Riesenmaschine

12.06.2007 | 02:32 | Alles wird besser | Sachen kaufen

Gedankenspiele


Was hat es wohl schon alles gesehen, das eine Auge dieses aussterbenden Tiers? (Foto: frenkieb) (Lizenz)
Als die Spieleindustrie ungewaschen aus dem Urschlamm stieg, verlockte sie die Menschen mit Würfeln aus Knochen und Skatkarten auf Schieferplättchen zu enormer Zeitverschwendung. Die Entwicklung verlief mangels dringlicher Deadlines und ausreichender Kaffeeversorgung im Schneckentempo, und jahrtausendelang hätte "Joystick" zum Beispiel ein kleines Stöckchen bezeichnen können, das man in einen Gletscher steckte, um dann ein Stück Eis herauszubrechen und dran zu lutschen, oder sonst irgendwas Längliches, das Spass macht. Dann aber wurden Computerspiele erfunden und ein sogenannter Bedeutungswandel trat ein. Plötzlich war ein Joystick ein Gerät, an dem man rhythmisch manipulieren musste, um Pixelbündel bei Sexspielen zum Orgasmus zu bringen. Das waren barbarische Zustände, die die Betreiber des technischen Fortschritts nicht hinnehmen konnten, und so wurde seitdem unermüdlich an der Ersetzung des Joysticks gearbeitet, damit die Spieler endlich wieder die Hände freihaben. Project Epoc der Firma Emotiv setzt dabei auf EEG-artige Gehirnstrommessung zur Steuerung virtueller Spielfiguren, während NeuroSky, die Binnenmajuskel liess es schon ahnen, zur Bewerbung seines gedankenlesenden Kopfhörers New Age-artigen, vagen Kitsch über Hirnwellen, Meditation und Gefühlszustände auf der Homepage verbreitet. Keins dieser Geräte ist schon serienreif oder auch nur überhaupt erhältlich, aber es kann nicht mehr lang dauern, bis man sich die dann ja nutzlosen Joysticks endgültig auf den Kamin schieben kann (via BrainWaves).

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Kopfgesteuert


11.06.2007 | 13:38 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Korrektes Zitieren auf Müslipackungen


Abb. a (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Abb. b (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vor knapp zwei Jahren deckte die Riesenmaschine einen handfesten Skandal auf: Die wissenschaftlichen Diagramme auf diversen Nivea-
Produkten waren nämlich einfach im Copy&Paste-Verfahren auf die Packungen geklebt worden – ungeachtet der komplexen verschiedenen Sachverhalte, die sie wiedergeben sollten und unter Missachtung simpelster Standards des wissenschaftlichen Arbeitens (vgl. Abb. a und Passig, 2005).

Danach ging ein Beben durch die Zunft der Verpackungsbeschriftungs-
wissenschaft. Es kam zu Massenentlassungen, Paradigmenwechseln und revolutionären Umbrüchen im Arbeitsprozess – mit einem zumindest zufriedenstellenden Ausgang, wie Abb. b zeigt. Auf den Packungen des Dr. Oetker VITALIS Schoko Müsli (Mit Vollmilch Schokolade) wird die korrekte Quelle für die Angaben über die empfohlenen Tagesdosis der im Produkt vorhandenen Vitamine ordnungsgemäss angegeben: Die 5. Auflage des Standardwerks von Souci, Fachmann, Kraut nämlich. Jetzt müssen bloss noch Erscheinungsort und -jahr genannt werden, dann hätten wir diesen leidigen Punkt endlich abgehandelt und könnten uns den Inhalten zuwenden.


11.06.2007 | 04:56 | Anderswo | Was fehlt

Religion im Kühlschrank


Live aus dem Kühlgehäuse: Galileo Tucci (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Vor knapp 400 Jahren gab es in Rom einen Mordskrach zwischen einem Physiker und der Kirche: Die Kirche versuchte vor Gericht einem altersstarren Naturforscher namens Galileo Galilei die höchst moderne Idee zu vermitteln, dass alle wissenschaftlichen Theorien nur als falsifizierbare Hypothesen vertretbar seien, kurz: dass seine Forschungen möglicherweise auch kompletter Humbug sein könnten. Für Galilei ein inakzeptabler Affront. Wofür er auch Hausarrest bekam. Die Kirche war beleidigt und die Lorbeeren für ihre bahnbrechende Idee der prinzipiellen Falsifizierbarkeit erntete im 20. Jahrhundert dann der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper.

Rom, 400 Jahre später: Galilei ist rehabilitiert, doch es herrscht schon wieder Krach vor Gericht zwischen Physikern und Kirche. Die Sendemasten von Radio Vatikan funken so stark, dass es in Rom aus Kühlschränken erklingt. Ein inakzeptabler Affront, finden sachverständige Physiker. Wofür der zuständige Kardinal Roberto Tucci auch zehn Tage Knast bekam. Doch jetzt wurde Tucci rehabilitiert. Es muss sich noch zeigen, ob seine bahnbrechende Idee Schule macht: Religion aus dem Kühlschrank. Vielleicht ernten auch wieder andere die Lorbeeren, die missionierenden Mormonen zum Beispiel, die nicht mehr mühsam an der Haustüre klingeln müssen, wenn sie die Leute direkt an der Kühlschranktüre erreichen können. Aber dann aufpassen, sagt Popper: Vielleicht alles nur haltloser Quatsch, was Ihnen Ihr Kühlschrank erzählt.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


09.06.2007 | 22:11 | Alles wird besser | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Legen und legen lassen


Handlich, formschön und voll nützlicher Funktionen: Huhn (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Woher die Hühner und die Eier kommen, war bisher nicht so ganz geklärt: die einen aus den anderen? Oder die anderen aus den einen? In Wirklichkeit, so wissen wir jetzt, kommt beides mit der Post aus Oxfordshire. England, das Land mit den abwegigsten Wasserhähnen und seltsamsten Zugtüren der Welt hat zur Abwechslung einmal eine praktische Lösung hervorgebracht, nämlich das Eglu. Man stellt das vage an einen iMac erinnernde Gehäuse in den Garten, tut ein mitgeliefertes Huhn (zwei Rassen zur Auswahl, geimpft gegen alle Hühnerkrankheiten) hinein und wartet ab. Schon bald fängt das Huhn an, essbare Frühstückseier hervorzubringen. An den Details der Eierproduktion könnte man ästhetisch und hygienisch noch manches verbessern, aber das Ergebnis ähnelt einem gekauften Ei wie, nun ja, ein Dings dem anderen. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, und der seit Jahren herbeigeredete Trend zum Fabbing steht tatsächlich vor der Tür und man wird alles selber machen können, Butter, Honig, sogar Brot. Wenn die Hühner jetzt neben Eiern auch noch neue Hühner hervorbringen könnten, wäre das zwar schon fast so schön wie eine eigene Von-Neumann-Maschine, aber wovon sollten dann die Huhnhersteller leben?


09.06.2007 | 14:39 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Blabla Synapsen Blabla


Pyramidenzellen: Wurden sie von Ausserirdischen gebaut? (Foto: neurollero) (Lizenz)
Wissenschaftliche Aufsätze sind oft in einer undurchdringbaren Fantasiesprache verfasst, die ihre Existenz zum einen Teil den Notwendigkeiten der nischengebundenen Detailverliebtheit, zum anderen Teil aber dem Bedürfnis verdankt, sich gegen Kritik und Respektlosigkeit des Laienpublikums mit Sprache zu panzern: selbst wacklige Theoriengerüste scheinen wie hehre Gedankengebäude, wenn man buntglitzernde Fassaden am rostigen Streben anschraubt. Eine wunderbar lobenswerte Studie (pdf, englischsprachige Zusammenfassung) hat diese Binsenweisheit jetzt näher unter die Lupe genommen. Fachlichen Laien, Psychologiestudenten und doktorierten Experten legte man Erklärungen für psychologische Phänomene vor, die entweder plausibel oder Unfug waren, und die entweder ein Stück irrelevanten Neurojargon eingestreut hatten, oder nicht. Ein erfreuliches Ergebnis der Studie ist, dass alle drei Gruppen leicht zwischen Unfug und Fug zu unterscheiden wussten, und den Fug für plausibler hielten als den Unfug. Sowohl die Laien als auch die Studenten standen dem Unfug aber auch deutlich aufgeschlossener gegenüber, wenn er sich mit irrelevantem Neurotrara tarnte. Experten zeigten drolligerweise den umgekehrten Effekt, und lehnten auch plausible Erklärungen ab, wenn sie zu sehr blinkten und hupten. Aber wenn man weiss, dass Neuroplastizität zum Teil durch die interhemisphärischen axonalen Kopplungen des Corpus Callosum vermittelt wird, wundert einen das alles vielleicht auch gar nicht mehr so sehr.


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