31.01.2008 | 17:24 | Anderswo | Vermutungen über die Welt
Die Familie als Terrorzusammenhang (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Die Türkei empfiehlt sich in ihrer Eigenwerbung gern als familienfreundliches Reiseland. Die von Alexander Kluge beschriebene "Familie als Terrorzusammenhang" bildet dabei den Kern der aktuellen Kampagne. Das Plakatmotiv zeigt eine Familie, deren Mitglieder nicht nebeneinander, sondern ohne Not aufeinander am Strand liegen. Von unten nach oben: Vater, Mutter, Tochter, älterer Sohn, jüngerer Sohn.
Man beachte die beiläufige politische Korrektheit des inszenierten Schamgefälles: Natürlich darf die Mutter auf dem Vater liegen, aber nicht umgekehrt. Die Mutter und die ältere Tochter wiederum wären theoretisch austauschbar, aber dann müsste der Sohn auf der Mutter liegen (nicht akzeptabel). Leichte Bedenken kommen auf bei der Paarung des Sohns mit der älteren Tochter. Der kleine Bruder ganz oben hingegen muss als folgerichtig platziert gelten.
Im übrigen sehen nur schlichte Gemüter die Sortierreihenfolge im Gewicht der Protagonisten begründet.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ehrlicher Marketer
30.01.2008 | 12:22 | Anderswo | In eigener Sache
Vor dem Rennen: Wenigstens das Hemd wusste, was es tut. (Foto: Jan Bölsche)Kathrin Passig und Aleks Scholz sind am letzten Wochenende beim "Tough Guy" in Wolverhampton als sehr kleines Team "Schmutzstaffel" angetreten. Sie haben das Ziel knapp zwei Stunden nach den schnellsten Teilnehmern und etwa eine halbe Stunde vor den Senioren mit Gehgestellen erreicht. Die stolzen Sieger im Riesenmaschine-Interview:
RM: Beim Tough Guy müssen die Teilnehmer stundenlang durch Schlamm robben, in Eiswasser springen und sich mit Elektroschocks, Stacheldraht und Feuer herumschlagen. Können Sie unseren Lesern kurz erklären, warum man an so einem Wahnsinn teilnimmt? AS: Eigentlich habe ich vorwiegend teilgenommen, damit ich mich an diesen Tag später noch erinnern kann. Man vergisst ansonsten ja alles, wenn es nicht mit brutaler Gewalt ins Gehirn gemeisselt wird. Ausserdem war es unglaublich entspannend, sich mal für eine Weile nur auf eine Sache konzentrieren zu können, nämlich auf Schlammlöcher.
RM: Der Tough Guy gilt als "eins der härtesten Rennen der Welt". Wie haben Sie sich auf die Teilnahme vorbereitet? KP: Gar nicht. Ich wollte eigentlich, konnte mich dann aber doch nur zu zwei halben Klimmzügen in der Woche vor dem Rennen aufraffen. Wie sich herausstellte, war das auch ganz gut so, denn es gibt 5.000 Teilnehmer, und wenn man nicht entweder sehr schnell oder sehr langsam ist, landet man so wie Aleks Scholz im Mittelfeld und muss vor jedem Hindernis Schlange stehen. Ach ja, drei Wochen vorher bin ich eine Treppe heruntergefallen. Das hat sicher auch geholfen.
RM: Herr Scholz, Sie sind den CN Tower hochgelaufen, haben den Grossglockner mit dem Fahrrad bezwungen und jetzt den Tough Guy Contest absolviert. Was ist wirklich die härteste Herausforderung der Welt? AS: Meetings. Meetings und Konferenzen und vielleicht noch Herumsitzen am Flughafen. Dagegen sind diese körperlichen Vergnügungen reiner Kinderkram.
RM: Wie sieht der typische Tough-Guy-Teilnehmer aus? Sicher alles harte, furchtlose Männer mit Muskeln aus Stahl. KP: Der typische Tough-Guy-Teilnehmer sieht aus wie ein trinkfester Brite um die 30 in einem Baströckchen. Man muss bedenken, dass sich der englische Alltag nicht sehr von den Bedingungen beim Tough Guy unterscheidet: Kälte, Nässe, Schlamm, dazu die ständigen Witze über den Krieg.
RM: Unsere Leser wollen 2009 sicher selbst antreten. Können Sie ihnen Tipps mit auf den Weg geben? KP: Man sollte Schuhe und Handschuhe tragen, der Rest ist egal. Wasserdichte Sealskinz-Socken sorgen dafür, dass man etwa zehn Sekunden länger trockene Füsse behält als die anderen Teilnehmer. Ausserdem: Beim Sprung von der Planke möglichst weit springen, so lassen sich zwei Schwimmzüge sparen. Und Ohrenstäbchen mitbringen! AS: Man sollte ernsthaft über Doping nachdenken. Stimmungssteigernde Amphetamine zum Beispiel sind eine gute Wahl, es ist dann zwar immer noch genauso anstrengend, macht aber deutlich mehr Spass. Eines noch: Möglichst wenig "Wasser" schlucken.
RM: Werden Sie selbst nächstes Jahr wieder dabei sein? KP: Entweder das, und zwar diesmal zu zweit als Pferd verkleidet. Oder aber wir veranstalten stattdessen unseren eigenen Wettbewerb: Die Urban Not-So-Tough-Guy Challenge, bestehend aus einer Viertelstunde Warten an der Bushaltestelle, bepackt mit zwei halbvollen Einkaufstüten. Danach Ansehen von Arktis-Dokumentarfilmen im Fernsehen unter strikter medizinischer Kontrolle. Alles nur eine Frage des richtigen Marketings.
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21.01.2008 | 18:53 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In Zeiten, in denen Fernsehbilder von auf Schlussverkaufstische zutrampelnden Kundenhorden ihren auf Masse und Macht gründenden Mach-Mit-Magnetismus langsam einbüssen, kommt es zwangsläufig, wenn auch komplett überraschend, dass das bisher ausschliesslich in anstrengend dekorierten Kneipen herumdümpelnde Konzept "Happy Hour" seinen Weg in den Einzelhandel findet. Ausgerechnet der biedere österreichische Billigladen Billa hat nun diese mikrotemporale Preisgestaltung ins Fruchtregal gehievt. Für Leute, die auf sowas stehen, bieten wir die Verschwörungstheorie, dass damit heimlich darauf abgezielt wird, Langschläfer und Herumlungerer durch Wiedereinführung des Skorbuts auszurotten, hier gratis zum Download an.
Wir glauben aber lieber daran, dass dies nur der Beginn einer ausgeklügelten Streuung von Lockangeboten über alle Zielgruppen und Shop-Schlaf-Rhythmen hinweg ist. Bitte uns jetzt zu entschuldigen, die lange Nacht der Kaffeefilter bei Aldi geht gleich los.
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19.01.2008 | 09:32 | Anderswo | Alles wird besser | Was fehlt
Bald auch als deutsche Wertarbeit: Riesenmoscheen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Moscheen in Deutschland: Von der einheimischen Bevölkerung immer gern gesehen, solange sie so gross sind wie eine Schuhschachtel, hinter einem Einkaufsmarkt in der Vorstadt versteckt und am besten noch von Überwachungskameras und Polizeikontrollen umgeben. Deutsche Moscheen im Ausland aber ganz anders: Dass das deutsch-arabische Verhältnis nicht ganz so zaghaft ist wie in München oder Köln, zeigt nun die Tatsache, dass nichts Geringeres als die drittgrösste Moschee der Welt in Algier von deutschen Unternehmen gebaut werden wird. Mit anderen Worten: Die grösste Moschee der Welt nach der Prophetenmoschee in Medina und der Al-Haram-Moschee in Mekka (820.000 Menschen Fassungskraft) wird von Unternehmen aus Deutschland erbaut: Kleiner als Mekka, aber grösser als der Petersdom (60.000 Menschen) und wohl auch das Strahov-Stadion in Prag (250.000) und fast so lang wie und eindeutig höher als der Drei-Schluchten-Damm am Jangtse (das Minarett soll das höchste der Welt werden, über 210 Meter hoch) – das dürfte jeden innerdeutschen Moscheenstreit mit dem megalomanischen Glanz globalisierter Wirtschaftskooperation überstrahlen. Der Islam ist ohnehin so eine Massenbewegung.
18.01.2008 | 15:59 | Anderswo | Fakten und Figuren
Die WM 2006 in Deutschland: Als Kulturereignis nicht messbar (Foto: gari.baldi) (Lizenz)Für die Bedeutung von kulturellen Ereignissen wurde auch im Jahr 2008 immer noch kein allgemein gültiges Bewertungssystem etabliert. Die automatische Kulturkritik sei hier nur zaghaft als kleine, aber löbliche Ausnahme erwähnt. Gemeinhin werden Feuilletonisten, mit Internet und ohne, herangezogen, wenn im Blätterwald ein Baum umgefallen ist. Die Durchschnittsmeinung wird dann zur allgemeinen Bewertung erhoben, was so gut wie alle anderen demokratischen Verfahren funktioniert.
Es ist nach 9 Uhr morgens und damit Zeit, wieder Bewertungssysteme zu fordern, die auf vernünftigen, vergleichbaren Messungen fussen. Dabei können wir wieder von den Vereinigten Staaten lernen, oder auch von Kamerun. Die Seismologen, die sich im Frühjahr 2006 dort zu Erdbebenmessungen aufhielten, zeichneten die Tore und andere kritische Situationen während des Afrika-Cups auf, wie auf Seite 13 genauer zu lesen steht. Das US-amerikanische Forscherteam qualifizierte zwar die "Footquakes" als hochfrequenten Kulturlärm ab, vermutlich aber nur, weil es um Fussball ging und nicht um Mike Novick, der beim Penalty-Shooting einen Home Run gedunkt hat. Seismographen in jedem Kulturzentrum und eine zentrale Auswertung sollten dafür sorgen, dass man sich in Echtzeit über Kultur informieren kann. Landesweite Begeisterometer mit einer nach oben offenen Skala: Kulturwissenschaftler werden mittelfristig die Anschaffung eines Taschenrechners überlegen müssen.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Abschied vom Alleinstellungsmerkmal
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Waldrapp-Volieren
- Verlängerung erzwingen
- Früchte mit "G"
- flexibel reagieren
SO NICHT:
- puzzeln als Hobby
- Fischgrätmantel mit Hamsterfutter (wie G. Bucerius)
- Ladegerätdefekt
- im 11m-Schiessen verlieren
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Scoop", Woody Allen (2006)
Plus: 11, 21, 41, 48 Minus: 2, 33, 60, 74, 125 Gesamt: -1 Punkt
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