Riesenmaschine

05.09.2005 | 11:25 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Ethische Grenzen der Kosmetik


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist gut und richtig, dass auch und gerade im Kosmetikbereich die Produktdiversifizierung voranschreitet. Freiheit ist auch Konsumfreiheit und das wiederum heisst, wählen zu können zwischen AloeVera-Kokos-Palmöl-Maisstärke-Shampoo und Jojoba-Avocado-Stutenmilchcreme. Doch die kosmetische Produktfreiheit hat auch Grenzen, bzw. leider offenbar keine. Die australische Firma Morcosmetics nämlich hat eine komplette dem Marshmallow nachempfundene Pflegeserie herausgebracht. Zu Recht versteckt das Unternehmen diese Produkte in einem deeplink-unfähigen, jugendstiligen Flashgetöse von Website – zu gross könnte der Schaden einer direkten Verlinkung sein, am Ende kauft jemand aus Versehen noch die Marshmallow Body Lotion. Wir erinnern uns kurz: Marshmallows, das sind diese Brocken aus klebrigem Dämmschaum, aus dem Riesenmonster gebaut werden und von dem in seltener Eintracht Gesandte der magenchirurgischen Industrie und des Teufels behaupten, man könne sie essen. Dabei ist die eigentliche Verwendung von Marshmallows längst entdeckt worden: Sie eignen sich hervorragend als Munition für den Marshmallow Shooter. Wenn jetzt angesichts der Marshmallow-Kosmetik besonders spitzfindige Leser einwenden wollen, Moment, Marshmallow, das ist doch auch ein Name für das Malvengewächs Eibisch oder Samtapfel, dem können wir kaum mehr helfen, denn ebensogut könnte man mit einer Hakenkreuzfahne durch die Strassen laufen und erzählen, es sei ein altes asiatisches Sonnensymbol.


02.09.2005 | 04:41 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter

Elektrische Mülltonnen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Weltweit gibt es eine klare Tendenz zu Multifunktionsgeräten, zum Beispiel durch Kombination von Handy und Kamera, Brille und Freisprecheinrichtung, Litfaßsäule und Mülltonne. Es ist klar, dass die letztgenannte mutige Erfindung nur im fortschrittlichen Kanada getestet werden kann – mit zweifelhaften Erfolgsaussichten, wie sich schnell zeigt, denn die Menschen sind mit dem revolutionären Konzept wohl noch überfordert. Kritiker wenden ein, dass die über zwei Meter hohen und anderthalb Meter breiten Mülltonnen irgendwie doch ganz schön viel Platz wegnehmen. Zudem seien Orte, an denen viel Müll entsteht, nicht automatisch auch Orte, an denen optimale Sichtbarkeit für Werbeplakate besteht, was zu gewissen Konflikten führen könnte. Schließlich wäre es ja wohl übertrieben, Mülltonnen mit Strom zu versorgen, um die Werbung auch angemessen zu beleuchten. Andererseits: Wie oft hat man schon stundenlang vergeblich im Dunkeln nach dem Papierkorb gesucht? Eben. Das wahre Problem der ersten Müllwerbetonnen ist jedoch, dass sie genauso aussehen, wie man sich die schon lange überfälligen öffentlichen Internet-Terminals vorstellt, mit diesem Tower-Design, bunten Anzeigen und verschiedenen Schlitzen für CDs und Disketten. Wer kann ahnen, dass das Bunte in Wahrheit die komplizierte Anleitung zur Mülltrennung und der Schlitz der Einwurfschacht für Zigarettenreste ist? Wenn man die Leute so dreist hinters Licht führt, muss man sich über Unmut, Missbilligung, Abscheu und letztlich Vandalismus nicht wundern.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Kichernde Mülltonnen


30.08.2005 | 14:17 | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter

Happiness is a hot gun


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Er ist uns ja schon einige Male negativ aufgefallen, der lustige, dicke Franzose. Doch mit seinem neuesten Wurf, der 'guns collection' hat er unsere schlimmsten Ängste wieder einmal übertroffen. Es handelt sich bei der 'guns collection' um eine Serie von Lampen – wobei das Besondere daran der aus Zamak (einer Zink-Aluminium-Legierung, die im Aussehen an Bronze erinnert und lange Zeit fast vergessen war) gefertigte Ständer der Lampe in Gewehr- bzw. Pistolenform ist. Wer dabei an schlechten Geschmack, etwa von Rappern, Mafiabossen oder afghanischen Warlords denkt, wer glaubt, so was gäbe es doch nur in Amerika und auch dort nur auf Extensions-CDs für die Realitätssimulation 'Die SIMS' oder allenfalls als künstlerisches Resultat der Projektwoche Eine Welt – Für Völkerverständigung – gegen Gewalt und Hass der Hauptschule Hausberge in Porta Westfalica, der sieht sich getäuscht: Starck meint es bitter ernst, wie dieser erklärende, antikriegssongähnliche Text beweist. Die Schlüsselstelle lautet wie folgt:

Nowadays we kill – religiously, militarily, civilly,
indeed very civilly sometimes. We kill out of ambition,
out of greed, for the fun of it or of the show.
Republics turn bananas. Tyrant are our masters,
Designed, manufactured, sold, dreamed, purchased
and used, weapons are our new icons.
Our lives are only worth a bullet.
The Guns Collection is nothing but a sign
of the times.


Ausserdem erfahren wir aus dem Text, dass das Gold der Waffen den Zusammenhang zwischen Geld und Krieg verdeutlichen, der schwarze Lampenschirm den Tod symbolisieren und die Kreuze auf der Innenseite an die Toten erinnern soll. Aha.

Für alle, die sich um die geistige Gesundheit Philippe Starcks sorgen, gibt es eine kleine Hoffnung: vielleicht ist das Ganze ja nur als Provokation gemeint? Dafür spricht, dass Starck einen Teil des Erlöses an Herrn Kalaschnikow, dessen Gewehrentwurf er zum Fuss der Ständerlampe umfunktioniert hat und der für sein schönes Gewehr ja nie einen Designpreis oder Tantiemen bekommen habe, abführen will. Um es nicht zu übertreiben mit dem Provozieren, geht der Rest des Erlöses an "Médecins sans frontières" – auch wenn er, Starck, der alte Kulturpessimist, sich manchmal frage, warum.


29.08.2005 | 23:47 | Alles wird schlechter | Vermutungen über die Welt

Madonna wird alt


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Wenn einen von Zeit zu Zeit das Gefühl beschleicht, dass trotz großer Warenvielfalt und allgemeiner Buntheit der Welt alles immer gleicher und ähnlicher wird, dann liegt das vor allem an der Marktforschung. Jedes neue Produkt und die Werbung dafür werden ordentlich durchgetestet, bis es entweder erfolgversprechend ist oder sein Waterloo in Hassloch erlebt. Dieser Marketingtrend hat schon länger Eingang in die Kultur gefunden – die meisten Hollywood-Produktionen werden ganz selbstverständlich einem Testpublikum vorgeführt, dessen Urteil über Umschnitt oder Änderung des Endes entscheidet. Madonna, die Popikone von sich selbst, scheint ihr vielgelobtes Gespür für Trends und Strömungen verloren zu haben, denn für ihr neues Album greift auch sie zu den Methoden der Marktforschung. In Clubs zwischen Liverpool und Ibiza wurden im Juni die Tracks des neuen Albums (ohne ihre Stimme) gespielt. Die Reaktion des unwissenden Publikums entschied über die Trackauswahl auf dem Album "Confessions on a Dancefloor". Wir sind hin- und hergerissen. Auf der einen Seite könnte nach den beliebten Geheimkonzerten ein schöner neuer Trend Geheimsongs werden – eine charmante, ausbaufähige Antwort auf die andauernde Hit- und Chartattacke mit kleinen Liedern von großen Namen. Auf der anderen Seite ist es keine angenehme Vorstellung, irgendwann nur noch Filme, Songs, Bücher zu bekommen, die jemand anderes schon mal gegessen hat. Wer möchte schon, dass tausend betrunkene 18-jährige Engländer über die Lieder entscheiden, die man hört? Niemand (außer Madonna offenbar).


28.08.2005 | 20:18 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren

Die Qual der Wahl-Werbung


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Als wäre Wahlwerbung nicht ärgerlich genug, ersinnen viele offenbar minderkreative Agenturen vor Bundestagswahlen auch noch Wahl-Werbung. Also Reklame für normale Produkte, die im pseudopolitischen Kontext daherkommen. Der weitaus grösste Teil der Wahl-Werbungen besteht aus der schmalbrüstigen Sinndopplung "wählen" (politisch) und "wählen" (auswählen). Als zentrales Visual – jetzt bitte an einem schweren Gegenstand festhalten, es folgt eine Überraschung vom Ausmass des Krakatoaschen Vulkanausbruchs von 1883 – fungiert in den allermeisten Fällen ein handgeschriebenes Kreuz in einem runden Wahlfeld. Die hier abgebildeten Plakate sind von germanwings und Möbel Höffner (links). Burger King kommt mit seiner Aktion Deutschland braucht einen König noch so gerade eben als Einäugiger unter den Blöden davon. Was sich die Unternehmen von Wahl-Werbung versprechen, ist nicht ganz klar, denn sowohl positive Konnotationen als auch erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Werbung im Wahlmantel wären äusserst gewagte Thesen. Es bleibt, wie so oft, als vermutet beabsichtigter Mehrwert Unterhaltung durch Ironisierung. Das aber gibt ein grosses "Gewollt-und-nicht-gekonnt"-Sternchen im Zentralregister kreativer Werbung. Einen anderen Ansatz, mit der Neuwahl umzugehen, liefert die Agentur Salz Kommunikation mit ihrer Seite Agenturneuwahlen, auf der Kunden aufgefordert werden, eine neue Agentur zu wählen. Das ist zwar auch nicht der ungekrönte Herrscher des Werbekonzepts, aber immerhin neu. Vermutlich.


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"Lebanon", Samuel Maoz (2009)

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