Riesenmaschine

09.10.2007 | 14:24 | Berlin | Sachen kaufen

Wiederum ein Tag in der Firma


Spezialgeschäfte neigen ab und an zur Überspezialisierung (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Aber Steiermann gab sich nicht geschlagen. Zeisel und Stilicke mochten einen Überraschungshit gelandet haben – der Vertrieb stand immer noch hinter ihm wie ein Mann. Das hatte er seinerzeit über die Einführung von doppelt rückvergüteten, nachträglichen Vorschüssen im Nichteintretensfall hinbekommen, inzwischen Branchenstandard, wie so viele Steiermann-Entwicklungen. Ausserdem hatte er Vonnebrink den Eigenbeleg in der Spesenabrechung durchgehen lassen. Als es im August an die Verteilung des Nächstjahresbudgets ging, hielt er sich an sein Lieblingsbuch, "Sun Tzu für Abteilungsleiter" – und beantragte zur Überraschung aller eine Halbierung seines eigenen Etats. Drei Tage gab es kein anderes Thema in der Kantine, dann ging der Plan auf: Vizepräsident Sasel gab die Maxime "Maximum Nullrunde" aus und das grosse Unterbieten begann, Zeisel und Stilicke taten cool, waren aber am Ende. Als die Gesamteinsparungen bei 24% angekommen waren, liess Steiermann die Bombe hochgehen und präsentierte seinen neuen Vertriebsplan, zu finanzieren aus dem freigewordenen Etat: die Zeit der grossen Verkaufsflächen sei vorüber, in Zukunft solle für jedes Zubehörteil eine eigene Filialkette aufgebaut werden. Noch aus dem Flugzeug stimmte Sasel per SMS zu, unter der Bedingung, dass McKinsey ein "ernstzunehmend teures Konzeptpapier drumherum" entwickle und man eingedenk der alten Firmenstrategie mit dem bescheuertsten Zubehörteil anfange – Funktionsbeweis des schwächsten Glieds der Kette, wie es Sasel zu nennen pflegte.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag in einer kleinen Agentur


08.10.2007 | 23:16 | Anderswo | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Reloaded 2.0 Deluxe


Der feuchte Traum eines jeden Trendhistorikers: Man beachte auch die kunstvolle Einbindung des lange verdrängten Ausgehtrendwortes "Clubbing" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das antiagglutinierende Suffixial-Adjektiv (auch als postponierter Metapherlativ bekannt) ist einer der ältesten und verlässlichsten Kniffe in der Wording- und Naming-Branche. Wie überall sind auch hier die Moden rätselhaft und kurzlebig, und so konnten wir in den letzten Jahrzehnten schon viele sonderbare Begriffe kommen und gehen sehen, wie beispielsweise Spezial, 2000, Extra, Plus, Grande, Ultra, Light, Gold, Deluxe, Galore, 3000, XXL, Original, Professional, Classic und Premium.

In den Nullerjahren gab es schliesslich zwei bedeutende Alphawörter auf diesem Gebiet: Das Matrix-inspirierte Reloaded und das zuletzt allgegenwärtige 2.0 – zwei Begriffe, denen, wir geben das unumwunden zu, auch die Riesenmaschine das eine oder andere Mal erlegen ist. Inzwischen sind Reloaded und 2.0 aber längst im letzten, verlorenen Sektor des Produktzyklus, angekommen – was nun durch einen bemerkenswerten Doppelauftritt in der Trendflohmarktstadt Oldenburg (s. Foto) eindrucksvoll unterstrichen wurde.


08.10.2007 | 12:16 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Mach was aus deinen Knochen

Klar, Existenz ist mit Abstand das Beste, was man erleben kann. Aber es gibt in manchem Leben Punkte, an denen man müde ist, mit Körper und Geist unzufrieden, und sich sein Recht nimmt, mal halblang zu machen. Häufig sind damit Umstände verbunden, die man an sich vermeiden möchte – also Menschen mit gesenktem Kopf, die die eigenen Überbleibsel im Boden versenken, wo man von grauem Gewürm zernagt wird. Ästhetisch ist das so unbefriedigend wie das Leben zuvor, und ansprechende Alternativen sind rar.


Ich habe dir nie einen Osedax-Garten versprochen (Foto: uzvards) (Lizenz)
Seit den Untersuchungen von Whale Fall wissen wir allerdings um die wunderbaren, knochenfressenden, an Blumen gemahnenden Würmer der Gattung Osedax. Um zur Abwechslung mal ein botanisches Alleinstellungsmerkmal auf sich wachsen zu lassen, muss man sich einer tiefen Stelle im Meer versenken, zum Beispiel in der Monterey Bay, wo kürzlich einige neue Arten entdeckt wurden.

Ob Osedax überhaupt auf Menschen- und nicht nur auf Walknochen wachsen, muss allerdings noch jemand herausfinden. Nicht, dass sich hinterher wieder jemand beschwert.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Richtig Walreiten

Roland Krause | Dauerhafter Link


07.10.2007 | 16:34 | Alles wird besser

Riesenpilz wegwerfen


Belastend: Buckingham-Palast
(Foto, Lizenz)
Ich hab's geschafft, wonach ich immer strebte: /
Alle Dinge ringsumher gehören mir. /
Doch das einzige, was ich dabei empfinde, /
ist die Angst, es wieder zu verlier'n.
(Knorkator)

Besitztum ist die Pest in unseren ansonsten pestfreien Zeiten. Etwas zu haben, ist nicht nur eine Illusion, denn es geht sowieso wieder kaputt, sondern auch Belastung, weil das ist dann ja da. Ganz klar: Dem Wegwerfen gehört die Zukunft, und weil schon das Wegwerfen von konkreten Dingen schwer genug ist, kann es nicht schaden, es mal beim Wegwerfen von Virtuellem zu üben. Wer dem grundsätzlich schonmal zustimmt, dem sei Disposable Webpage empfohlen, ein wikiöses Ambiente zur Kreation von Webpages, die sich automatisch nach Ablauf eines frei konfigurierbaren Countdowns zerstören. Wir haben das schon mal zur Ansicht vorbereitet, und zwar in Form eines frugalen Riesenpilzes, der so sinnlos ist wie der meiste Besitz und daher auch bald verschwinden muss. Und wenn der Riesenpilz dann weg ist, werden wir damit anfangen, Countdowns auf Schrankwände, Sanitäranlagen und Muldenkipper zu kleben.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Des Letzten Hemd


07.10.2007 | 00:14

Arse Elektronika


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn es um Pornographie geht, ist das Gras am anderen Ufer ja immer rosafarbener, in den USA träumt man von verdorbenem Europorn, in Deutschland von den freien Niederlanden und dort wiederum vermutlich von uns völlig unbekannten Pornoparadiesen. An diesem Wochenende jedenfalls ist ganz objektiv anderswo alles besser, nämlich in San Francisco, wo die Arse Elektronika stattfindet. Leider halten die österreichischen Veranstalter von Monochrom diese Wunderkonferenz über Pornographie und technische Innovation nicht in unserem bequem erreichbaren Nachbarland ab, und auch Johannes Grenzfurthners versprochene Twitter-Berichterstattung lässt uns vor der Darkroomtür im Regen stehen. (Beinahe hätten wir die Veranstaltung komplett verpasst, weil Sex im Internet wie immer totgeschwiegen wird, in diesem Fall sogar von unserem sauberen Riesenmaschineautor Grenzfurthner.) Wir können also nur mutmassen, dass dort endlich alles abgehandelt wird, wofür sich die doofen Gender Studies zu fein sind, nämlich laut Vortragsthemenliste so schöne Themen wie Hardware- und Softwareinterfaces für die sexuelle Interaktion, die Zukunft der gerenderten Pornographie, der Nutzen pornographischer Betätigung für die individuelle Technikfortbildung und der Missbrauch unschuldiger Flickrfotos durch Anhänger seltener Fetische. Danke, Land Steiermark, danke, Wiener Kunstförderung, und bitte, Fortschritt, lass es nicht so lange dauern, bis die geschilderten und geforderten Innovationen den Massenmarkt, also uns erreichen.


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