Riesenmaschine

16.08.2006 | 19:58 | Alles wird besser

Endlich echt bluten

Die erstklassige Do-it-yourself-Talentschmiede instructables.com macht zur Zeit auf ein äusserst kompetentes Kompendium zur Vortäuschung schwerer Verletzungen aufmerksam, für die man nicht mal eine schwere Verletzung braucht. Genau das ist ja oft der Punkt: Um nicht zur Schule zu müssen, den hundsgemeinen Ex-Freund zu bestrafen oder beim Literatur-Wettbewerb Aufmerksamkeit zu erregen, muss man ernsthaft zumindest die oberen Schichten der Haut zerschneiden, wovor viele schon mal zurückschrecken, weil es meist zu Schmerz und Pein und einer erheblichen Sauerei führt. Schluss damit. In einem offenbar mehrteiligen Kurs beschreibt die erste Folge das Anbringen von tiefen Fleischwunden in sechzehn attraktiv bebilderten Schritten, und zwar hochpräzise und detailreich. Wer möchte hinterher schon feststellen, dass es eher wie ein zerkratzter Mückenstich aussieht? In der nächsten Folge kommen dann Schusswunden dran. Go scare the crap out of your Bachmann-Jury!


16.08.2006 | 11:02 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Milch of consciousness


"White.Wet.Delicious."
(wsanders, Lafayette, CA) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Milch, ein Superzeug. Kühe ficken darin, Kinder lieben es, und auch Erwachsene der weissen Rasse, die sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte an den Verzehr angepasst hat, können Milch in kleinen Dosen vertragen. Seit neuestem gibt es Milch in grossen Plastikdosen auch über das amerikanische Amazon zu bestellen, ebenso wie andere frische und leicht verderbliche Lebensmittel. Und siehe da: Kunden, die Milch gekauft haben, haben auch Bananen, Weintrauben und Tomaten geordert.

Trotz der erstaunlichen Logistikleistung des Online-Versenders polarisiert die neue Frischelinie stark, wie sich aus den Kundenrezensionen entnehmen lässt. So moniert etwa ein VR aus Albuquerque, dass die Tuscan Whole Milk zur Dachabdichtung gänzlich ungeeignet ist, während Paul Foster aus Austin angibt, seinem Kätzchen seien nach dem Konsum Laserstrahlen aus den Augen geschossen. Mittlerweile ist der Strang auf knapp 700 Einträge angeschwollen – durchsetzt mit zahllosen Haikus und anderen inhaltlich wie formal ansprechenden Annäherungsversuchen an den Gegenstand. Wohl noch nie ist etwas bei Amazon so ausführlich und einfühlsam rezensiert worden. Auch die anderen Frischeprodukte erfahren eine ebenso fein verästelte wie kontroverse Würdigung, was sich in der Summe zu einer belastbaren Lebensmittel-Poetologie verdichtet, wie sie Richard Herzinger immer gefordert hat. Oder war es Rainald Goetz?


16.08.2006 | 01:59 | Anderswo | Sachen kaufen

No Sleep Till Bydgoszcz


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Whether we sleep or wake, the vast machinery of the universe still goes on.
Viel zu selten bedenken wir diese kluge Erkenntnis von Thomas Paine und wollen lieber 24 Stunden am Tag wach sein und emsig an der Beförderung der menschlichen Angelegenheiten arbeiten. Dass es Unsinn ist, ausgerechnet den Polen in dieser Sache geringere Überzeugung als z.B. den Schwaben zu unterstellen, ist lange bekannt und durch das nebenstehend abgebildete Produkt noch einmal belegt. Im zukunftszugewandten Nachbarland gibt man sich nicht mit halbherzigen Lösungen zufrieden, hier kann selbst Tschechien einpacken, denn "No Sleep" enthält ein solides Gramm Taurin pro 100 ml, dazu 100 mg Guarana und Koffein in vorsichtshalber (uwaga!) ungenannter Menge. Es färbt das Gehirn schön bunt, macht die Augen blau und lässt selbst krumme Autobahnen schnurgerade erscheinen. Grafiken mit Wellenlinien überzeugen noch den letzten Skeptiker. Wenn man im herrlichen Polen wohnt, ist jede Minute Schlaf eine verschwendete Minute.

(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


15.08.2006 | 18:34 | Supertiere | Alles wird besser | Papierrascheln

Evolution umgekehrt: Macht aber nichts


Bildunterschrift sieht so ähnlich aus wie eine Bildunterschrift unter einer Maus vor 500 Millionen Jahren (Foto: Roxeteer / Lizenz)
500 Millionen Jahre Evolution für nichts und wieder nichts? Die Herren Tvrdik und Capecchi haben Mäusen ein rekonstruiertes Hox-Gen aus dieser Zeit untergejubelt, eine Art Gen also, das allerlei grundlegende Mechanismen in der Embryonalentwicklung regelt und gewöhnlich nicht für Scherze zu haben ist. Ergebnis: Die modifizierten Mäuse ähnelten den gewöhnlichen von heute aufs Haar. Jedenfalls berichtet dies die BBC mit journalistischer Straffung der Originalergebnisse, andere verstehen unter "ähnlich" sichtbare Unterschiede. Griffiger wäre es ohnehin gewesen, wenn die antiquierte Maus mit ordentlich Hörnern, extra Beinen und Dinosaurier-Kaltmach-Krallen geglänzt hätte. Dann müssten die Autoren auch nicht mit "Wir haben die Evolution umgekehrt" zitiert werden, um ein bisschen Bohei um die Arbeit zu machen. Glücklicherweise dürfte es den interessierten Lesern möglich sein, die Aussagen von Capecchi aus den unterschiedlichen Artikeln zusammenzubauen. Evolutionsbiologen haben dazu schöne Algorithmen entwickelt.


15.08.2006 | 14:16 | Berlin | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser

Pet Architecture


Foto: World Photo Press/Atelier Bow Wow
In der Berliner Neuen Nationalgalerie ist zur Zeit anlässlich des noch immer laufenden Deutschlandjahrs in Japan die bereits an anderer Stelle erwähnte Ausstellung Berlin-Tokyo/ Tokyo-Berlin zu sehen. Neben viel zu vielen und etwas beliebig zusammengestellten Exponaten aus rund hundert Jahren gegenseitig beeinflusster Kulturgeschichte sowie einigem bonbonfarbigen Blendwerk finden sich auch ein paar sehr hübsche Ausstellungsstücke: Beispielsweise ein Film, in dem der Filmemacher einem gefangenen Tintenfisch Tokio zeigt und ihn mit dessen Bewohnern bekannt macht. Und natürlich das Pet Architecture Museum des Atelier Bow Wow, das diverse Beispiele für Pet Architecture aus dem Tokioter Alltag dokumentiert.

Pets, companion animals of the people, are usually small, humorous and charming. We find what we could call "Pet Architecture", architecture having pet like characteristics, existing in the most unexpected places within the Tokyo city limits, erklären die Bow-Wow-Leute ihre Namenswahl. Das funktioniert so: Wenn zwischen einem Gebäude und dem Bürgersteig noch 60 cm Platz sind, dann baut man seine Fahrradwerkstatt eben in den Massen 0,4 x sehr viele Meter. Hat man hingegen für sein Lagerhaus nur einen ähnlich proportionierten Streifen von Tokio, dann spezialisiert man sich halt auf entsprechendes Verkaufsgut, z.B. sehr lange Rohre. Auch die Behausungen der Obdachlosen in Japan sind im Pet Architecture Museum vertreten.

Und weil Tokio gross und vollgestellt ist, die Grundpreise hoch sind und die Bauaufsicht nachsichtig ist, gibt es schon längst genug dieser winzigen Bauwerke, um damit ein ganzes Buch zu füllen. Sammlungen von Pet Architecture in anderen Städten wurden ebenfalls begonnen, was sehr löblich ist und unbedingt nachgeahmt werden sollte – allerdings darf man die ganze Sache auf gar keinen Fall hiermit verwechseln.

Dieser Beitrag ist ein Update zu Deutsch-Japanische Luftwurzeln II und Furbyhaus.


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