Riesenmaschine

29.09.2005 | 17:04 | Supertiere | Alles wird besser

Genom, Sprache, Perspektiven für die Jugend


Foto: mogun23 / Lizenz
Dass Drosophilae von Genforschern gerne mal jovial "Cheap Date" genannt werden, wenn sie keinen Alkohol vertragen oder "klaut bei Aldi" heissen, nur weil man ihnen das Portemonnaie weggezüchtet hat, ist ja nichts Neues. Dass allerdings mit dem Schwinden der ersten Euphorie für Biotech-Aktien auch die fortschrittliche Namensgebungstechnik schwer gelitten hat, bestätigt sich in einer in den Proceedings of the National Academy of Sciences publizierten Studie des Kennedy Krieger Institutes.

Schockiert erfahren wir darin, dass das dort untersuchte Haarlosigkeits-Gen einfach als "Hairless" bezeichnet wird. Und dass dies möglicherweise sogar sein Gutes hat. Denn wie Fotos belegen, konnte die Molekularbiologin Catherine C. Thompson in ihrer Studie durch den kombinierten Einsatz ausgesprochen fantasielos benannter Proteine ("Hairless", "Wise") kahle Mäuse ohne Umweg über Sozialarbeit und Pädagogengequatsche direkt vom Skinhead zum Hippie langweilen. Respekt!

Ira Struebel | Dauerhafter Link


25.09.2005 | 04:16 | Supertiere | Vermutungen über die Welt

Teuflische Ameisen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Grundsätzlich gibt es zwei Sorten von Lebewesen (siehe Friebe & Passig 2005): Die einen, nennen wir sie die Biberartigen, kann man hinbringen wo man will, sie werden sofort anfangen, alles umzubauen – Vorgärten anlegen, Flüsse begradigen, den Weihnachtsbaum schmücken, Gardinen aufhängen, Tiere domestizieren. Nur in einer selbstgefertigten Umgebung fühlen sie sich wohl. Den anderen, vielleicht am ehesten als Rattenartige zu beschreiben, ist es völlig egal, in welchem Dreckloch sie wohnen, denn für sie gibt es nur vier wichtige Dinge im Leben: Essen, Fortpflanzung, Essen und Fortpflanzung. Bei der Bewertung dieser grundverschiedenen Überlebensstrategien wurde bisher oft argumentiert, dass Ratten im Gegensatz zu Bibern noch nie und nirgendwo vom Aussterben bedroht waren, was vielleicht irgendwas zu bedeuten hat.

In der aktuellen Ausgabe von Nature wird dieses Argument nun widerlegt, und zwar von Ameisen, die man wohl kaum als Survival-Schwächlinge bezeichnen kann. Im amazonischen Regenwald gibt es Regionen, sogenannte Teufelsgärten (siehe Bild), in denen nur eine einzige Sorte Baum wächst, natürlich wegen irgendwelcher Dschungeldämonen (im Bild leider nicht gut erkennbar). Wie die Ameisenspezialisten vom Gordon Lab jetzt herausfanden, hören die Dämonen auf den eindrucksvollen Namen "Myrmelachista schumanni", eine Ameisenart, die kurzerhand mit einem hauseigenen Herbizid alle anderen Pflanzen vergiftet, bis nur noch die Bäume übrig sind, in denen sie wohnen wollen. Das ist eine ziemlich brutale Variante der Weltveränderung, in ihrer Unverfrorenheit eigentlich nur vergleichbar mit der kommunistischen Weltrevolution oder dem "British Empire". Weltveränderung muss also nicht zwangsläufig die Arterhaltung bedrohen.

Um den Überblick zu behalten, unterteilen wir hiermit die Biberartigen in ameisenartige und nicht-ameisenartige Biberartige. Beide sind wesensverwandt und verfolgen letztlich ähnliche Ziele, aber während die nicht-ameisenartigen ruhig und unermüdlich ihren Schrebergarten umgraben und Rassekaninchen züchten, gehen die ameisenartigen Biberartigen für ihr Hobby über Leichen. Es ist nicht unsere Aufgabe, moralisch über irgendeine Lebensweise zu richten, denn wer noch nie eine Ameise zertreten hat, weil sie das Lebensgefühl störte, der werfe den ersten Stein. Vorsichtig.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


24.09.2005 | 16:18 | Nachtleuchtendes | Supertiere | Alles wird besser

Leuchtsperma


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Erst kürzlich behaupteten wir, das fluoreszierende Quallenprotein GFP sei mittlerweile wirklich überall eingebaut, da belehrt uns sexblo.gs eines Besseren: Sperma! An der Oxford University wird also seit kurzem Hamstersperma produziert, das unter dem Mikroskop bei Licht von einer bestimmten Wellenlänge betrachtet grün leuchtet. Ob damit die Ursachen menschlicher Unfruchtbarkeit erforscht werden oder die genmodifizierten Hamster als Zeitschriften-Gimmick dienen sollen ("Der Grusel-Hamster! Sein Sperma leuchtet im Dunkeln unheimlich grün!"), ist letztlich egal. Die eigentliche Frage lautet in diesem Zusammenhang, warum die Natur vorausschauend so herrliche Proteine erdacht hat, bevor sie Gentechnik, Hamster und Mikroskope erschuf. Einfach nur, um zu beweisen, dass Darwin Recht hatte? Und wie lange sollen wir noch warten, bis bunte Leuchtproteine anstatt in Hamsterhoden dort eingebaut werden, wo es zählt, also in Leuchtjoghurt und quallenbetriebene Fahrradbeleuchtung, die einmal die Woche mit Tetramin gefüttert werden muss? Nichts gegen die Evolution, aber ein bisschen schneller könnte sie manchmal ruhig vonstatten gehen.


20.09.2005 | 21:07 | Supertiere | Papierrascheln

Vice, die zweite


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an der Sprache, aber kann das sein, dass die Dinge nur deshalb dümmer, platter und aufgesetzter wirken, weil sie in Deutsch und nicht in Englisch formuliert wurden? Oder hat es dann doch mit den Dingen selbst zu tun? Jedenfalls verdichtet sich das leise Unbehagen, das wir bei der ersten deutschsprachigen Ausgabe des von uns hoch geschätzten Vice-Magazin verspürten, jetzt bei der zweiten Nummer, zu einer massiven Skepsis – und das, obwohl es um unser Lieblingsthema Tiere geht. Während der in deutscher Zunge abgefasste Aufmacher "Bastard-Power", ein mit deplazierter Verve vorgetragenes Plädoyer für die Durchmischung der Rassen, uns mit seiner aufgesetzten Schnodderigkeit ("Ich weiß, Hitler rotiert gerade in seinem Grab") sachte gähnen macht und mit seiner Ad-hoc-Biologie, die dabei schnurstracks wieder im Biologismus landet ("Warum überrascht es uns, dass ein Genpool durch Inzucht trübe und eklig wird? Hin und wieder braucht es einfach etwas frisches Wasser, um den ganzen Scheiß, der sich am Boden absetzt, wieder rauszuspülen.") gar ein leises Ennui hervorruft, macht uns beim englischen Originalbeitrag "Hammerheads = Bullshit", ein fulminanter Erklärungsversuch des Hammerhais und anderer Freaktiere, bald jede Zeile feixen. Wie Franclin Costa sich darin zu einer intuitiv gestützten Revision von Darwin versteigt ohne dabei in die Intelligent Design-Falle zu tappen, einfach indem er den bislang unterrepräsentierten Faktor Durchgeknalltheit ins Feld führt ("I'm not saying that Darwin was utterly wrong. I'm just saying that Darwin was only part of the story – like 50 percent of the picture. You also need an element of craziness, where weird things just sprout out of animals for no particular reason.") – doch, doch, das hat schon eine gewisse ragende Größe und obendrein Plausibilität. Den Rest haben wir noch nicht gelesen. Wie auch immer. Die Fotos sind jedenfalls wieder mal ziemlich gelungen, egal in welcher Sprache.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Vice, die Erste


13.09.2005 | 03:16 | Anderswo | Supertiere

Schwarzenblogger


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Dass Arnold Schwarzenegger jetzt schon seit geraumer Zeit das reichste und bevölkerungsstärkste Bundesland der USA regiert, wird nur der bemerkenswert oder gar surreal finden, der rührend antiquierten Vorstellungen über Politik, Wirtschaft, Medien und ihren wechselseitigen Bedingtheiten anhängt. Dass aber der Governator, wie ihn seine Untertanen liebevoll nennen, seit Juni in seiner offiziellen Funktion wöchentlich im schönsten Austroamerikanisch podcastet und in diesen Radioansprachen dann auch noch am 13. August ein biederes kleines Loblied der Fitness singt, macht doch ein klein wenig freudetrunken. Prost.


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