01.08.2005 | 05:37 | Selbstversuche | Zeichen und Wunder
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)In zehn Tagen wird nach langer Verzögerung auch in deutschen Kinos "Sin City" anlaufen, ein Film, über den anderswo bereits alles gesagt wurde. Weil "Sin City" zu 90% aus Gewaltdarstellung besteht (obwohl stark stilisiert oder, wie manche gar behaupten, subtil), räumt der Film reihenweise Ratings ab, die knapp am Verbot vorbeischrammen. Endlich gibt es somit mal wieder einen Grund, die schon lange nicht mehr gehörte Debatte über die Verantwortung des Mediums für den Konsumenten (oder so ähnlich) loszutreten, oder anders ausgedrückt: Werden wir denn am Ende alle verrohen? Im Falle von "Sin City" erhält die Diskussion neuen Zündstoff, denn jemand in Australien hat einem anderen die Nasenspitze abgebissen, und zwar im Rahmen einer Diskussion über die "Qualität und Gewaltdarstellung" des Filmes. Verroht uns also das Medium oder die Diskussion über die Verrohung des Mediums? Verwirrend. Namhafte Riesenmaschinenautoren haben, einfach um sicherzugehen, dem Film mehrfach vorab betrachtet und hinterher ganz genau das Verhalten der "Konsumenten" beobachtet. Einmal zog sich ein junger Mann gleich nach der Vorführung in aller Öffentlichkeit fast komplett aus, ansonsten aber geschah nichts Bemerkenswertes. Aufgrund dieser empirischen Erhebungen neigen wir dazu, auf das anstehende alberne Gerede mit dem Satz zu antworten, den Mickey Rourke auf dem elektrischen Stuhl seinen Peinigern entgegenwirft: "Ist das alles, was ihr zu bieten habt, ihr Weicheier?"
01.08.2005 | 01:54 | Sachen kaufen | Sachen anziehen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Jeder vernünftige Technologiekonzern sperrt ein paar Drogensüchtige in irgendeine 60er Jahre Science-Fiction-Filmkulisse, gibt ihnen Buntstifte und Papier und vermarktet das Ganze in der Presse als "Future Lab" oder "Design Lounge". Nokia hat eine solche Einrichtung selbstverständlich auch, praktischerweise in den Niederlanden, wo mit halluzinogenen Pilzen und Haschisch zwei beliebte Design-Drogen legal sind und wahrscheinlich sogar von der Steuer abgesetzt werden können. Die neuste Entwicklung aus den vernebelten Kammern des Handyherstellers ist ein Bluetooth-Armband namens Strap-Up, das ohne weitere Erklärungen sicher den hier genannten Wettbewerb gewönne. Die weiteren Erklärungen folgen jedoch: es handelt sich um ein Gerät, das direkt mit dem eigenen Handy und darüber mit der ganzen Welt kommuniziert. Vermutlich mit Hilfe gyroskopischer Mikrokreisel kann der geneigte User Bewegungsabläufe im Armband speichern, die bei Ausführung automatisch SMS, Bilder und Töne versenden. Während eines Meetings muss also nicht mehr langwierig eingetippt werden "Ich kann gerade nicht SMSen, ich bin in einem Meeting", sondern man kann ganz simpel den Arm schnell hin und her, hoch und runter schleudern und schon versendet sich die Message von ganz allein. Aber auch die direkte Umgebung des Trägers wird kommunikativ versorgt. Die ruckartigen Bewegungen mit einem bunt blinkenden und polyphon piependen Armband zeigen weltweit an: Achtung, ich bin ein Vollidiot.
01.08.2005 | 00:37 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Irgendwo da draussen sitzen ein paar dutzend Ingenieure zusammen und haben diesen Wettbewerb laufen: "Wer verbluetoothed & verwirelessed die beklopptesten Gegenstände?" Nachdem der Mann von Motorola gerade erst die Führung mit der Bluetooth-Brille übernommen hatte, muss er sie jetzt schon wieder an die Fujitsu-Vertreter abgeben. Die haben einen wireless-Computer an einen Einkaufswagen montiert, der unter anderem mit einem Supermarktnavigationssystem aufwartet, das einem jederzeit den Weg zum nächsten Knäckebrot zeigen kann. Dazu kommt ein Preischeck-Barcode-Scanner und vor allem das beliebte Kochrezepte-Feature, das ja, etwa bei Marketing-Communities, Portalen und Ähnlichem seit 1998 stets als Killerapplikation fungiert, wenn einem gar nichts mehr sonst einfällt. Ebenfalls speichert der Computer den eigenen Einkaufszettel, den man ihm vorher auf den üblichen verschiedenen elektronischen Wegen zukommen lassen konnte. Und seien wir ehrlich – wie gross war schon lange der Wunsch in uns allen angesichts der Papiereinkaufszettelplage, an dieser Stelle endlich eine digitale High-End-Lösung zu finden? Die winzigen, rein theoretischen Unannehmlichkeiten und Gefahren wie Einkaufswagenabsturz, Akku-Leere oder Datenmissbrauch über die einzuführende Kundenkarte sind allenfalls für die üblichen notorischen Fortschrittfeinde überhaupt erwähnenswert. Äusserst erwähnenswert wäre dagegen die Antwort auf die Frage, was für einen Alltagsgegenstand dereinst der Gewinner des oben genannten Wettbewerbs herstellen wird. Eventuell ein Bluetooth-Gebiss. Das würde ja auch vom Namen her passen.
31.07.2005 | 22:53 | Supertiere | Was fehlt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Immer noch wissen wir viel zu wenig über die Matamata-Schildkröte. Im deutschen Netz zum Beispiel existiert dieses faszinierende Tier überhaupt nicht, obwohl es in Amerika nach Delphinen und Waschbären als neuer Topstar gilt, und mittlerweile (in Nachfolge des Nacktmulls) als "hässlichstes Tier der Welt" glorifiziert wird. Hier drei Gründe, warum wir nachziehen sollten: 1) Matamata ist zwar eine Schildkröte, aber auch ein bisschen ein Krokodil. 2) Sie isst nicht, sondern saugt. 3) "Matamata" heisst auf deutsch "sie tötet, sie tötet", und zwar abundzu mal einen kleinen Fisch, sonst lebt sie eher zurückgezogen. Abschließendes Urteil aus Grzimeks Enzyklopädie: "Eine ausgewachsene Matamata mit ihrem 45cm großen Schild sieht nicht aus wie ein lebendes Reptil, sondern eher wie ein Bild aus einem wirren Traum."
31.07.2005 | 12:46 | Anderswo | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt
 Wie es um den ästhetischen Fortschritt in den letzten 35 Jahren bestellt ist, davon kann man sich derzeit im vierten Stock der „Beijing Planning Exhibition Hall" ein Bild machen. Dort ist das begehbare Modell eines „Zukunftshauses" ausgestellt, das die britische Stararchitektin Zaha Hadid entworfen hat (u.a. Vitra-Feuerwache, Weil am Rhein; Contemporary Arts Center, Cincinnati; Stage Design für die Pet Shop Boys World Tour 1999/2000). Das schöne weisse Interieur aus Hartplastik erinnert uns verdammt an die Ausstattung der 1968 bzw. 1971 gedrehten Kubrick-Filme „2001: A Space Odyssey" und „A Clockwork Orange". Ähnlich gestylte Zukunftshäuser (z.B. das "Futuro"-Haus der Finnen Suuronen und Ronkka) waren zu dieser Zeit übrigens auch in Deutschland zu sehen: Auf der ersten (und leider auch letzten) „Internationalen Kunststoffhausstellung", die 1971 in Lüdenscheid stattfand.
Die „Ika `71" warb seinerzeit mit dem Satz „Es ist nicht weit bis Lüdenscheid". Entschieden weiter scheint der Weg zu einer neuen architektonischen Ästhetik zu sein, wie man eben jetzt in Peking, dem Lüdenscheid von heute, deutlich sehen kann. Bis er beschritten worden ist, gehen wir einfach mal davon aus, dass unsere Zukunft in der Vergangenheit liegt, wo sie gerade mal drei Jahre dauerte. Aufregend ist das nicht, besonders nicht für alle, die heute etwas jünger sind. Für die Älteren unter uns (so ab Jahrgang 1950, dem Geburtsjahr von Frau Hadid) aber haben Zukunftsvisionen wie diese etwas anheimelnd Beruhigendes.
... 555 556 557 558 559 [560] 561 562 563 564 565 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Ohrensessel
- stille Feiung
- Zeitvertreib
- Lichtnahrung
SO NICHT:
- Fächerfachgeschäft
- Pestizidtrunkene Mücken
- fiese Darmgebrechen
- Augenringe
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Burke and Hare", John Landis (2010)
Plus: 3, 11, 41, 42, 48, 74, 88, 132 Minus: 57, 61, 101, 146, 153, 173 Gesamt: 2 Punkte
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|