Riesenmaschine

29.07.2010 | 15:10 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen anziehen

Hysterische Schuhe


Li Chen: He – Cranes – Kraniche
Wahrscheinlich wird man späteren Generationen nicht mehr genau erklären können, weshalb im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts die Menschen auf sämtlichen Kontinenten dieses Planeten plötzlich mit Plastikschuhen herumliefen, die einerseits so aussahen, als würden sie pausenlos schreien, wenn sie nur einen Mund hätten, die andererseits aber auch einen penetranten Eigengeruch verbreiteten, und die zudem im Verhältnis zu ihren lächerlich geringen Herstellungskosten sehr teuer waren. Man wird es vielleicht darauf schieben, dass dieses erste Jahrzehnt ja als das "hysterische" in die Geschichte einging. Es begann damit, dass alle fürchteten, die Apokalypse bräche an, nur weil sich ein Datum änderte. Später glaubte fast jedermann, ein Präsident würde eine andere Politik machen, nur weil seine Haut leicht anders gefärbt war als die seines Vorgängers. Und gegen Ende der Dekade schäumten Menschen wochenlang vor Wut, weil andere Menschen in Fussballstadien, die zehntausend Kilometer entfernt waren, in Plastiktröten bliesen.

Ganz genau aber wird man sagen können, wann der hysterische Schuh zu Kunstgeschichte wurde. Das war auf einer Sammelausstellung der Neun-Drachen-Berg-Galerie, die im Juli 2010 im Pekinger National Art Museum of China stattfand. Gemalt hat das richtungsweisende Bild ebenfalls 2010 der Nachwuchskünstler Li Chen, der es "Kraniche" nannte. Später sollte dieses Gemälde als Zeichen dafür gedeutet werden, dass das hysterische Jahrzehnt zu Ende ging.

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Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (13)


06.07.2010 | 13:36 | Anderswo | Alles wird besser

Gentrifizierung mit menschlichem Antlitz


Wasser, Seife, Fön, Spritze; in Zürich wird nichts vergessen. Bild: Ph. Hübner

In Zürich haben auch Drogenkonsumenten ein Recht auf gutes Design und hübsche Piktogramme. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wir erinnern uns: Bis ca. 2007 war die Zürcher Josefswiese ein ganz normaler, kleiner Park in Zürichs Kreis 5. Familien, Szenis und ein paar Randständige verbrachten dort ihre Abende im Schatten der Kehrrichtsverbrennungsanlage und des historischen Bahnviadukts. Doch irgendwann 2008 muss Rolf Vieli, dem Leiter des Aufwertungsprojekts Langstrasse Plus – einer Art städtischen Büros für Gentrifizierung – zu Ohren gekommen sein, dass auf der Josefswiese hin und wieder Drogen konsumiert werden und dass der Kiosk wieder einmal neu gestrichen werden müsste.

Es wurde bei Fachleuten für Sozialforschung und Sozialanalyse ein Gutachten in Auftrag gegeben, das auf gut 50 Seiten das Verhalten der Städter nach Geschlecht (40% Weiblich, 49% Männlich, 11% unbestimmt, siehe S.4), Aufenthaltsbereich, Aktivität, Bewegungsabläufe, Art der Bewegung, Konsum, Image, Konflikten und Hunden in Abhängigkeit der Sonnenscheindauer und des Temperaturverlaufs analysierte. Neben der Erkenntnis, dass nachts weniger Kinder anzutreffen und "Telefonkabinen, Abfallkörbe, Lichtkörper und Sitzgelegenheiten" nicht nur "gut platziert", sondern auch "einheitlich gestaltet" sind (S.52 f), wurde festgestellt, dass eigentlich alles ganz gut, sicher und sauber ist.

Das Problem wurde nun auf gewohnt zürcherische Art angegangen: mit viel Geld und gründlich. Die ganze Anlage wurde komplett saniert, der denkmalgeschützte Kiosk perfekt instand gestellt, die Eis-Auswahl auf die üblichen LOHAS-Sorten (mit Bio-Agavendicksaft gesüsst, in Zürich unter fairen Bedingungen hergestellt, von Fahrradkurieren ausgeliefert) umgestellt. Dass nicht nur der Umbau, sondern danach auch das Bier gerne ein bisschen mehr kosten darf, daran hat man sich in Zürich mittlerweile gewöhnt.

Nur dort, wo vorher ein paar gewöhnliche Toiletten waren, finden sich jetzt diese pflegeleichten Chromstahlboxen, die es mittlerweile auch auf jeder Schweizer Autobahnräststätte gibt – eine All-in-One-Lösung, die für alle Anwendungen mit einem einzigen grossen Becken auskommt, was wir an dieser Stelle nicht näher erklären wollen. Hier kollidierten wohl die Anliegen der WC-Behörde ("Züri-WC" – sauber und sicher) mit denen der Aufwertungsstelle.

Doch natürlich wäre Zürich nicht Zürich, wenn man nicht einen Kompromiss gefunden und dieses Standardmodell noch ordentlich aufgebohrt hätte: Anstelle der Chromstahlwände finden sich hübsche, rückwärtig grau-blau gespritzte Glaswände, die Decke ist aus hinterleuchtetem Milchglas gefertigt. Und falls sich doch irgendwann noch ein Randständiger in die nunmehr schicke "Josi" verirren sollte, wurde mit dem separaten Einwurf für gebrauchte Spritzen auch seinem Bedürfnis nach einer ordentlichen Mülltrennung Rechnung getragen.

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28.06.2010 | 06:56 | Anderswo | Papierrascheln

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine für Dorothee Elmiger


Lacht, obwohl ihre Preisrede im Wesentlichen aus "Hier, halt das mal bitte in die Kamera" bestand: Dorothee Elmiger
(Foto: Johannes Puch)
Nach Tilman Rammstedt und Karl Gustav Ruch ist Dorothee Elmiger mit sechs Pluspunkten die dritte Trägerin des Automatische Literaturkritik Preises der Riesenmaschine. Wir freuen uns besonders über die Erstvergabe des seltenen Alison-Bechdel-Punkts. Eine Stunde später erhielt Elmiger für ihren Auszug aus "Einladung an die Waghalsigen" zusätzlich den mit etwas mehr Geld und einer etwas weniger schönen Urkunde dotierten Kelag-Preis. Nach all den Mühen bleibt die Redaktion jetzt erst mal im Bett liegen und denkt an die Tiere im Mekongdelta.

Was bisher geschah:
Der Preis erklärt (2008)
2008, Tag 1, Tag 2, Preisverleihung
2009, Tag 1,Tag 2, Tag 3, Preisverleihung
2010, Tag 1, Tag 2, Tag 3
Kriterienliste

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26.06.2010 | 10:09 | Anderswo | Papierrascheln

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine – Tag 3

#11: Peter Wawerzinek, "Ich finde dich"
Plus: 2, 7, 19, 23
Minus: 4, 6, 8, 18, 19, 26, 33, 55, 56, 91, 95, 138
Gesamt: -8 Punkte

#12: Iris Schmidt, "Schnee"
Plus: 1, 2, 7, 10 doppelt, 19, 23, 37, 55
Minus: 33, 34, 50, 76, 77, 85 doppelt, 120
Gesamt: 1 Punkt

#13: Christian Fries, "Hutmacher, privat"
Plus: 1, 2, 4, 7, 10 doppelt, 16, 23, 27, 38, 49, 52
Minus: 6, 8, 14, 19, 34, 40, 91, 95, 116 doppelt, 125, 126
Gesamt: 0 Punkte
Korrekturen: Wohlwollende Besprechung von Nahrungsmitteln und den zweiten Punkt für Psychoanalyse nachgetragen

#14: Verena Rossbacher, "schlachten. Ein Alphabet der Indizien"
Plus: 1, 3, 7, 12, 37, 49
Minus: 19, 20, 28, 33, 36, 48, 68
Gesamt: -1 Punkt

Kathrin Passig, Angela Leinen et al. | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


25.06.2010 | 10:18 | Anderswo | Papierrascheln

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine – Tag 2

#6: Thomas Ballhausen, "Cave canem"
Plus: 1, 2, 7, 19, 23, 38, 44
Minus: 6, 7, 10, 16, 19, 33, 40, 54, 77, 86, 91, 125
Gesamt: -5 Punkte
Korrekturen: "Autor ist kein junges Mädchen" nachgetragen

#7: Max Scharnigg, "Die Besteigung der Eigernordwand unter einer Treppe"
Plus: 1, 2, 7, 12, 19, 23, 27 doppelt
Minus: 4, 19, 23, 24, 91, 40, 93
Gesamt: 1 Punkt
Korrekturen: "Autor ist kein junges Mädchen" und "Nennung anderer Autorennamen" nachgetragen

#8: Aleks Scholz, "Google Earth"
wird wegen Riesenmaschinemitarbeit nicht ausgewertet

#9: Judith Zander, "Dinge, die wir heute sagten" (Auszug)
Plus: 1, 3, 19, 38, 60
Minus: 6, 24, 34, 39, 55, 56, 90, 95
Gesamt: -3 Punkte

#10: Josef Kleindienst, "Ausflug"
Plus: 1, 2, 7, 19, 23, 35
Minus: 2, 19, 19 doppelt, 39, 45, 54, 70, 73, 76, 109
Gesamt: -5 Punkte

Kathrin Passig, Angela Leinen et al. | Dauerhafter Link | Kommentare (18)


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"Afterschool", Antonio Campos (2008)

Plus: 11, 35, 37, 42, 45, 100, 118, 119
Minus: 13, 14, 42, 54, 84
Gesamt: 3 Punkte


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