Riesenmaschine

02.09.2013 | 02:57 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Ein anstrengender Tag in der Firma Gehring-Bunte Getränke Industrie GmbH & Co.KG, Bielefeld


Foto Paul Lindner mit freundlicher Genehmigung, ansonsten alle Rechte vorbehalten


Es war die wichtigste Markteinführung in der Geschichte der Gehring-Bunte Getränke Industrie GmbH & Co.KG seit der Quickdrinkflasche. Auch wenn das Balance- und Near-Juice-Segment boomte, war die Marke "Christinen" ziemlich am Ende. Die Einbrüche in der Produktkategorie "Carat" waren zweistellig. Guerilla-Marketingideen wie "Jumbo-Samba mit Tutti-Frutti" hatten die Wende nicht herbeizuführen vermocht. Es ging ums Ganze.

"Apfel-Rhabarber läuft zu gut rein. Wir brauchen was, was kognitiv knirscht! Ein Wabi-Sabi-Element!", forderte Vogelpoth. "Denken Sie an CujaMara-Eis, denken Sie an die Zörbiger Überrübe!", unterstützte ihn Eisensteger.
"Ich glaube übrigens, Schorlette ist das nächste grosse Ding", dachte Praktikant Piepenstock.
"Apfel-Rhabarber", beharrte Moehlmann, "Apfel-Rhabarber. Apfel-Rhabarber. Alles andere ist Mist." "Rhabarber-Apfel ist 'Hund beisst Mann'. Apfel-Rhabarber ist 'Mann beisst Hund'", schnaubte Früchtereferendar Nellkamp.
"Und wenn wir es Rhabarbapfel nennen? Rhabarbapfel-Schorlette?", dachte der Praktikant.
"Zweisilbig-dreisilbig-zweisilbig ist plausibler als dreisilbig-zweisilbig-zweisilbig" erklärte Dunkhorst und schlug erregt den Takt dazu auf die Konferenztischplatte. "Ausserdem ist es alphabetisch richtig." An dieser Stelle kippte die Diskussion. "Alphabetisch! Sie sortieren wohl auch ihre Unterhosen alphabetisch", rief Vogelpoth. "RAS klingt wie RAF!", rief Moehlmann. "ARS klingt wie Arsch!", konterte Nellkamp.
"Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber", dachte der Praktikant.

Erst jetzt meldete sich Firmenpatriarch Sasel zu Wort. Sein Kompromissvorschlag sollte als salomonisch in die Firmengeschichte eingehen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Tag am Institut d'Astrophysique Spatiale

Michael Brake, Holm Friebe, Kathrin Passig, Christoph Albers | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


24.08.2013 | 01:37 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

UP2U


Schliesst sich der Karavane an: Kaugummi (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schon wieder bahnbrechende Entwicklungen auf dem Kaugummi-Sektor. Nachdem Wrigley schon 2008 den Therapie-Gummi und kurz darauf die Ü30-Kaugummi-Linie 5GUM "mit einem bisher unbekannten, sensorischen Produkterlebnis" auf den Markt gebracht hat, versucht jetzt Menthos mit dem UP2U zu kontern. Zwei Geschmackrichtungen! In einem Etui! Erdbeere UND Minze! Und das wirklich besondere daran: Du entscheidest! Ob Menthos mit diesem "abwechslungsreichen Kauspass" gegen des sensorische Erlebnis von Wrigley ankommt, bleibt in einer ersten Abwägung fraglich. Aber es liegt ebenso auf der Hand, dass Menthos mit dem UP2U höchstens den ersten Schritt des langen, steinigen Wegs, den auch schon Geschirrspülmaschinentabs, Zahnersatzreiniger und Toilettenpapier gegangen sind, gemacht hat und nun jedes Jahr mindestens noch eine Phase draufpacken werden muss, um sich am Markt zu behaupten. Vermutlich schon 2017 werden wir aus 7 verschiedenen Aromen wählen können. In einer einzigen Packung!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Deppenmagneten


03.12.2012 | 08:55 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt | Effekte und Syndrome

Neue Alleinstellungsmerkmale


Scheisse, Boss, da ist ja noch das Klimaneutral-Dings von 2011 mit drauf! Aber merkt schon keiner. Foto: Kathrin Passig
Als die Riesenmaschine noch jung war, Dinosaurier die Erde bevölkerten und irgendwo gerade Steinmetze die ersten Prototypen von Rollkoffer, Crocs und Facebook herstellten, da wurde auf Trendlimonaden noch einzeln aufgeführt, welche ungesunden Dinge nicht darin enthalten waren: "NO fructose syrup, NO sodium benzoate, NO aspartame, NO potassium sorbate, NO phosphoric acid, NO colourings and NO artificial flavourings". Schon kurze Zeit später überschwemmte eine Welle von Bionade-Nachahmerlimonaden Deutschland, und in der langen dunklen Kaffeepause der Riesenmaschine (2009-2012) breiteten sich, von uns undokumentiert, die Ökosupermärkte derartig aus, dass man demnächst Bioabteilungen in Ökosupermärkte einbauen müssen wird, weil anderswo kein Platz mehr ist.

Eine ganze Weile warfen die Getränke der Zukunft nur namenstechnisch ihren Schatten voraus. Aber jetzt ist es soweit, das Signaturgetränk der Zehner Jahre wurde gesichtet, und sein Etikettentexter weist nicht nur extra darauf hin, dass die Erdbeeren aus konventionellem Anbau stammen und ordentlich added sugar drin ist, nicht so ein Agavendicksaft oder gleich gar nichts. Er pflegt dabei auch noch subtil-ironische Brechungen aus dem Post-Werbetextzeitalter ein: "unbeschreiblich lecker", i.a.W. "ich texte mich doch nicht kaputt hier, sollen die Blogger machen, viral Alter, Feierabend". Die ersten Billignachahmerlimonaden (Unfairtrade mit Extra-Herbiziden und Gentechnik) werden für 2014 erwartet.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Chinesische Getränkefolter


06.11.2012 | 20:50 | Essen und Essenzielles

Gebackene Bälle


Screenshot von eattheball.com

Warum interessieren sich eigentlich immer weniger und fast keine jungen Leute mehr für Brot? Fragt die Firma Eat the Ball aus Salzburg auf ihrer Homepage, und gibt sich gleich selbst die Antwort, weil uns bisher die Problematik noch gar nicht so bewusst gewesen ist: "Weil Brot und Gebäck generisch, wenig spannend, uninteressant und gar nicht cool geworden sind bzw. so wenig unterschiedlich schmecken, dass sie beinahe nur mehr mit Füllung (Wurst, Fleisch, Käse, Marmelade, etc.) genossen werden können." Früher war es also cool und spannend, Brot nur so zu essen, ohne alles, das so genannte trocken Brot. Aber weil inzwischen aus lauter Verzweiflung pakistanische Cricketspieler schon mal an dem einen oder anderen Ball geknabbert haben, kam man wohl in den Backstuben Salzburgs auf die Idee, dass es zwar in erster Linie am wenig spannenden Geschmack liegen muss, aber wohl auch an der Form, dass Brot so uninteressant ist. Eventuell gibt es hier einen Zusammenhang mit dem sogenannten Globussyndrom, dem Kloss im Hals. Wer sich bisher nicht erklären konnte, warum es mit dem Schlucken hapert, wo man doch Brot bisher nur in Scheiben schnabulierte, mit dem Brotball erklärt sich das, was wir seit Pythagoras wissen sollten: dass unser hübscher, kleiner Erdball eben keine Scheibe ist.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


03.11.2012 | 19:01 | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Chinesische Getränkefolter

Der Getränkesektor liegt in Scherben, oder was auch immer entsteht, wenn man Plastikflaschen und Blechdosen in kleine Stücke reisst. Das beklagten wir schon vor gut zwei Jahren, und wenig hat sich seitdem getan. Das Near-Water-Segment ist immer noch in der Apfel-Himbeer-Dauerschleife. Auf dem Cola-Markt gilt es bereits als Innovation, wenn man Zucker durch Agavendicksaft ersetzt. Die Energydrinkfront beschränkt sich auf leichte Modifikationen in ihrer Tier-Ikonographie und verkauft weiterhin hart gesüssten Urin. Und das Fentiman's-Sortiment, für Insider schon immer eine Oase der Softdrink-Kreativität, wird nur noch in zweieinhalb Zeitungsläden im Südosten von Lancashire angeboten.


(Foto: Aleks Scholz)
In diesen argen Zeiten ist es schwer, weiter für den Getränkefortschritt zu kämpfen, und viele von uns haben inzwischen aufgegeben. Wer jetzt noch durchhält, der hat vermutlich einen Chinaladen in unmittelbarer Nähe. Exilchinesen werden überraschend zum letzten Bollwerk der Getränkerevolution. In dreckigen Kühlschränken, versteckt irgendwo im Keller von Bahnhöfen, gleich neben kaputten Geldautomaten, stehen die Softdrink-Ersatzdrogen, die uns durch die harten Tage helfen. Zum Beispiel der Pennywort Drink von Foco, ein "Erfrischungsgetränk mit Wassernabelgeschmack", gebraut offenbar aus Indischem Wassernabel (Centella Asiatica). Man sagt, es hilft gegen Lepra.

Indischer Wassernabel ist eine kleine, krautige Pflanze, die im Sumpf und im Dreck gedeiht, und der genau zu Sumpf und Dreck passende Geruch aus Verwesung schlägt einem entgegen, sobald man es geschafft hat, die äusserst gut gepanzerte Dose zu öffnen. Ein bisschen rechnet man mit aufsteigenden Fliegenschwärmen. Wie so oft bei Gemüsedrinks wird man ein bisschen von einer stumpfbraunen Farbe überrascht, die eher an Reaktorabwasser erinnert. Der eigentlicher Knaller kommt jedoch erst beim ersten Schluck, denn der Geschmack – süsslich, blass, vegetativ, nichtssagend, schmerzlos – hat absolut rein gar nichts mit dem Todesgeruch zu tun, ein grosses Wunder der Natur. Die internationalen Reviews des Wassernabellikörs sind positiv ausgedrückt gemischt; es sei vielleicht gerade so okay, das Zeug nicht zu trinken; man möchte es vielleicht nicht in grossen Mengen trinken, wenn überhaupt; es schmecke zwar wie Meerschweinchenheu, sei aber immerhin nicht so schlecht wie Marmite.

Aber das sind die Opfer, die wir bringen müssen. Eine Dose mit Reaktortonic oder Meerschweinchenextrakt sind immer noch deutlich mehr Innovation als die Firmen Coca Cola, Bionade GmbH und Wüteria Mineralquellen seit Beginn des Jahrtausends hingekriegt haben. Marmite wird übrigens aus Bierhefeabfällen hergestellt.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


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