Riesenmaschine

28.08.2006 | 05:02 | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Reality, das wars dann wohl


Wirklichkeit, wo ist Dein nächstes Level? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Bevor das Internet erfunden wurde, war das Universum ja eine ziemlich grosse Sache. Ganz verstanden hat man es jedoch über die Jahre nie, dieses Hin und Her mit Theorien, Verstehen und Forschen. Wieso können wir nicht einfach friedlich miteinander auskommen? Dort die Welt, hier die Menschen, es ist genug Platz für alle da. Aber nein, jahrtausendelang mussten Newton, Einstein und der Mann im Rollstuhl ihre Persönlichkeitsprobleme an der realen Welt auslassen. Mit zweifelhaftem Erfolg – bis heute konnte niemand (Descartes gilt nicht) einigermassen schlüssig beweisen, dass sie überhaupt existiert, diese Wirklichkeit.

Daher ist man endlich sehr froh, dass jemand mit Stil und Würde die Angelegenheit zu Ende gebracht hat. Genaugenommen Sir Roger Penrose, dessen The Road to Reality – a Complete Guide to the Laws of the Universe (no less!), zwar schon seit einigen Monaten auf dem Markt ist. Aber so lange dauert es dann auch, bis man einsieht, dass man nie über Seite 112 (es sind ingesamt über 1000) hinauskommen wird. Stattdessen legt man das grössenwahnsinnige Werk an sein Bett und ist jedesmal froh und glücklich, wenn man es ansieht. "This is a tour de force that is unlikely to be bettered this decade", achwas, decade, this Hubble time (13,7 Mrd. Jahre)! Immer mal wieder erwischt man sich dabei, das Buch irgendwo weit hinten aufzuschlagen, nur um sicherzustellen, dass es nicht bloss aus weissen Seiten besteht ("laws of the universe", haha, am Arsch, das kennt man ja). Nur um dann dort, auf Seite 896 zum Beispiel, Sätze wie den folgenden zu finden, an denen man dann die nächsten Monate kauen kann: "String theory has the remarkable property of predicting gravity." Glad this issue is settled.


15.08.2006 | 18:34 | Supertiere | Alles wird besser | Papierrascheln

Evolution umgekehrt: Macht aber nichts


Bildunterschrift sieht so ähnlich aus wie eine Bildunterschrift unter einer Maus vor 500 Millionen Jahren (Foto: Roxeteer / Lizenz)
500 Millionen Jahre Evolution für nichts und wieder nichts? Die Herren Tvrdik und Capecchi haben Mäusen ein rekonstruiertes Hox-Gen aus dieser Zeit untergejubelt, eine Art Gen also, das allerlei grundlegende Mechanismen in der Embryonalentwicklung regelt und gewöhnlich nicht für Scherze zu haben ist. Ergebnis: Die modifizierten Mäuse ähnelten den gewöhnlichen von heute aufs Haar. Jedenfalls berichtet dies die BBC mit journalistischer Straffung der Originalergebnisse, andere verstehen unter "ähnlich" sichtbare Unterschiede. Griffiger wäre es ohnehin gewesen, wenn die antiquierte Maus mit ordentlich Hörnern, extra Beinen und Dinosaurier-Kaltmach-Krallen geglänzt hätte. Dann müssten die Autoren auch nicht mit "Wir haben die Evolution umgekehrt" zitiert werden, um ein bisschen Bohei um die Arbeit zu machen. Glücklicherweise dürfte es den interessierten Lesern möglich sein, die Aussagen von Capecchi aus den unterschiedlichen Artikeln zusammenzubauen. Evolutionsbiologen haben dazu schöne Algorithmen entwickelt.


12.08.2006 | 13:46 | Anderswo | Supertiere | Papierrascheln

Pop Frosch


"200 Jahre später: Wegen Umweltverschmutzung mutierter Frosch"
Wenn das so weitergeht mit der Umweltverschmutzung, dann werden Frösche in zweihundert Jahren da einen Scheisshaufen haben, wo früher ihr Kopf war. Das entnehmen wir jedenfalls dem vom Liaoning Science and Technology Publishing House herausgegebenen POP-Buch Nummer 13. POP-Bücher werden in China nicht von Nick Hornby geschrieben, sondern enthalten – vornehmlich gezeichnete – Vorlagen für das schnelle, selbst gemachte Plakat. Schwerpunkt von POP-Band 13 ist die Plakat- und Wandzeitungsgestaltung im öffentlichen Interesse, weshalb auch dieser Froschplakatvorschlag mit einem Appell endet: "Bitte schützt unsere grüne Erde." Gut gemeint, das Ganze, aber letztlich kontraproduktiv. Jedes Kind zumindest würde die Umwelt extra kräftig verschmutzen, käme dabei am Ende ein lustiger Scheissefrosch heraus. Die Riesenmaschine übrigens auch.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


09.08.2006 | 11:52 | Anderswo | Papierrascheln

Eccentric America


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Einerseits ist das Originelle, Interessante und Exzentrische Lockstoff für Langweiler, und Fachleute meiden die Orte, an denen der Schleim der Interessanz klebrigbunt aus dem Boden quillt. Andererseits aber enthält der Reiseführer "Eccentric America" (eccentricamerica.com) neben ca. 950 Hinweisen auf verdammenswerte Kleinstadtparaden mit Froschmotto und Fledermausdevotionalien-Shops eben auch Informationen über das herrliche Forevertron, den vielleicht, vielleicht auch nicht, einzigen Grund, nach Wisconsin zu fahren. Als Amerika-Reiseführer eignet sich das Buch nur für hartgesottene Sam&Max-Fans, aber wer nach fremdenverkehrsbefördernden Konzepten für unattraktive Kleinstädte ("Future Birthplace of Captain Kirk" werden) oder Beschäftigungsideen für die Rente (Petersdom 1:1 aus leeren Flaschen nachbauen) sucht, wird hier fündig. Und für den Connaisseur gibt es Orte von vorbildlicher Langweiligkeit wie das Sandpapiermuseum von Minnesota (200 Sorten Sandpapier in 30.000 Farben).

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Appendix der Wahrnehmung


06.08.2006 | 12:09 | Nachtleuchtendes | Sachen kaufen | Papierrascheln

Die Intensität der Normaldusche


Bringt Väter zum Weinen: zu wenig Speicherplätze (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Jeder kennt das: Man sitzt bei Freunden auf dem Klo und sucht vergebens und zu spät nach den Feuchttüchern. Nur unfreundliches, wenn auch ökologisches Toilettenpapier, hergestellt aus den alten Zeitungen wildfremder Menschen, hängt traurig an der Wand und automatisch denkt man: Ob meine Freunde wohl auch mit Papier duschen?
Wir wollen nicht darüber spekulieren, was spätere Generationen darüber denken werden, dass es Zeiten gab, in denen jede Wohnung zwar mit einer Dusche ausgestattet war, man sich aber einige Körperregionen mit trockenem Altpapier reinigte, wir wollen vielmehr den vermehrten Einsatz von Toiletten mit integrierten Duschen fordern. Zum Beispiel jene der Firma closomat, für die Hans Maurer bereits 1957 das erste Dusch-WC baute. Namentlich fordern wir die vermehrte Anwendung des Modells 'Aquaris' – denn nur hier ist neben Selbstverständlichkeiten wie der speziellen Lady-Dusche, der pulsierenden Dusche, der oszillierenden Dusche, der Dusche mit "Kneipp"-Effekt, der einstellbaren Intensität der Normaldusche, der unterbrechbaren Geruchabsaugung mit Aktivkohlefilter, der automatisch absinkenden Föntemperatur des Warmluftgebläses, dem integrierten Orientierungslicht, der akustischen und der interaktiven Diagnose und der automatischen Desinfektion des Duscharmes eine Wellness Management Unit erhältlich, mit der drahtlos 'Volumenstrom und Mediumtemperatur' nicht nur geregelt, sondern auch für bis zu vier Benutzer als persönliches Profil gespeichert werden können.

Bis zu vier Benutzer? Hier sind bei aller Begeisterung dann doch deutliche Worte der Kritik angebracht. Abgesehen davon, dass vier eine jämmerlich kleine Anzahl ist – jedes japanische Billigradio hat mindestens neun Senderspeicher – bringen es sensible Gemüter ja schon kaum übers Herz, die Telefonnummern verstorbener Freunde aus dem Handyspeicher zu löschen. Wieviel schmerzhafter es dann für einen Familienvater mit zwei Kindern sein muss, auf dem Klo sitzend das von der verstorbenen Ehefrau so sorgfältig angelegte Benutzerprofil des closomaten zu löschen, weil die neue Freundin einen eigenen Speicherplatz beansprucht – das sind Vorstellungen, von denen wir wirklich lieber verschont geblieben wären.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Closomat


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