Riesenmaschine

08.09.2008 | 02:01 | Berlin | Supertiere | Sachen kaufen | Vermutungen über die Welt

Spitznasige Zielgruppen


Foto mit freundlicher Genehmigung von hcl.
Sehr spät, aber nun doch, hat die Werbeindustrie endlich den Maulwurf als Zielgruppe entdeckt: Dank seiner geringen Lebenserwartung (4 Jahre) ist er besonders konsumfreudig, denn langfristige Geldanlagen lohnen sich sowieso nicht. Er neigt zu Impulskäufen, will sich aber von opulent gestalteter Werbung und klangvollen Namen verführen lassen – starke, traditionsreiche Marken haben hier beste Chancen. Da die Mehrheit der Maulwürfe dem sozialen Milieu der erdverbundenen Traditionalisten angehört, zeitigen Internet- und auch Fernsehwerbung zu grosse Streuverluste, um sinnvoll eingesetzt werden zu können. Das Mittel der Wahl ist daher die klassische Aussenwerbung. Im Bild eine speziell angefertigte Litfasssäule nahe des Reichspietschufers in Berlin, mit Anzeigen für Nagelreiniger, Leselampen und Staubsauger.


25.08.2008 | 23:36 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Eichhörnchenrésistance


Balinesisches Hörnchen auf dem Kriegspfad
Ein beachtenswerter Akt zivilen Ungehorsams ereignete sich gestern in Zürich. Als sich die halbe Schweiz die verabscheungswürdige Olympiakitschschlussfeier anschauen musste, war plötzlich Bild und Ton weg. Ein Aufatmen ging durch das Land und man fragte sich, welcher Held diese so nötige Mission vollbracht hatte. Jetzt kam heraus: Ein einzelnes Eichhörnchen, im Alleingang, das sich todesmutig in eine Trafostation geworfen hat und dafür mit seinem tapferen, kleinen Leben bezahlt hat. So sieht es also aus, wenn sich die Eichhörnchen endlich aktiv ins Weltgeschehen einmischen. Dass davon auch ein paar aufrechte, unschuldige Formel-1-Zuschauer betroffen waren und 6000 Haushalte in Zürich komplett auf Strom verzichten mussten – das muss in diesem Krieg einfach akzeptiert werden. Aber man darf hoffen, dass der Widerstand nun endgültig erwacht, dass sich die Nagetiere aktiv ins Weltgeschehn einmischen und der nötige Wandel bis London 2012 vollzogen sein wird – die Weltherrschaft wird in vernünftigen Händen liegen und Milliarden von Menschen müssen sich keine albern verkleideten Männer auf albern leuchtenden Einrädern von 2008 Millimeter Durchmesser mehr anschauen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Viele Hasen sind des Hundes Tod


30.07.2008 | 17:13 | Supertiere | Alles wird besser | Sachen kaufen

Molekularkuscheln


Supercute! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nach Jahren kommt überraschend wieder Bewegung ins totgeglaubte Plushie-Business. Da es mittlerweile alle erdenkbaren Mikroben und Bakterien zum Kuscheln gibt, wird von dieser Basis fortan in zwei Richtungen gearbeitet: The Particle Zoo hat die Stufe der Kuschelzellen und -atome behände übersprungen und bewegt sich auf submolekularer Ebene. Das Sortiment umfasst 33 niedliche Elementarteilchen, darunter Quarks, Leptonen, Eichbosonen, Baryonen, hypothetische Teilchen und natürlich auch 11 dazu passende Antiteilchen (separat verpackt). Die I Heart Guts (beide via Geekology) hingegen haben sich auf dem entgegengesetzten Weg schon bis zur Organebene vorgearbeitet. Neben den Klassikern wie Niere, Leber und Lunge gibt es seit neuestem auch das Gehirn und das limitierte Herz aus Gold. Als nächsten Schritt wird es dann wohl komplexe Kuschelorgansysteme, Kuschelskelette und später womöglich ganze Kuschellebewesen geben.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Endlösung der Kuscheltierfrage


24.07.2008 | 02:10 | Anderswo | Supertiere | Fakten und Figuren

Von Mäusen und Mäusen (und Mäusen)


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Nagetiere, Riesenmaschine, Schutzpatrone, Huldigung, wir können es nicht oft genug sagen. Eine besondere und wichtige Rolle spielt hierbei die Nagetierforschung, die sich allein dem Zweck verschrieben hat, herauszufinden, wie man die Welt noch besser für Nagetiere einrichten kann. Daher freuen wir uns ausserordentlich, dass von heute bis zum 28. Juli zum elften Mal der internationale Nagetierkongress Rodens et Spatium tagt, dieses Mal im russischen Städtchen Myschkin, Heimat des welteinzigen Mausmuseums.

Das Programm ist ortsgerecht äusserst mauslastig gehalten und umfasst 72 Vorträge, unter anderem "Spatial interrelations between bank voles and yellow-necked mice in Crabapple Island", "The wood mouse (Apodemus sylvaticus) in treeless Iceland: Surviving north of the natural distribution range", "Mosaicism, caused by B chromosomes variability, in the Korean field mouse", "Do field voles have a good spatial orientation?" und "Food intake regulation in pregnant and suckling mice". Dazu kommen rund 100 Posterpräsentationen und eine Handvoll Symposien.

Für die Riesenmaschine wollte eigentlich Bilchexpertin Kathrin Passig live aus Myschkin berichten, musste aber enttäuscht feststellen, dass die Anmeldefrist vor vielen Monaten abgelaufen war. Warum wir dann trotzdem noch auf den Kongress hinweisen? Nun, warum denn nicht? Bei anderen Veranstaltungen wie dem G8-Gipfel wird doch genauso verfahren. Ausserdem verlangen sie es von uns.


12.07.2008 | 15:08 | Supertiere | Fakten und Figuren

Ohne Kern ging's auch


So in etwa. (Foto: paul goyette) (Lizenz)
Modernes Leben ist so unangenehm komplex, dass jeder nach Vereinfachung strebt. Ab einem gewissen Alter sehnen wir uns nach der Zeit zurück, als alles noch gut war, also vor dem letzten Krieg oder der eigenen Geburt. Evolutionsbiologen sind mit solch winzigen Zeiträumen nicht zu beglücken. Sie fantasieren lieber über die Zeit, als alles noch viel einfacher war und die Evolution noch nicht so viel Abfall neben den Nagetieren ausgestossen hatte.

Eines schönen Tages, so vor 4 Milliarden Jahren, war nämlich noch alles in Ordnung, es gab nur wenige Organismen auf unserem Planten, darunter LUCA, den letzten gemeinsamen Vorfahren allen heutigen Lebens inklusive Halobakterien, Hoatzins und Heidegger. Auf Konferenzen träumen die Forscher gerne davon, den kleinen Racker doch noch irgendwo in der Natur zu erwischen, denn ein paar Eigenschaften wie eine einfache Zellmembran, ein RNA-Genom und eine Vorliebe für heisse Gewässer reimt man sich zusammen. Einige versuchen auch, sein Genom aus dem bekannten Genmaterial heutiger Organismen zu rekonstruieren.

Eine gerade erschienene Zusammenfassung unseres Wissens kommt allerdings zu einer entmutigenden Schlussfolgerung (PDF, 447 KB Evolutionssprech nebst Kommentaren der Gutachter): LUCA war kein den Bakterien nahestehender, einzelner, simpler Organismus, sondern ein ziemlich kompliziertes Gemenge aus Vorläufern der Eukaryoten, den Zellen, aus denen heute Pflanzen, Hefen und Mäuse bestehen. Und dann ging es erst richtig los: Endoymbiose, mehrfacher Ersatz von RNA durch DNA, eventuell durch Viren, konvergente Evolution an allen Enden, dass einem das endoplasmatische Retikulum Blasen wirft, wenn man darüber nachdenkt.

Jedenfalls klingt das alles, als sei das Leben nie jemals einfach gewesen und die Hoffnung, dass es das mal sein wird, sinkt weiter. Scheisse.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Darwins holistische Detektei


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