Riesenmaschine

29.07.2007 | 13:28 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser | Vermutungen über die Welt

Nebenbei durchs Weltall


Sieht aus wie ein Schleimfleck, ist aber eine Babygalaxie -- Credit: NASA, ESA, and G. Miley (Leiden Observatory)
Qualitativ hochwertiges Prokrastinieren ist nicht einfach. Der Zeitvertreib darf einerseits nicht zu stupide sein (Sand in Flaschen füllen und wieder ausleeren), andererseits auch nicht zu kompliziert (Space Shuttle zusammenbauen), und er soll Anstand und Würde besitzen (also nicht "HOT or NOT" o.ä.). Man möchte einen kompetitiven Anreiz haben, ausserdem sozial eingebunden sein und – das ist meist die grösste Hürde – man will sich einreden können, etwas Sinnvolles getan zu haben in den ganzen vertrödelten Tagen. Sonst kann man am Ende hinterher nicht schlafen, und wach im Bett liegen ist sehr schlechte Prokrastination (jedenfalls alleine). Dies als allgemeine Einleitung zum Zeittotschlagen.

Wir erleben einen grossartigen Sommer, denn er bringt uns endlich die Optimallösung zur Vermeidung von richtiger Arbeit: Galaxyzoo heisst sie und versorgt uns für mehrere Hubble-Zeitalter mit Galaxien aus dem Sloan Digital Sky Survey, die es durch Augenschein zu klassifizieren gilt, mit Hilfe von schönen orangenen Buttons mit abgerundeten Ecken. Die zu bestimmenden Tierarten sind streng limitiert: Spiralen (linksdrehend/rechtsdrehend), Ellipsen, Merger und Sonstiges, und wenn man glaubt, das wäre nun wirklich blödsinnig einfach, dann soll man es bitte ausprobieren und anschliessend klein beigeben. Ein Ranking zeigt an, wer noch viel mehr Zeit verschwendet, man kann im Forum über fragwürdige Zoobewohner diskutieren, und wem das immer noch zu kleingeistig ist, der soll sich vor Augen halten, dass er mit jedem Klick viele Millionen Sterne und Planeten einfach so in eine Schublade legt, zusammen mit ihren vermutlich unappetitlich aussehenden Bewohnern. Am Ende hat "man" (die Community der unproduktiven Erdbewohner) womöglich bewiesen, dass das Universum einen Linksdrall hat, mit unaussprechlichen Konsequenzen.


27.07.2007 | 18:37 | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Die Freiheit des Drecks


Kaptialistische Freiheit, die ich meine (leicht abgewandelt nach Bolz) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Die unbesiegbare Kraft des Kapitalismus liegt zweifellos darin, so irrsinnig viel Quatsch zu produzieren, dass sich jeder den Privatquatsch aussuchen kann, den er für überlebenswichtig hält. Durch Nachdenken wären frühere Gesellschaftstheoretiker vermutlich nie darauf gekommen, was auch daran liegt, dass Kapitalismus kein Konzept ist, sondern eben das populistische Fehlen eines Konzepts. Dabei liegt es im Wesen, dass Produkte nicht automatisch erfolgreich sind, sondern erst der Markt, diese hirnlose Schimäre bestehend aus Mund, Auge und Greifhand, entscheidet, ob er zugreift oder nicht. Insofern ist es im Sinne des herrschenden Gesellschaftssystems vollkommen korrekt, eine CD zu produzieren mit den 20 nervigsten Songs, denn vielleicht handelt es sich dabei um exakt das Produkt, auf das die vielen Menschen dort draussen gewartet haben, ohne es zu wissen. Und wenn wir dereinst unsere Kultur verteidigen werden müssen gegen die anrennende Schar aus Extremisten, dann weiss jeder von uns, wofür er sich ins Schlachtgetümmel stürzt, nämlich für die Freiheit. Die Freiheit, so bescheuert sein zu dürfen, die 20 nervigsten Songs zu kaufen.


27.07.2007 | 12:21 | Fakten und Figuren

Please plug in my mouse, System Administrator

In Stirb Langsam 4.0 wird gezeigt, wie ein Hacker eine ganze Industrienation lahmlegt – was nicht weiter schwer ist, weil inzwischen vom Türschloss bis zum Joghurtbecher alles auf Computerbasis läuft und kein normaler Mensch mehr imstande ist, es im Notfall zu reparieren. Und auch wenn sich garantiert bald ein attac-Äquivalent gründet, das ein Ende der Computerisierung der Welt fordern wird, wird ebenjene unbeeindruckt weiter voranschreiten.

Doch die Nutzniesser dieser Entwicklung sind weder das Grosskapital noch das organisierte Verbrechen. Vielmehr wird eine seltsame Kaste aus schluffigen Typen mit seltsamem und auf T-Shirts dargebotenem Humor auf diese Weise die globale Herrschaft erringen: Systemadministratoren werden die einzigen Menschen sein, die die Welt im Jahr 2030 noch bedienen können und eine staubige wie entbehrungsvolle Systemadministrokratie errichten. Kluge Menschen stimmen ihren Admin daher bereits jetzt gnädig. Etwa indem sie ihm heute, am System Administrator Appreciation Day, alles Gute wünschen, ihm ein Lied singen und ihm versprechen, fortan immer erst zu überprüfen, ob die Caps-Lock-Taste aktiviert ist, bevor sie ihn rufen. Er könnte nämlich gerade beschäftigt sein.


26.07.2007 | 23:17 | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Spiegelnde Flächen


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

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Bisher galten abgerundete Ecken als der untrügliche Marker für Web 2.0. Alles ist einfach und kinderleicht zu bedienen, so die Botschaft, nirgendwo kann man sich die Rübe stossen. Seit neuestem drängt sich ein anderes Designelement als State of the Art im Webdesign in den Vordergrund, das sehr viel schwieriger zu dechiffrieren ist: die spiegelnde Fläche, auf der bei so unterschiedlichen Angeboten wie der DLD-Konferenz und Youporn das Logo ruht, bei Amazon neuerdings sogar die als Karussell animierten persönlichen Buchempfehlungen. Die naheliegendste Erklärung für ein derartiges Kohärenzphänomen lautet: Weil es geht; weil irgendwer damit angefangen hat, und weil es vermutlich längst in irgendwelchen Grafikprogrammen ein Tool dafür gibt, das spiegelglatte Flächen mit ausfadenden Reflektionen zaubert. So etwas gab es schon einmal Ende der 1980er mit den Gitternetzen, die zentralperspektivisch im Horizont verlaufen. Und zwar, weil die ersten Grafikprogramme auf dem Amiga genau das besonders gut abbilden konnten. Bleibt die Frage, wer damit angefangen hat. Vermutlich nicht der Web 2.0 Logo Creatr, auch wenn dessen eigenes Logo und alle, die er ausspuckt, mit formidablen Reflexionen aufwarten. Im Zweifelsfall wohl eher Apple, nicht nur, weil schon die Aqua-Oberfläche von OS X mit dem Themen Spiegeleffekte und reflektierende Flächen arbeitete, weil sich im CoverFlow von iTunes die CD-Cover spiegeln und weil auch das iPhone auf der aktuellen Startseite auf einer Spiegelfläche steht, sondern weil Apple generell die spiegelglatte Oberfläche neu erfunden hat – weil letztlich alle Logos und animierten Gegenstände so aussehen, als stünden oder rotierten sie auf dem Deckel eines zugeklappten MacBooks.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: I've seen the futr and it wrks (in beta)


26.07.2007 | 10:31 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser

Alles Gute kommt von unten


Tote Maulwürfe werden von ihren Verwandten feierlich enterdigt. (Foto: Kathrin Passig)
Die Menschheit im Allgemeinen und die Menschen im Speziellen sind viel zu sehr auf die Erdoberfläche fixiert, ein Irrweg, der uns noch einiges kosten könnte. Warum nur, fragt man sich. Finden sich doch die meisten tollen Dinge unter der Erde (Erdöl, Grundwasser, Piratenschätze, Zwerge), während die meisten schlechten über ihr liegen (Wüsten, Mücken, telefonischer Kundendienst). Ausserdem besteht die Erde aus viel mehr Innerem als Äusserem, ein Fakt, der häufig verschwiegen wird. Was hätte uns erspart werden können, wenn Hitler rechtzeitig auf den massiv vorhandenen Lebensraum unter Bayern und Schlesien aufmerksam gemacht worden wäre? Kriege, womöglich! Doch ein Umdenken ist in Sicht: In Osnabrück wurde vor ca. einem Monat der Grundstein zu einem unterirdischem Zoo gelegt, der "in Art und Grösse weltweit einmalig" sein soll. Na also. Ab 2009 gibt es dort dann also Präriehunde, Feldmäuse, Graumulle, Erdhummeln und Maulwurfsgrillen für alle, später voraussichtlich auch Maulwürfe. Noch später vielleicht sogar Erdferkel. Und Sternmulle. Hmmm, Sternmulle.


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