Riesenmaschine

24.06.2007 | 14:54 | Sachen kaufen

Plastikflaschen aus Glas


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
2005 berichteten wir über Porzellangeschirr mit Goldrand im Stil von Alu-Einwegnäpfen, über Vasen im Plastikflaschen- und im Milchtütendesign und über Biergläser und Pommesschälchen aus Porzellan. 2006 tat sich auf diesem Sektor nicht viel, aber jetzt kommt der britische Anbieter SCP Furniture mit Glasflaschen in der Gestalt von Plastikflaschen, und es ist Zeit für eine vereinheitlichte Theorie des innenarchitektonischen Slumming. Nur welche? Bieten diese Haushaltsgegenstände uns die komfortable Möglichkeit, viel Geld auf einmal loszuwerden, ohne dass wir uns dabei gleich von den ästhetischen Massstäben unserer Erstsemesterzeit lösen müssten, lassen sie uns also jünger wirken, Faltencreme für die Küche? Oder ist in Wirklichkeit alles noch eine Metaebene komplizierter und die grossen Designer unserer Zeit beschäftigen sich mittlerweile ausschliesslich mit PET-Flaschen und Alugeschirrdesign und überlassen die klassischen Designerbetätigungsfelder Bücherregal, Weinaufbewahrungsregal, Wasserhahn, Sofa, Tasse irgendwelchen zum Designer umgeschulten Hilfskräften? So dass dann jemand kommen muss, der dieses Plastikdesign wieder ins Edelmaterial erlöst, um die ursprünglichen Zielgruppen anzusprechen? Ach, Mode, warum machst du alles immer so sinnlos kompliziert? Vielleicht war es doch eine gute Idee von der DDR, den Distinktionsgewinn zu verbieten.


24.06.2007 | 02:27 | Anderswo

Flederhaus


Fledermausgerüst (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Dass Architekten ganztags sinnlos an irgendwas herumdesignen, was es genau so schon nebenan und gegenüber gibt, ist ein bekanntes und oft beklagtes Problem vieler Grossstädte. Um den armen, netten und vom Aussterben bedrohten Geschöpfen unter die Arme zu greifen, hat die Stadt London das Bat House Project (vorher Javascript ausschalten, sonst ist das Unglück gross) ausgeschrieben, bei dem ein Wohngehäuse für Fledermäuse entworfen werden soll. Herkömmliche Architekturkunden leben nur selten kopfunter an der Decke und ertasten ihre Umgebung auch nur selten per Echolokation, so dass über die ästhetischen Vorlieben der Klientel nicht allzu viel bekannt ist. Elektrische Heizung und auch Belüftung werden jedenfalls gern angenommen, Lichteinfall von aussen gilt dagegen als dem Wohnkomfort abträglich. Wie echoverspiegelte Fassaden und kopfstehende Space-Invaders-Tapeten ankommen, wird man abwarten müssen. Teilnahmeberechtigt sind Säugetiere aller Altersgruppen und Kompetenzen, die ihre Entwürfe bis zum 10. September, 14:00 einreichen.


23.06.2007 | 20:23 | Nachtleuchtendes | Fakten und Figuren

Betrachtungen über den Klecks


Warmes Bauchgefühl schön und gut, aber muss man das denn auch noch unterstützen? (Foto: loneconspirator) (Lizenz)
Es ist billig, der Kernspintomographie an sich, und speziell ihrem klingelnden Gebrauch in der sogenannten Neuroökonomie eine Narrenkappe aufzusetzen. Bunte Flecken im Gehirn, Zentren für dies und jenes, für Geld, Gold und Glück, es ist eine zirkusgleiche Bedeutungshuberindustrie, die da um die selbst löbliche und lustig komplizierte Technologie gewachsen ist (für die es völlig zu Recht letztes Jahr den Nobelpreis gab, für die galoppierenden Interpretationen kann der Kernspin ja nix). Und weil das Billige meist ja auch recht ist, gehts jetzt los. In einer aktuellen Studie zum Dauermodethema Altruismus, publiziert in Science, fanden Forscher heraus, dass das Belohnungszentrum im menschlichen Gehirn aktiv wird, wenn man seine Besitzerinnen zwingt, vom Geld, das man ihnen vorher geschenkt hat, einen Teil für einen guten Zweck weiterzuspenden, und dass es aber noch viel aktiver wird, wenn man sie die Spende freiwillig machen lässt. Ganz begeistert schliesslich sind die Forscher davon, dass die Aktivität dieser Gehirnteile beim Geldempfang ihnen auch grobe Vorhersagen erlaubt, wer wieviel Geld wieder herschenken wird. Das klingt alles ein bisschen wie Zauberei und Gedankenlesen, und man möchte schon ergriffen zur Börse greifen und die Forschung selbstlos weiterfinanzieren. Aber sehen wir nur ruhig ein wenig genauer hin. Was haben wir wirklich erfahren? Wir haben erfahren, dass die, die sich über was Geschenktes mehr freuen, es weniger gern wieder hergeben. Und wir haben erfahren, dass Menschen möglicherweise uneigennützig spenden, weil sie sich dabei gut fühlen. Die Studie spricht vom warm glow, und meint dabei wohl nicht den roten Klecks auf dem Gehirn, sondern das gute Gefühl im Bauch, das man beim Klecksbetrachten bekommt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ansichten aus dem Nonneninnen


23.06.2007 | 11:54 | Supertiere

Schimpansen: abmakaken


Klüger als gedacht, dehnbarer als der Hegelsche Wahrheitsbegriff: Makak und Sohnkak. (Foto: genista) (Lizenz)
Der Mensch, am sechsten Tag als Schöpfungspublikum erschaffen, um Gott – dem angesichts der Seegurke und des Seetölpels erste Zweifel gekommen waren – zu bestätigen, dass es durchaus gut sei, gilt ja sehr zu Recht als Krone der Schöpfung. Selbstaufblasende Luftmatratzen, Bierpulver und der Göffel sind einmalig im Tierreich und zeugen von Überlegenheit und Herrschaftsauftrag des stolzen Zweibeiners. Einher mit dieser Sicht der Dinge ging bislang eine wohletablierte Hierarchie der Tierwelt. Würmer unten im Dreck, Uhus etwas höher auf Ästen, Delfine zwar nass, aber dafür schlau (Flipper!), und Schimpansen, dem gottesebenbildlichen Menschen gleichend, waren sozusagen die zweite Ableitung Gottes und damit Vizeweltmeister. Einen kleinen Knacks bekam dieses angenehm sortierte Weltbild erst in jüngerer Vergangenheit, als sich nämlich herausstellte, dass Makaken nicht nur über eine sogenannte Theory of Mind verfügen, also sich eine Vorstellung davon machen können, was in anderen so vorgeht (man bewies das, indem man ihnen die Wahl gab, Futter aus einem lärmenden und einem stillen Behälter zu stehlen. Sie bevorzugten den stillen, aber nur, wenn man sie nicht gleichzeitig sehen konnte), sondern auch verstehen, was eine menschliche Zeigebewegung soll – etwas anzeigen, nämlich. Diese kürzlich nachgewiesene semiotische Einsicht verbindet die Makaken mit den Hunden und Silberfüchsen, und trennt sie von den traditionell für weit überlegen gehaltenen Schimpansen, die mit einem ausgestreckten Zeigefinger rein gar nichts anzufangen wissen, ausser reinzubeissen natürlich. Saubere Vizekönige der Schöpfung, diese Schimpansen.


23.06.2007 | 00:24 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Noah und die veganen Fleischfresser


War Noah ein Öko? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Anachronismus ist, wenn man an das Heute den Massstab von früher anlegt und sagt, früher sei alles besser gewesen. Katachronismus ist, wenn man an das Früher den Massstab von heute anlegt und sagt: Früher war alles schlechter. Katachronismus ist es beispielsweise, wenn man meint: Die Bibel sei Mist, weil sie so unmodern unwissenschaftlich daherkommt. Präzise Begriffsdefinitionen und formallogische Klarheit sind aber eine theologische Erfindung, die es zur Zeit der Bibel einfach noch nicht gab. Zur biblischen Zeit war die Stimmung noch exaltierter und weniger pedantisch. So kommt es, dass in der Bibel paradoxerweise der Veganismus die Quelle allen Übels und zugleich die Errettung davon darstellt: Hätten Adam und Eva die Schlange gefressen, statt den Apfel, wäre die Welt noch in Ordnung – hätte aber Noah in der Arche die Tiere verspeist, wäre die Welt hingegen im Eimer.

Ein bisschen anachronistisch ist es auch, wenn Greenpeace auf dem Berg Ararat in der Osttürkei eine Arche Noah nachbaut, um damit gegen den G8-Gipfel und für die Umwelt zu demonstrieren. Denn am Berg Ararat setzte die Arche auf, als die Umweltkatastrophe der Sintflut bereits vorüber war (1 Mose 8,4). Katachronistisch dagegen ist die Meinung, derjenige, der damals die Schöpfung rettete, könnte nur ein moderner, tierfreundlicher Öko gewesen sein: Denn nicht nur die Bibel berichtet von der Sintflut, es gibt auch noch das Gilgamesch-Epos, in dem der uns bekannte Noah der sumerische König Utnapischtim ist. Und was macht Utnapischtim, bevor er mit seiner Arche die Anker lichtet: Er frisst (abgesehen von seinem Feldvieh) alles Leben und Getier in einer rauschenden Orgie auf.

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


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