abstammung aus. Erstaunlicherweise scheint der deutsche Referenzraum hier besonders beliebt zu sein, um Retortenmarken mit dem Fluidum solider Qualität auszurüsten. Letztlich aber kein Wunder, dass dieses deprimierende Schattenkabinett der verwesenden Markenaura bei den neureichen Chinesen durchfällt wie ein kalter Stein oder ein Sack Reis. (Dank an Christian Y. Schmidt für das grosse Foto)


11.11.2005 | 18:21 | Sachen kaufen | Sachen anziehen | Zeichen und Wunder

You can leave your tag on


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"Was kostn des?" – "Des was druffsteht." – "Unn was steht druff?" – "Des was' kost." (Richy unn Headbängä)
Gestern erreichte die Kunde eines neuen Trends der HipHop-Welt das vereinigte Königreich. Woran haftet der Geruch des gerade abgeschlossenen Kaufvorgangs am besten, was sagt noch mehr "FABRIKNEU!" als ein Paar boxfresh trainers? Klar, ein Preisschild. Frisch erworbene oder erst kürzlich angeeignete Kleidungsstücke oder Accessoires wie Basecaps sind deswegen ab sofort mit Preisschild zu tragen. Nun weist ja bereits die Tatsache, dass der BBC-Artikel, genau wie dieser hier, nicht ausgepreist ist, bereits überdeutlich darauf hin, dass es sich beim Pricetag-Trend nicht wirklich um eine brandneue Angelegenheit handelt (einzelne Riesenmaschine-Autoren haben das bereits Ende der 80er Jahre in Berlin mitansehen müssen). Bis er aber auch im Mainstream angekommen ist, also bis die ersten mit "359,99" bedruckten Truckercaps für 1,99 bei kik rumliegen, darf man sich auf seine möglichen Auswirkungen freuen: Schwere Zeiten für Ladendetektive, Szenen an der Kaufhauskasse ("Soll ich's Ihnen als Geschenk einpacken?" – "NEIN, BITCH!"), sowie Preisschild-Diebstahl als Mittelweg zwischen Coolness und geplanter Juristenkarriere für unentschlossene Mittelschichts-Nachwuchsgangsta. Neue Impulse für den übersättigten Tattoo-Markt: Tätowierungen, deren Motiv ihr Endpreis ist (schwarz, oder bunt mit Mehrwertsteuer). Auch die Ausweitung auf bedingt auszeichnungsfähige Bereiche wie Frisuren ist denkbar, also zählt die Tage bis zur Sichtung des ersten gebrandeten Friseurumhangs in ze Hood auf einer Mitte-Party.

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link


11.11.2005 | 16:10 | Berlin | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Kinderkunstkacke


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Einige sehr ärgerliche Trends finden mit besäufniserregender Regelmässigkeit immer wieder ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit zurück. Zu ihren erbärmlichsten Vertretern gehört die kokett vorgetragene Infantilität Erwachsener. Beispiele dafür gibt es wie Sand auf dem Spielplatz: Von der Miniplayback-Show über die Schnullerschwäche einiger Jugendlicher und das Diddldrama bis zur Teletubbietragödie. Ein konstant bleibendes Ärgernis aus dieser Kategorie ist Kinderkunst. Zeichnungen von Kindern sind für genau drei Personen etwas Schönes – für das Kind selbst und die Eltern. Schon Geschwister sollten nicht mehr damit belästigt werden und erst recht nicht Kollegen im Büro oder arglose Passanten, die nichts getan haben ausser zum falschen Zeitpunkt an einem beklebten Fenster vorbeizulaufen.

In der Wrangelstrasse in Berlin Kreuzberg gehen die Teilzeiterwachsenen der "Ist-doch-süüüüss"-Fraktion noch einen Schritt weiter und hängen kommentierte Kinderzeichnungen an alle Strassenbäume. In manchen Ländern ist visueller Terror strafbar. Offenbar jedoch nicht in den USA, wo sich tagtäglich ein von Kinderhand designtes Drama abspielt. Die Website Small Hands Creations bietet entzückt-entrückten Eltern an, Zeichnungen ihrer Kinder einzuschicken. Diese werden dann in Sterling Silber dreidimensional nachgebildet (Foto). Da bleiben eigentlich nur zwei Fragen offen: Wie reagiert das Unternehmen, wenn man keine Kinderzeichnung, sondern etwa eine stilisierte Hamsterschändung einschickt? Und bis wann muss man seine Zeichnung eingeschickt haben, damit sie noch rechtzeitig als Worst-Case-Weihnachtsgeschenk zu verwenden ist? Die eine der Antworten ist "10. Dezember". Die andere Antwort kann gern selbst erfragt werden.


11.11.2005 | 14:32 | Anderswo | Zeichen und Wunder

Sexframe


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Wahrscheinlich gibt es irgendwo irreführende Statistiken, die auf der Basis verschämter Antworten zu vollkommen verzerrten Ergebnissen kommen und suggerieren wollen, dass es Leute gibt, die das Internet zu etwas anderem nutzen als zum Pornosurfen. Zum Glück gibt es diese wunderschöne Anleitung aus einem Hotel in Xi'an, in der einem mittels einer "Internet Operationing Instruction" erklärt wird, wie man seinen Computer mit dem hotelzimmereigenen Anschluss verbinden kann, um so ins Internet zu gelangen, das hier zu einem "sexframe" gehört.
In dieser Anleitung wird nicht lange um den heissen Brei geredet. Als erstes soll man seinen on-line neighbor "entern", vorher geht gar nichts. Dabei soll man, verwirrenderweise, entscheiden, zu welchem "sex", Geschlecht, man gehören will. Ist das nicht schon klar, nachdem man geentert hat? Das Herzstück des Ganzen ist allerdings die Forderung, sich zum Sexframe zu bekennen. Man soll nämlich die Vereinbarung des INTERNETS (in Grossbuchstaben, es gibt nur eines, man soll kein anderes neben ihm haben) doppelklicken, die besagt, dass das INTERNET zum "sexframe" gehört. sexframe wiederum in Kleinbuchstaben, wahre Macht muss nicht protzen.

Wenn man alle Schritte befolgt hat, darf man guten Endes "formally" ins Sexframe, nein, Internet gehen. Wobei man in China den Vorteil hat, dass zum Beispiel viele Bloggerseiten gesperrt sind und man so nicht aus Versehen unvorbereitet mit den Befindlichkeiten fremder Menschen konfrontiert werden kann.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Vietnam II: Broken English


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