Riesenmaschine

06.06.2008 | 12:45 | Anderswo | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Verpasste Riesenmaschinenchance


So macht sich Peking die Welt gefügig
Nur ein paar schale Kaurimuschel-Witze war unseren Lesern die Prophezeiung vor knapp zwei Jahren wert, Afrika sei das nächste grosse Ding, weil China dort im grossen Stil investiere. Und natürlich folgte niemand unserer Aufforderung, sich sofort nach Mombasa aufzumachen, um dort Equity-Kisuaheli zu lernen; wir haben den ganzen Kontinent per Google Earth abgesucht und ihn auf Riesenmaschinenleser überprüft. Zu Hause zu bleiben allerdings war ein grosser Fehler, denn inzwischen beginnt sich Afrikas Aufschwung noch deutlicher abzuzeichnen. In den vergangenen sechs Jahren, so schreibt der Wirtschaftsjournalist Frank Sieren in seinem neuen Bestseller Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht, war das gesamtafrikanische Wirtschaftswachstum höher als fünf Prozent. Einzelne Volkswirtschaften wie die Angolas sind in den letzten Jahren sogar jährlich um 15 Prozent gewachsen. Auch Sieren meint, Afrika boome, weil sich die Chinesen dort in hohem Masse engagierten. "Die Europäer" allerdings, so stellt er fest, "haben den Aufstieg Afrikas durch China verschlafen."

Weshalb das so ist, das erklärt sich und uns Allan Green, ein britischer Geschäftsmann in der Blüte seiner Siebziger, den Sieren in der nigerianischen Grossstadt Lagos trifft: "Ich rate den jungen Leuten in Europa immer wieder, ihr sollt nach Afrika gehen.... Dort habt ihr alle Möglichkeiten. Sie haben diesen Unternehmergeist verloren. Das Leben hat sie verwöhnt. Sie können einfach für eine Internet-Firma arbeiten, in Chicago, London oder sonst wo. Sie gehen nirgendwo mehr hin." Das ist jetzt mal ziemlich stramm dahinbehauptet. Es gibt allerdings ein paar stichhaltige Beweise für Greens These. Der beste sind Sie, denn Sie verschwenden offensichtlich ihr Leben auch nur damit, im Internet zu surfen, um Texte von Leuten zu lesen, die für Internet-Firmen in Europa arbeiten, statt endlich einmal auszuwandern und ein bisschen Geld zu verdienen. Jetzt machen Sie doch einfach mal.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Equity-Kisuaheli in Mombasa

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


05.06.2008 | 12:03 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Überraschungsei


So frühstückt man im Turbokapitalismus (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Eine der wichtigsten Quellen der Allgemeinbildung der heute 25- bis 45jährigen ist der klassische Kanon der Lucasfilm-Adventures: Hier lernte man u.a., dass man Zeitmaschinen nicht mit falschen Diamanten betreiben sollte (Day of the Tentacle), wie man an Trollen vorbeikommt (Monkey Island), was man alles für eine Voodoopuppe braucht (Monkey Island II) und dass man gewisse Dinge nicht in Mikrowellen stecken sollte, nämlich Hamster (Maniac Mansion) und Eier (Zak McKracken). 20 Jahre nach Zak McKracken ist dieses Wissen jedoch hinfällig, denn mit dem Turbo-Ei für die Mikrowelle vom Onlineshop arktis.de, einer unscheinbaren Hülle aus Irgendwas, kann man in weniger als einer halben Minute sein Ei, nun, kaum zu glauben, aber, ja, man kann es tatsächlich in der Mikrowelle kochen. Ein weiterer wichtiger Schritt zur schon lange und mehrfach von uns geforderten Abschaffung der Küche.

Fast noch bemerkenswerter als das Ei ist allerdings die Rubrik "Unser Kommentar" am unteren Seitenrand. Dort steht: "Es funktioniert tatsächlich. Ich bin völlig begeistert!" (Rainer Wolf, Arktis Geschäftsführung). Soso. Sollte man daraus etwa schliessen, dass das bei den anderen Produkten von arktis.de nicht der Fall ist? Dass all die R2D2-Mülleimer, LED-Eiswürfel, Modellhelikopter und Mückenstichvernichter gar nicht einsatzfähig sind? Tragisch – aber sofern der sehnsüchtig erwartete "Turbo-Hamster für die Mikrowelle" funktioniert, können wir es verschmerzen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ich weiss es nicht, ich bin kein Huhn


03.06.2008 | 12:18 | Anderswo | Alles wird besser

Gut gemeint, immerhin


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Das Wesen von Werbung ist, dass etwas versprochen wird, und bevorzugt natürlich etwas, das so schön glitzert und so laut hupt, dass man wie einst an der Supermarktkasse wieder sofort zu sterben glaubt, wenn man es nicht stante pede in den kleinen Händchen halten kann. Kritische Werbung, ehrliche Werbung gar, wie man sie in den vergangenen Jahren hier und da gesehen hat, sie bleibt ein schwarzer Schimmel. Wie aber beim Sarkasmus, bei dem man den Schmerz einfach immer weiter dreht, bis er nicht weiter schmerzt, sondern in seiner Abstrusität erheitert, geht auch in Sachen Lobpreisung allerweil noch ein bisschen mehr. Und dann ist es wie im Physikunterricht – gerade als man dachte, der Lehrer kriege den Versuch im Leben nicht hin, spritzt und stinkt und funkt es.

Ausgerechnet aus dem beschaulichen Lilongwe, das zwar Hauptstadt des bitterarmen Malawi, jedoch eher keine Weltstadt ist, kommt nämlich nun zu aller Überraschung ein neuer, nicht vorhergesehener Werbetrend: desillusionierte Werbung. Gut, ruft hier die vermeintliche Lobpreisung, haben wir's nicht gemacht, aber hey: immerhin gut gemeint – gut, was? Eine ausgesprochen sympathische Selbstironie, die allerdings nicht von ungefähr kommt. In einer Welt, in der der Zeitgeist "The Winner Takes It All" pfeift, fragt Malawi mit bitterer Ironie zurück: Welcher Winner denn, in diesem Lande?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ehrlicher Marketer


01.06.2008 | 17:15 | Anderswo | Alles wird besser

Zürich-Spezial V: Der Beste Ort der Welt 1.9


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Wer braucht hier schon WLAN? (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mehrfach wurde auf die strukturelle Ähnlichkeit von DDR und Schweiz hingewiesen, meist mit der Präzisierung, die Schweiz sei so etwas wie die "DDR in gut". Wie sich ein mit drei Billionen Franken Auslandsguthaben alimentiertes generöses Gemeinwesen anfühlt, kann man in der Badeanstalt Oberer Letten in Zürich hautnah erleben. Die Grundzutat liefert die Natur, der privilegierte Ort auf der Landkarte, wo kristallklares Bergwasser, das zuvor im Zürichsee auf erträgliche Temperatur erwärmt wurde, in Form der Limmat mitten durch die Stadt fliesst. Hinzu kommt ein architektonisch schlicht im international style gehaltene Betonkonstruktion, die auf ca. 200 Metern Länge Reich der Freiheit vom Feinsten bietet.

Nachdem man im vergangenen Sommer begonnen hat, die harten Pritschen gegen frisch mit blauem Frottee bezogene Matratzenliegen zu tauschen – natürlich ohne dass dafür als Gegenleistung ein Eintrittspreis oder Mindestverzehr beim gut ausgestatteten Kiosk verlangt würde –, und das offensichtlich auf Akzeptanz stiess, hat man dieses Jahr noch an ein paar weiteren Stellschräubchen gedreht, und einige neue Annehmlichkeiten hinzugefügt. Am Tresen des Kiosks wird gratis eisgekühltes Quellwasser vorgehalten, das mit Zitronenscheiben und Minze aus eigenem Anbau zart aromatisiert wurde. Im Eingangsbereich füllt sich langsam eine natürlich ebenfalls unentgeltlich zu benutzende, dabei durchaus ansprechend sortierte Bibliothek.

Wer hier hingestreckt einen Tag oder zwei Wochen (irgendwann verliert diese Unterscheidung an Bedeutung) verbringt, vermisst weder den Cluburlaub am Mittelmeer, noch das WLAN, von dem man anfangs dachte, dass es noch eine sinnvolle Ausbaustufe für den kommenden Sommer darstellen würde. Lediglich elfengleiche Masseusen, die ihre Dienste umsonst jedem zivilisationsgeplagten Ankömmling zur Verfügung stellen, würde man sich noch herbeiwünschen, wenn man noch einen Wunsch freihätte. Es würde uns nicht wundern, wenn sie uns nächsten Sommer dort empfangen. Warum? Weil es geht.

Reiseinformation: Anreise mit Tram 4 oder 13 bis Haltestelle Limmatplatz, dann über den Fluss, nur bei schönem Wetter bewirtschaftet, kein Eintritt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Zürich-Spezial IV: Schattengraffiti


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