Riesenmaschine

05.05.2008 | 09:01 | Anderswo | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Ein durchschnittlicher Tag in der Aufzugfirma


Das Bild oben rechts zeigt eine verwirrte Person (Foto: Kathrin Passig)
Nein, man könne den Lift nicht mehr zurücknehmen, nur weil er elf Knöpfe und das Hotel siebeneinhalb Stockwerke habe. Schliesslich sei er schon aus der Originalverpackung entnommen worden. Nein, nicht einmal, wenn der Absender das Porto trage. Und was das überhaupt sei, ein Stockwerk "3M". Man fertige gern für jeden Sonderwunsch der Kunden einen Spezialaufzug an, gegen entsprechenden Aufpreis natürlich. Davon sei hier aber nie die Rede gewesen, im Gegenteil, im Auftrag seien ausdrücklich betrunkene spanische Studenten als Zielgruppe des smart city hostel Edinburgh genannt, für die "irgendein alter Flaschenzug mit Eimern" allemal ausreiche. Diese Spezifikationen habe man ja wohl übererfüllt. Man schlage vor, dass der Kunde sich mit der Lieferung irgendwie arrangiere oder eben einen neuen Auftrag erteile. Was ihm jederzeit freistehe. Und einen schönen Tag noch.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag in der Unibibliothek


26.04.2008 | 13:27 | Anderswo | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Du willst keine Schokolade


Die schlechteste Schokolade der Welt (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Natürlich ist es sinnvoll, Hotelgästen überteuerte Getränke, Webtarife oder Medienangebote anzubieten, um dann mit Pfennigprodukten wie Schokolade auf dem Kopfkissen und Duschgel Fürsorglichkeit darzustellen. Die reisenden Schergen nehmen das schliesslich meist schulterzuckend als Service der Hotels hin. So fühlt man sich wenigstens nicht wie ein Tourist – nur jene sind gern in Hotels. Perfide wird es erst, wenn sich der an der Rezeption verteilte WLAN-Zugang (siehe Bild) als Attrappe herausstellt und man für einen flüchtigen Moment Konnektivität auch die Minibar leertrinken könnte.

Aber was hätte man 2008 schon von dieser archaischen Bauform erwarten können? Wir haben schon längst gelernt, USB-Sticks in all ihren Darreichungsformen zu ignorieren. Essbare USB-Stick-Attrappen klingeln gerade Sturm in unserem Alltag, wahrscheinlich ein letzter Aufschrei des Konzeptes handlicher Datenspeicher, bevor es wie die Internet-Verbindung im allgegenwärtigen Taschentelefon aufgehen wird und aus unserer Wahrnehmung verschwindet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Not so hot spots


11.04.2008 | 15:48 | Berlin | Anderswo | Gekaufte bezahlte Anzeige

Die freundliche Invasion

Das Leben der Männer in Helsinki ist statistisch gesehen 3 Jahre kürzer als im restlichen Finnland. Warum das so ist, bleibt zwar unklar, aber anzunehmen ist, dass es das schiere Glück ist, in der schönsten Stadt der Welt zu leben.

Hier ein Beispiel: Tyler Brulé, Wallpapergründer und jetziger Chef von Monocle, dem derzeit bestfrisierten Magazin, kürte das Seahorse in Helsinki zu einem der 10 weltbesten Restaurants. Gut, das hat schnell mal eine Stadt, aber welches Restaurant bekommt so eine Adelung, dessen Koch eine elektrische Heizung ist ("Executive chef: "Mr. Winston", the kitchen's electrical heater")?

Die derzeitige in Berlin stattfindende finnische Invasion namens Helsinkissberlin vereint nun geballt das, was in Finnland zum Alltag gehört, all die Hybridmenschen wie den Esperanto singenden M.A. Numminen (Foto), den blassen OP:L Bastards und natürlich Jimi Tenor, den weissen Afrikaner aus dem All. Man bekommt endlich einmal ein gutes, nämlich das beste Frühstück der Welt, es werden, warum bescheiden sein, gleich einige Sibeliusgedenktafeln enthüllt, natürlich gibt's einen Gummistiefelweitwurfwettbewerb und der Alexanderplatz wird in einen normalen finnischen Markt umgewandelt, mit all seinen Absonderlichkeiten wie tiefgefrorenen Birkenzweigen zum Quästen, Teershampoo und Salmiakwodka, also einem Schnaps, mit dem man auch das Klo putzen kann, in das man gerade gekotzt hat. Und vielleicht versteht man dann ansatzweise, was es braucht, um eine Stadt zur lebensfrohsten der Welt zu machen, eine Stadt für die man gerne mal so 3 Jährchen hergibt.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


02.04.2008 | 01:20 | Anderswo

Im Südwesten nichts Neues


Arena (Symbolbild)
Foto: samsnet / Lizenz
Die Benamung von Fussballspielorten war in Deutschland jahrzehntelang nur für die Präfixprofis der Wordingbranche von Interesse. Vorne, da konnte man sich austoben: Nahm man einen Fluss? Eine Person? Eine Region? Oder noch was anderes? Hintenrum war hingegen das "-stadion" fast sicher gesetzt.

Ende der 90er Jahre gab es dann einen Paradigmenwechsel. Durch die massive Zunahme des Stadiennamensponsorings war der vordere Wortteil nun meist automatisch vergeben, man musste sich notgedrungen dem hinteren Ende widmen – was auch geschah, aber leider mit fast immer dem gleichen Ergebnis: Arena. Vorbild hierfür waren die 1996 eingeweihte Amsterdam ArenA, eines der ersten Stadien "neuen Typs", und in Deutschland die 1999 so benannte BayArena. Es folgte eine Arenenwelle: Schalke, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Duisburg, München, Frankfurt/Main, Düsseldorf, Wolfsburg, Osnabrück, ja sogar Meppen, alle zogen mit.

Doch damit ist es eigentlich schon wieder vorbei, sieht man von provinziellen Nachzüglern aus Paderborn, Rostock und Wiesbaden einmal ab. Stattdessen gab es eine Rückbesinnung auf das alte -stadion und zwei Testballons des aus dem englischen Fussballs stammenden -park. Vor diesem Hintergrund ist die gestern bekannt gewordene Entscheidung, dass das Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion ab sofort Mercedes-Benz-Arena heisst, ein Armutszeugnis für die beteiligten Marketingabteilungen. Soll das Innovation verkörpern? Mut etwa? Man hätte der Erste sein können, der eine Adaption der NFL-erprobten "Dome" oder "Field" wagt. Oder mit "Kampfbahn" oder "Sportfeld" einen Retrotrend einläuten können. So kommt die deutsche Automobilbranche natürlich nie aus der Krise.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Reloaded 2.0 Deluxe


28.03.2008 | 08:45 | Berlin | Anderswo | Essen und Essenzielles

Biercamouflage an der Safttheke


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
In der langen Geschichte der industriellen Massenproduktion von Getränken haben sich recht starre Konventionen hinsichtlich der Gebindeformen herausgebildet. So ist Milch grundsätzlich in hochkanten Tetrapacks abgefüllt, die flächig blau und weiss bedruckt sind, nur selten auch mal mit roten oder gar grünen Elementen, oder mit Landschaften mit so Kühen. Energydrinks werden hingegen in der schmalen, aus extra dünnem Metall gefertigten 0,25l-Dose dargereicht, die in ihrer Gestaltung die eigene Metallic-Haftigkeit nochmals unterstreicht und ansonsten mit kruden 90er-Dekoelementen verziert ist, während Rotwein in einer dunkelgrünen verkorkten Flasche in klassischer Flaschenidealform daherkommt (auch als Bordeauxflasche bekannt, man erkennt sie an ihren Schultern). Hier ist ausserdem ein schlichtweisses Etikett mit Serifen- oder Handschrift Pflicht, lediglich verziert durch ein Wappen oder die Abbildung eines Landsitzes.

Die Konsumenten sind natürlich entsprechend konditioniert, weswegen an dieser Stelle eindringlich vor Laziza gewarnt werden soll, einem auch in Berlin erhältlichen Getränk aus dem Libanon: Die grüne Heineken-Lookalike-Flasche mit dem abdrehbaren Kronkorken, das traditionsverheissende Wappen ("1931"), die goldenen Borten auf den beiden weissen Etiketten (ein grosses unten, ein kleineres am Hals), die reichverzierte Schrift – alles an dieser Flasche ruft "Bier!" und schnell hat der unaufmerksame Käufer im falschen Glauben um den Inhalt zugegriffen, den dezenten Apfelaufdruck und die 0,0%-Alc.-Anzeige übersehend. Doch Obacht: Hierbei handelt es sich eindeutig um ein Saftgetränk! Da hilft es auch nicht, dass der Schwindel selbst in der Zutatenliste durchgehalten wird, wo von "Hopfen" und "Malz" die Rede ist – es ist dennoch nur Saft. Saft! Ein etwas seltsam schmeckender Saft zwar, aber doch eindeutig Saft im wörtlichen Saftsinn.


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