02.07.2006 | 10:45 | Was fehlt
 Wenigstens etwas Persönliches von Robert GernhardtStirbt ein Schriftsteller, Musiker oder Maler, kann man in den Tagen drauf zwei Sorten Nachrufe in den Feuilletons lesen: Die einen würdigen Werk und Person aus der Distanz, in den anderen ist mehr von persönlichen Begegnungen die Rede. Beide Nachrufformen gehen in Ordnung, auch wenn sich bei der persönlichen Form der Eindruck manchmal nicht verwischen lässt, der Nachrufer nutze den Anlass, um mehr über sich selbst zu schreiben als über den Toten.
So ist das auch bei Robert Gernhardt, der in der Nacht zum Freitag starb; Links zu seinen Nachrufen sind auf der aktuellen Titanic-Homepage zu finden, zu seinem Werk hier. Auch die Riesenmaschine gedenkt in diesen Tagen dieses herrausragenden Dichters, Schriftstellers, Zeichners und Malers. Einige ihrer Autoren verdanken ihm viel, manche sogar mehr. Man könnte hier also auch Persönliches berichten, wobei Gernhardt sicher nichts dagegen einzuwenden hätte. Der grosse Ich-Erzähler der deutschen Literatur liess selbst kaum eine Gelegenheit aus, sich selbst zum Thema zu machen. Weil er das ironisch gebrochen tat, las und hörte man das gerne.
Dennoch: Die Gefahr ist gross, ins Peinliche abzurutschen, erzählten wir hier etwas von unseren Begegnungen mit Gernhardt. Wir weisen lieber auf die schöne Suchmaschine Find a grave hin; gewissermassen ein Grab-Google, mit dem sich weltweit die Gräber berühmter Persönlichkeiten finden lassen. In der deutschen Abteilung sind bisher 609 Persönlichkeiten aufgelistet, darunter Wilhelm Busch, Bertolt Brecht und Theodor W. Adorno. "Find a grave" liefert nicht nur den genauen Bestattungsort des Toten, sondern meist noch eine kurze Biographie, Porträtfotos und Aufnahmen des Grabsteins.
Gernhardt hätte diese Seite wahrscheinlich gut gefallen, nicht zuletzt wegen des Witzpotentials, das in dem Internetfriedhof steckt. Bischof Dyba liegt hier friedlich neben Rudi Dutschke, Roy Black neben Hitlers Köter Blondi; Gernhardt selbst wird wohl demnächst nur ein Eintrag von Goethe trennen. Auch Alois Alzheimer wird gewürdigt, der Mann, der paradoxer Weise unsterblich wurde, weil er über das Vergessen forschte, und über den Gernhardt gerne Witze machte. Zu gerne hätten wir seine – wenn auch eher scherzhaft – angekündigten Alzheimer Gedichte noch gelesen. Eine Schande, dass das nicht mehr geht.
01.07.2006 | 15:25 | Anderswo | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt
 100 Kräfte und ein ArgentinierZiemlich bis verdammt sicher ist sich die Riesenmaschine, dass die laufende Fussball-WM in die Geschichte eingehen wird – in die Geschichte der Stadionwerbung nämlich. Wer beim gestrigen Spiel GER vs. ARG mal nicht auf die einerseits hin und andererseits wieder her rennenden Fussballer, sondern auf die unglaublich ruhig dastehende Bandenwerbung achtete, konnte neben dem Schriftzug des offiziellen Biers der Fifa, Bud, zwei chinesische Schriftzeichen ausmachen: 百威! Auf Mandarin werden sie "Bai Wei" ausgesprochen, was übersetzt etwa so viel wie "Hundert Kräfte" bedeutet, nichts anderes als der chinesische Markenname der amerikanischen Plörre.
Zum – einfach mal daher behaupteten – ersten Mal wirbt damit eine westliche Marke bei einer in Europa stattfinden Fussball-WM auch in der kommenden Weltsprache, die in den nächsten Jahren bei global übertragenen Veranstaltungen mehr und mehr Verwendung finden dürfte. Spätestens bei der WM 2014, allerspätestens 2018, in China oder China, wird Stadionwerbung dann komplett zweitsprachig sein. Wer dann als Werber noch kein Chinesisch kann, der baut sich von seinem Gehalt kein Haus mehr.
30.06.2006 | 12:37 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 Der Feind in meinem Beet (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Schon als der Kollege Albers und ich 2001 im Zuge unserer Tournee durch Deutschland Karlsruhe streiften, dort die Harfinistin und Autorin Angelika Maisch besuchten und einen Ausflug in den Schwarzwald unternahmen, um dort die zu Recht sagenumwobene MaKü-Systemgastronomie zu studieren, wurden wir auf das Phänomen aufmerksam und stellten darüber Spekulationen an. In unserem Reisetagebuch notierten wir damals:
Am Wegesrand bemerkten wir lobend ein rosanes Kraut, das überall in voller Blüte stand. Maisch sagte, dass das gar nicht so lustig sei, weil es sich dabei um Indisches Springkraut handele, das, einmal in Europa eingeschleppt, nun drohe, den gesamten Schwarzwald zu überwuchern. Umgekehrt habe Hawaii gerade mit der Invasion der heimischen Brombeere zu kämpfen, die dort die dermaleinstige Faunavielfalt niederzumachen drohe. Wir fühlen uns an die gestrige "Risiko"-Session erinnert und mutmassen, dass die beiden Arten einfach in einer strategischen Allianz die beiden Kontinente "Europa" und "Asien" unter sich aufgeteilt hätten,weil das in ihren evolutorischen Auftragskärtchen stand.
Heute lesen wir in der Titelgeschichte des "SZ-Magazins" über den Verbreitungsfortschritt des nämlichen Krauts:
Weil das Indische Springkraut auch noch sehr schnell und dicht wächst und alle seine natürlichen Feinde immer noch im westlichen Himalaya sitzen, hat es sich in einigen Gegenden rasend schnell ausgebreitet, oft in riesigen "natürlichen Monokulturen".
Umweltschützer schlagen erwartungsgemäss Alarm und bemühen fremdenfeindliche Rhetorik. In der Schweiz bekämpft man bereits Gleiches mit Gleichem, indem man Asylbewerber gegen das Kraut zu Felde ziehen lässt. Aber hey, muss man Überfremdung nicht auch mal als Chance begreifen? Deutschland wird rosa – das passt zum neuen soften Patriotismus mit menschlichem Antlitz wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Nach "Cool Britain" jetzt "Pink Germany". I'm lovin' it.
30.06.2006 | 01:15 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser
 Nix, Garnix, Schlumpf und Stäubchen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Es war höchste Zeit, dass der moderne, frische Geist, dem wir die Sternbilder Luftpumpe, Teleskop, Grabstichel und Tafelberg verdanken, auch in die Planetenbenamung einzieht. Es ist ein schöner Anfang, dass einer der beiden Krümelmonde, die kürzlich beim Kreisen um Pluto ertappt wurden, nicht nach einem der Titanen oder einem Zweig der Weltesche, sondern seiner Grösse angemessen Nix getauft wurde. Nun sollte die zuständige Internationale Astronomische Vereinigung den Impuls nutzen und bei der Entrümpelung des restlichen Sonnensystems endlich den antiken Ballast vor die Tür stellen. Die Erde könnte zum Beispiel "Biber" heissen. Oder halt der Wahrheit entsprechend "Dreck". Oder vielleicht "Hörnchen"?
29.06.2006 | 16:12 | Anderswo | Vermutungen über die Welt
 Superschool: Ausschnitt aus dem Supergeschäftsmodell (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Genaueres wissen wir auch nicht, aber eine Mail, die uns leider gerade erst erreichte, deutet darauf hin, dass die superverwirrende Superschool, eventuell der einzige Kulturkrake Deutschlands mit noch mehr und verwickelteren Tentakeln als die ZIA, bereits heute um 21:00 am Container vor der Kunsthalle Hamburg einen "Kongress des Halbwissens" abhalten wird. Die vorbildlichen Themen des Kongresses lauten:
Runde 1: Global Trade Runde 2: Wertschöpfung und Wechselwirkungen Runde 3: Fussball und Globalität – 2 Zukunftsmodelle
Dabei werden Fragen beantwortet wie "Was ist Global Trade? Warum ist Outsourcing so beliebt? Essen Sportler immer Nudeln vor dem Wettkampf?". Das Halbwissen der einzelnen Teilnehmer soll sich zum Vollwissen ergänzen; es scheint sich also um eine Veranstaltung ganz im Geiste unserer Mutmassungen über Tiere zu handeln. Vielleicht gehört dem Halbwissen ja die Zukunft. Aber das ist jetzt nur so eine Vermutung.
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