Riesenmaschine

31.07.2007 | 11:09 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Nah am Wasser gebaut


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Das Missing Link zwischen Wasser und Grafschafter (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Near-Water-Segment boomt. Waren früher die Welt der Mineral- und Tafelwässer und die der Limonaden kategorial getrennt, verzeichnet die Grauzone dazwischen seit Jahren die stärksten Zuwachsraten, was man mit Slavoj Žižek (PDF) als Symptom der allgemeinen Homöopathisierung des Konsums interpretieren könnte, aber keineswegs muss.

Besonders wild pastös treibt es das Haus Gerolsteiner, das – sehr zum Gefallen des "Erlebnistrinkers" unter den Trinktypen, der "ein Lebensgefühl, das sich weg von der Leistungsgesellschaft orientiert" mit "Lebensdurst auf immer neue und vielfältige Geschmackserlebnisse" verbindet – die Produktinnovationen in so schneller Abfolge raushaut, dass der Konkurrenz schwindelig wird. Auf Naturell plus Frucht und die rustikalere Variante Moment (beide Mai 2006) folgte unmittelbar das schlanke und isotonische Gerolsteiner Sport (Juni 2006), nicht zu verwechseln mit dem schon länger im Markt befindlichen Gerolsteiner Fit. Die 2005 pünktlich und passend zur Klimakatastrophe mit dem Produkt Milder Winter begonnene Saisonalisierung wurde diesen Sommer mit Gerolsteiner Sommer Frische fortgesetzt.

Der jüngste Coup ist mit Gerolsteiner Linée ein in den Geschmacksrichtungen Ananas-Zitronengras, Litschi-Limette und Mango-Grapefruit erhältliches "natürliches Vitalgetränk", das im Sinne des Functional Food mehr kann als nur den Durst löschen. Was nämlich? Es "stabilisiert den Energiehaushalt" (Etikett vorne). Präziser: Es "hilft den Blutzucker und damit den Energiehaushalt zwischen den Mahlzeiten zu stabilisieren" (Etikett Seite). Oder anders: "Es stabilisiert den Energiehaushalt und überbrückt auf gesunde Weise die Zeit zwischen den Mahlzeiten" (Etikett hinten). Ein Diagramm "typischer Energiehaushalt" auf der Rückseite zeigt zudem die "Schwankungen bei unausgewogener Ernährung" (rote Kurve) im Gegensatz zum "Stabilen Verlauf bei ausgewogener Ernährung und mit Linée" (grüne Kurve), wobei unklar bleibt, welcher Anteil der Glättung auf die ausgewogene Ernährung, welcher auf das Produkt entfällt. Den Beitrag dazu leisten jedenfalls "langsame Kohlenhydrate aus Rüben, die vom Körper langsam und länger genutzt werden können".

Schöner, das muss man der Innovations- und Marketingabteilung von Gerolsteiner allemal lassen, ist Rübenzucker selten verbal verpackt worden. Fehlt eigentlich nur noch ein Getränk ähnlicher Bauart, das neben dem Energiehaushalt zusätzlich auch den Koffeinhaushalt stabilisieren hilft. Es könnte zur Abwechslung einmal braun sein.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Single Cola, Single Cask


18.07.2007 | 14:04 | Was fehlt | Essen und Essenzielles

Fütter mich!


Profibakterienesser im Anmarsch (Foto: fillyjonk) (Lizenz)
So schön der Bakterienzoo auf den ersten Blick wirkt, es fehlen doch Actionelemente, Fütterungszeiten zum Beispiel. Die populären Fleischfressenden Bakterien bieten sich an, scheiden aber aus, weil sie die meiste Zeit unter der Haut verbringen, die Gäste würden sie schnell abwählen.

Für die Eltern wäre der dekorative Bewuchs von Brot und Kühlschrank wohl interessanter, leider zeichnen dafür in der Hauptsache Pilze, also überhebliche Eukaryoten, verantwortlich, für einen sortenreinen Bakterienzoo ein Unding. Jede anständige Familie ginge bald wieder in einen Vogelpark. Stattdessen sollten die Bakterien sich lieber selber fressen, Bdellovibrio bacteriovorus liefert was fürs Auge, mit Mikroskopen kann man ihm beim Fressen anderer Bakterien zuschauen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Erneuerbare Niedlichkeiten


10.07.2007 | 03:13 | Essen und Essenzielles

Water goes anywhere


Quelle (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wir leben in wundervollen Zeiten. Früher zum Beispiel hatten die Leute nur drei Sorten Wasser: sauberes Wasser, dreckiges Wasser und Wasser, in dem das tote Pferd liegt. Heute dagegen gibt es Wasser ohne Gas, mit Gas, ohne Mineralien, mit Mineralien, ohne Geschmack und seit circa letztem Jahr auch mit Geschmack (wir berichteten). Und weil Geschmack nun auch nicht das Gelbe vom Ei ist, gibt es Volvic-Wasser nun auch mit Kick-Geschmack, oder genauer gesagt mit Kick-Flavour, und heisst dann Volvic Revive (Achtung, grauenvoll infantiler Flash-Dreck). Klingt soweit okay, aber was soll "Kick" genau bedeuten? Kinderleichte Frage, denn bei einem Kick handelt es sich in Zeiten der antiautoritären Erziehung, wie jeder weiss, um einen Zuschuss aus Guarana, Ginseng und Koffein. Wir erleben hier also die Hochzeit von Wasser mit Geschmack (in gekickter Form) und Energiedrink, der ja per se über einen Kick und (leider) auch über Geschmack verfügt, oft von toten Pferden, womit der Kreis sich schliesst. Früher hätte man über solche Scherze nicht lachen können.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Marula, warum?


07.07.2007 | 23:10 | Anderswo | Was fehlt | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Rosenlassi


Schmeckt wie Softporno und frisch gebadet (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schon seit geraumer Zeit nähert sich die Abteilung Körperpflege im Supermarkt dem Milchregal an bzw. bezieht seine Impulse für neue Geschmacksnoten von dort. Dass diese Fluktuation nicht nur in einer Richtung funktioniert, beweist die Schweizer Supermarktkette Coop mit einer gewagten Neuheit: Rose Lassi bezieht sein Aroma aus zehn Prozent "wässrigem Auszug aus Rosenblüten" und einer nicht näher bezeichneten Menge Rosenöl. Das Faltblatt im Deckel belehrt uns, dass für zehn Gramm dieses kostbaren Duftstoffes einhundert Kilogramm Rosenblätter benötigt werden – dafür erscheint der Preis von 1,95 Franken mehr als angemessen, wobei die Tatsache allein das Getränk noch keineswegs geniessbar macht.

Wer nun aber beim Stichwort Rosenöl unwillkürlich an Pudelschampu denkt oder den Geruch in der Wohnung der trutschigen Grosstante assoziiert, ist eindeutig auf dem Rosenholzweg. Tatsächlich entwickelt das an sich schwülstige Rosenaroma in Verbindung mit dem salzigen Joghurt einen irisierenden Akkord, der eine Tür in völlig neue sensorische Regionen aufstösst: das Feld des Erotischen und der Körpersäfte nämlich. Auch wenn der Vergleich mit Blümchensex an dieser Stelle etwas zu weit führen würde, lässt sich der komplexe Abgang doch wohl am ehesten damit beschreiben, wie es wäre, Kleopatras Badewasser zu trinken, dem die Sonnenkaiserin nach einer langen und anstrengenden Nacht mit wechselnden Liebhabern soeben entspannt und rein wieder entstiegen ist. Wer auf solcherlei Phantasien steht, wird auch auf den Rose Lassi komplett abfahren.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Food & Non-Food Full Circle


06.07.2007 | 12:28 | Essen und Essenzielles

Kracherlbohème


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Bei kaum einer menschlichen Betätigung kann man so viel falsch machen wie beim Trinken. Trinkt man falsch, verschluckt man sich, trinkt man gar nichts, stirbt man, und wer das Falsche trinkt, stirbt entweder auch oder wird über Monate hinweg von der Presse verhöhnt. Eine kleine Auswahl aus den Pressearchiven der ZIA:

"Holm Friebe (34) und Sascha Lobo (31) ... servieren Bionade und eine These" (Welt),
"selbstverständlich wird zum Gespräch ... das Konsensgetränk Bionade gereicht" (Gunnar Lützow irgendwo),
"'Der Betrieb', sagt Kathrin Passig in einem Berliner Hinterhof (...) und vor ihr steht eine Flasche mit Bionade" (ZEIT),
"(Kathrin Passig) sitzt im Berliner Stadtteil Kreuzberg neben ihrem Büro in einem lauschigen Hinterhof und blinzelt in die Sonne. Es gibt Holunder-Bionade ..." (taz),
"Im Café St. Oberholz am Rosenthaler Platz (...) trifft sich die digitale Bohème – bei analoger Bionade." (Berliner Zeitung),
"Typisch für ZIA sind Projekte ... die ZIA im Bionaden-Bürgertum einen der vorderen Plätze gesichert haben." (Süddeutsche)

Und droht man Journalisten damit, dass es gar nichts zu trinken gibt, wenn sie nicht vom Bionadenklischee lassen können, dann steht hinterher im Artikel: "Nach dem Interview in Berlin bestand (Kathrin Passig) darauf, hier nicht zu erwähnen, dass sie während des Gespräches Bionade trank." (Neon, Juli 07). So kann es nicht weitergehen. Entweder entschädigt man uns künftig für unsere Tätigkeit als Provinzlimonaden-Propagandisten mit Schmerzensgeld und Sponsorenleistungen, oder aber wir müssen drastische Massnahmen mit Marillengeschmack (siehe Abbildung) ergreifen. Einzige Quelle in Berlin scheint derzeit das Neuköllner Traditionslokal "Ä" zu sein (Distinktionsgewinn!), das wunderbare Getränk enthält 1,8% Marillensaft aus Konzentrat sowie allerhand feine Aromen, Konservierungsmittel und Farbstoffe (Abschied vom Öko-Vorwurf!), und bis die Wachauer-Kracherl-Bohème von der Presse entdeckt wird, hat man sicher noch ein paar Wochen Ruhe.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Me-Too-Nade


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