Riesenmaschine

19.06.2008 | 23:45 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Kontraste


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Über Kontrastflüssigkeiten für Windeln, Tampons und Katzenstreu wurde schon viel spekuliert, eine konkrete Antwort ist noch ausständig: Warum sie blau sein muss, wenn die Auscheidungen nicht auch blau sind, wie beim Wegdornbeeren essenden Kaninchen. Warum nun ausgerechnet Blau der Stellvertreter für Rot, Gelb und Braun ist, warum nicht Grün?

Ja, assoziiert man nicht mit Blau Frische, so wie uns die Kloreinigungsnabobs einzureden versuchen? Es scheint da einen nicht eindeutig definierten Graubereich zu geben. Was ist gutes Blau, was böses? Vollends verwirrend wird es, wenn Katzen das Blau ihrer Ausscheidungen so ans Herz gewachsen ist, dass sie in blauen Waschbecken schlafen. In Japan z.B. wirbt die Schlagersängerin Jun Tugawa seit Jahren für das Washlet der Firma Toto, indem sie sich die Hände mit Tubenfarbe blau beschmiert. Schmutz und Reinheit in einem. Nun scheint Japan generell ein Land der diffusen Grenzen zu sein, das braune Pepsicola wurde zuerst grün und jetzt blau. Noch hat keiner gesagt: Schmeckt wie Elvis. Das Argument, dass etwas, das so blau aussieht, nicht natürlich sein kann, kann man dann mit dem Schmutzargument entkräften. Andererseits: sind Ausflüsse und -scheidungen nicht auch natürlich?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Man schmeckt nur mit den Augen gut

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


16.06.2008 | 17:56 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Psycho-Kaugummi


Lebensmittelrechtlich herausgeforderte Designerdroge (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das letzte Mal, dass Kaugummis unmittelbar auf die Psyche wirkten, muss in (West-)Deutschland gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen sein, als die GIs mit ihnen den Geschmack von Freiheit und westlicher Konsumkultur einschleppten. Seither war die Wirkrichtung lange Zeit eher der Körper, die Bekämpfung von Mundgeruch und später Karies. Mit Orbit balance ist nun der erste "Functional Food"-Kaugummi auf den Plan getreten, der dezidiert auf den Geist wirken soll, und mit dem man "auf einfache Art etwas für Ausgeglichenheit und Wohlbefinden" tun kann, wo immer einem danach ist. Zutat, die das Versprechen einlösen soll, ist Aloe Vera, jener Kakteensaft, dessen Siegeszug Wellness-Marker von den Hautpflegeprodukten über die Joghurts nun also bis zur Quengelware reicht und dort sicher nicht enden wird. Demnächst werden sie Dachgepäckträger und Mobiltelefone mit Aloe Vera auf den Markt bringen. Das Resultat ... nun ja.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Rosenlassi


05.06.2008 | 12:03 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Überraschungsei


So frühstückt man im Turbokapitalismus (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Eine der wichtigsten Quellen der Allgemeinbildung der heute 25- bis 45jährigen ist der klassische Kanon der Lucasfilm-Adventures: Hier lernte man u.a., dass man Zeitmaschinen nicht mit falschen Diamanten betreiben sollte (Day of the Tentacle), wie man an Trollen vorbeikommt (Monkey Island), was man alles für eine Voodoopuppe braucht (Monkey Island II) und dass man gewisse Dinge nicht in Mikrowellen stecken sollte, nämlich Hamster (Maniac Mansion) und Eier (Zak McKracken). 20 Jahre nach Zak McKracken ist dieses Wissen jedoch hinfällig, denn mit dem Turbo-Ei für die Mikrowelle vom Onlineshop arktis.de, einer unscheinbaren Hülle aus Irgendwas, kann man in weniger als einer halben Minute sein Ei, nun, kaum zu glauben, aber, ja, man kann es tatsächlich in der Mikrowelle kochen. Ein weiterer wichtiger Schritt zur schon lange und mehrfach von uns geforderten Abschaffung der Küche.

Fast noch bemerkenswerter als das Ei ist allerdings die Rubrik "Unser Kommentar" am unteren Seitenrand. Dort steht: "Es funktioniert tatsächlich. Ich bin völlig begeistert!" (Rainer Wolf, Arktis Geschäftsführung). Soso. Sollte man daraus etwa schliessen, dass das bei den anderen Produkten von arktis.de nicht der Fall ist? Dass all die R2D2-Mülleimer, LED-Eiswürfel, Modellhelikopter und Mückenstichvernichter gar nicht einsatzfähig sind? Tragisch – aber sofern der sehnsüchtig erwartete "Turbo-Hamster für die Mikrowelle" funktioniert, können wir es verschmerzen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ich weiss es nicht, ich bin kein Huhn


26.05.2008 | 13:26 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Lucozade Khan


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was hält das British Empire zusammen, jetzt, wo Cromwell tot ist? Die Antwort kommt in Flaschen und heisst Lucozade. Seit Jahren schon ist Lucozade der Kitt im verstaubten Gebälk von viktorianischen Ruinen, der klebrige rote Faden von Cape Wrath bis Land's End, das feuchte Substrat an der Unterseite der Granittore von Dartmoor. Lucozade, der dritte Holunderschnaps, enthält zwar keinen Alkohol, dafür den Tagesbedarf an Zucker in einem kleinen, gelbrot angemalten Plastikcontainer, der in der Form einer schlanken Version von England ähnelt (ohne Kanalinseln).

Schliesslich hat allein Lucozade aufgeräumt mit dem elendigen Gerede von gesunder Körper gleich gesunder Geist, ich meine, Stephen Hawking? Lothar Matthäus? Geist ist etwas komplett anderes als Körper, weswegen Lucozade unterschiedliche Produkte für physical edge und, relativ neu, mental edge anbietet: Lucozade alert ist farblos, voll mit Koffein und schmeckt nicht nach Hundepisse, sondern nach Zitrone, nehmt dies, ehemalige Kronkolonien. Crown colony wäre übrigens ein super Name für einen neuen Staat, auf dem Mars oderso.


24.05.2008 | 16:45 | Alles wird besser | Was fehlt | Essen und Essenzielles

This flesh is my bread


Einmal Hand mit Fuss bitte.
Wer sich in München im buddhistisch-veganen Restaurant Au-Lac verköstigen lässt, kann zur Speise auch ein Freiexemplar des Büchleins "Der Schlüssel zur sofortigen Erleuchtung" der Höchsten Meisterin Ching Hai Wu Shang Shih gereicht bekommen, einer bündigen Einführung in den Veganismus. Auf dem Speisenplan hat man die Auswahl aus verblüffend echt aussehendem und noch verblüffender echt schmeckendem Sojahuhn, aus Sojaente, Sojaschwein, Sojatintenfisch, und vielem mehr. Selbst die geschmorte Haut des überzeugend gefälschten Broilers ist aus rein pflanzlichem Material perfekt nachgebildet, die Ente wirkt wie frisch geschossen und der fleischlose Polyp zappelt vor täuschender Echtheit nahezu noch in seinem eigenen Aufguss. Die Höchste Meisterin lehrt sodann in ihrem Werk: "Ich sehe um mich herum so viel Brutalität gegenüber Tieren. Ihr könnt einkaufen, wisst ihr, ihr könnt aussuchen, was ihr wollt. Ja, ihr könnt vergleichen und mit eurer Weisheit, eurem Intellekt auswählen: 'Oh, dieser hier ist besser!', oder: 'Ich mag diesen mehr'. 'Der sieht schrecklich aus!', 'Oh, dieser – eklig.' [Lachen]" (S. 39f.).

Die strikte Konsequenz aus diesem Übergang von der omnivoren Ernährung zur Metaebene des rein gewächsbasierten Imitats ist das nun gesichtete Menschenfleisch aus Getreide und Brot – Leichenteile, geschmackvoller als die von Gunther von Hagens: Organfetzen, verwesende Schädel, abgetrennte Gliedmassen ... eklig zwar, aber doch entsprechend der von der Höchsten Meisterin geforderten Weisheit rundum bekömmlicher als das echte faulende Fleisch.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


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