Einmal Hand mit Fuss bitte. Wer sich in München im buddhistisch-veganen Restaurant Au-Lac verköstigen lässt, kann zur Speise auch ein Freiexemplar des Büchleins "Der Schlüssel zur sofortigen Erleuchtung" der Höchsten Meisterin Ching Hai Wu Shang Shih gereicht bekommen, einer bündigen Einführung in den Veganismus. Auf dem Speisenplan hat man die Auswahl aus verblüffend echt aussehendem und noch verblüffender echt schmeckendem Sojahuhn, aus Sojaente, Sojaschwein, Sojatintenfisch, und vielem mehr. Selbst die geschmorte Haut des überzeugend gefälschten Broilers ist aus rein pflanzlichem Material perfekt nachgebildet, die Ente wirkt wie frisch geschossen und der fleischlose Polyp zappelt vor täuschender Echtheit nahezu noch in seinem eigenen Aufguss. Die Höchste Meisterin lehrt sodann in ihrem Werk: "Ich sehe um mich herum so viel Brutalität gegenüber Tieren. Ihr könnt einkaufen, wisst ihr, ihr könnt aussuchen, was ihr wollt. Ja, ihr könnt vergleichen und mit eurer Weisheit, eurem Intellekt auswählen: 'Oh, dieser hier ist besser!', oder: 'Ich mag diesen mehr'. 'Der sieht schrecklich aus!', 'Oh, dieser – eklig.' [Lachen]" (S. 39f.).
Die strikte Konsequenz aus diesem Übergang von der omnivoren Ernährung zur Metaebene des rein gewächsbasierten Imitats ist das nun gesichtete Menschenfleisch aus Getreide und Brot – Leichenteile, geschmackvoller als die von Gunther von Hagens: Organfetzen, verwesende Schädel, abgetrennte Gliedmassen ... eklig zwar, aber doch entsprechend der von der Höchsten Meisterin geforderten Weisheit rundum bekömmlicher als das echte faulende Fleisch.
Manchmal kommt die Hoffnung eben in hässlichem Gewand daher, oder hat das Internet etwa anfangs gut ausgesehen? (Quelle: seasteading.org) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Der weltweite Mangel an durchdachten und hochwertigen Ländern ist ein von allen Medien ausser der Riesenmaschine vernachlässigtes, ja, totgeschwiegenes Thema. Wie oft haben wir bessere Länder gefordert, Wege dorthin aufgezeigt, Kriterien entworfen und auf die Vor- und Nachteile vorhandener Länder wie Kanada, Island, Chile und diverser Mikronationen und Kondominate hingewiesen. Es hat anscheinend nichts genützt. Auch der angekündigte Aufkauf von Sealand durch Pirate Bay wirkt gescheitert. Aber das soll uns nicht daran hindern, weiterhin jeden neuen Versuch zur Behebung des Problems enthusiastisch zu begrüssen.
Zum Beispiel das Seasteading Institute, von dem wir via Wired erfahren. Vorsitzender Joe Lonsdale kündigt an, man habe vor, den alten Plan einer Länderneugründung zur Abwechslung "in a way that's not crazy" durchzuführen. Schwimmende neue Länder werden irgendwie in den Meeren verankert, und zwar so viele, dass für jeden das passende politische System dabei sein sollte. Patri Friedman, Co-Autor von Seasteading: A Practical Guide to Homesteading the High Seas, erklärt: "Regierungen sind ein Geschäft mit extrem hoher Zugangsschwelle. Man muss praktisch eine Wahl gewinnen oder eine erfolgreiche Revolution hinter sich bringen, um eine neue Regierung auszuprobieren. (...) Und der Lock-in-Effekt ist enorm. Die Leute beschweren sich über ihre Handyverträge, die zwei Jahre laufen, aber überlegen Sie mal, wie mühsam es ist, seine Staatsbürgerschaft zu wechseln." Wir sind also offenbar in guten Händen, die Gründer sind reiche Leute, was soll diesmal schiefgehen?
Der Mond, machen wir uns nichts vor, ist unbeliebt. Kein Wunder, er ist aus Käse, riecht streng und ruft nie zurück. Der Grund dafür ist aber nicht, dass der Mond von blinden, blöden Kräften der Natur gemacht wurde und nicht von – sagen wir – einem betrunkenen Rudel Internetbewohner. Er sähe nämlich sonst aus wie eine niedliche Katze, der ein Cola-Geysir aus dem Mentos spritzt, das sie statt eines Auges hat, und wäre noch viel unbeliebter. Wer heutzutage dem Irrglauben, viele Narren seien klüger als ein einzelner Narr, noch anhängt, braucht aber nicht auf den Katzenmond zu warten, er kann sich anhand des Wikiromans von Penguin bequem vom Gegenteil überzeugen. Leider kann er sich jedoch sofort danach mit dem am 6. Mai veröffentlichten Trailer von Iron Sky vom Gegenteil dieses Gegenteils einwickeln lassen, die Welt ist nämlich komplizierter als der Mond. Iron Sky ist ein Film über die Rückkehr der aus der Antarktis auf den Mond geflüchteten Nazis, kollektiv gedreht von den Bewohnern des Internet, mittels einer wikiartigen Produktionswebseite. Mit diesen Mitteln hätte man womöglich sogar den Mond selbst so hingekriegt, dass er nach was aussieht.
Aquapower: Die hochkonzentrierte Essenz von Wasser (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Zwar ist Wasser an sich schon ein faszinierendes Zeug mit mannigfaltigen Eigenschaften. Dennoch bleibt die Zahl irgendwie etwas abstrakt: "Mit der Power von 5000 Litern Thermalwasser". Ginge es um die gesundheitsfördernde Kraft des reinen Wassers, die sich hinter dem Konzept SPA ("Sanus Per Aquam") verbirgt, wäre die Information eine glatte Nullaussage, zumal sie nicht mal Angaben über die Menge enthält, auf die diese 50 Hektoliter buchstäblich eingedampft werden. Auch nach den Regeln der Homöopathie wäre der Gedanke, eine Lösung so lange wieder einzudicken, bis die reine Wirksubstanz übrig bleibt, nachgerade kontraproduktiv. Dem Kleingedruckten entnehmen wir aber, dass es sich bei dem wirksamen Äquivalent der fünf Tonnen Thermalwasser in Biotherm Homme um hochkonzentriertes "Reines Thermalplankton-Extrakt (RTPE)" handelt, dessen regenerative und vitalisierende Wirkung auf Haut und Zellen angeblich wissenschaftlich nachgewiesen ist. Zwar kann Wikipedia mit dem Begriff "Thermalplankton" nichts anfangen, auch das Kürzel RTPE scheint landläufig eher andere Bedeutungen aufzuweisen. Dennoch sind wir unterm Strich froh, nicht länger ständig fünf Kubikmeter Wasser im Kulturbeutel mit herumtragen zu müssen.
Foto: Kai SchreiberWas genau eigentlich Leben von Nicht-Leben unterscheidet, darüber besteht weiterhin kein Konsens in der Wissenschaft. Weitaus einfacher ist es eventuell, ein Eichhörnchen von einem Nicht-Einhörnchen zu unterscheiden, zum Beispiel auf der Basis der in vielfacher Ausführung frei herumlaufenden Präzedenzfälle. Ein Eichhörnchen ist etwas, das so aussieht wie alle anderen Eichhörnchen und das Laute erzeugt, die denen eines Eichhörnches ähneln. Damit es nicht ganz so einfach ist, fügen wir noch ein arbiträres Feature hinzu, sagen wir Schwanzwackeln. Auf dieser theoretischen Basis wurde bereits im Jahr 2004 ein artifizielles Eichhörnchen gebaut, das von Artgenossen zumindest nicht sofort als Trick entlarvt wurde. Ein Meilenstein in der Eichhorngenese.
Ein weiterer Schritt nach vorne wäre möglich, wenn man, wie Experten vorschlagen, das obige Proto-Squirrel mit kletterfähigen Robotern paart, wie sie z. B. von der DARPA vor zwei Jahren entwickelt wurden. Nun hat RISE, der Kletter-Robot, zweifellos ein angenehmes Äusseres und sollte nicht an der Autobahnraststätte ausgesetzt werden. Aber es kann nicht verheimlicht werden, dass er sechs Beine hat und sich mit vieren vermutlich weniger erhaben am Baum benimmt. Ganz zu schweigen davon, dass er, um im Bewegungsablauf dem Original zu ähneln, mindestens zehnmal soviel Beine bräuchte.
Ernüchterung macht sich breit. Nach jahrelanger harter Arbeit stehen wir im Verständnis der Eichhörnchenseele immer noch ganz am Anfang.