Riesenmaschine

11.04.2007 | 00:06 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Ausflüge obenrum

Google Earth ist für die meisten von uns inzwischen total langweilig, weil man über die meisten Orte der Erde ohnehin ständig drüberfliegt. Google Moon und Google Mars sind ein okayer Zeitvertreib, aber wie lange noch, fragt man sich mit bangem Blick. Glücklicherweise ist die Verkartographisierung der Welt schneller als die Entwicklung der Flugpreise: Wikisky bietet jetzt die Verwebzweinullung des Sloan Digital Sky Surveys (SDSS), bis heute vielleicht das ehrgeizigste Unternehmen, das gesamte Universum auf die Erde herunterzuladen. Hier ein Flugvorschlag: Man gehe kurz ins Sternbild Löwe, schalte dort auf SDSS um, hole M96, die Spiralgalaxie am linken Bildrand, in den Mittelpunkt und gehe auf Warp, nein, Zoomstufe zehn oder so. Dann erkennt man nicht nur, dass gerade ein Asteroid unerlaubt vor der Galaxie herumirrt, sondern ausserdem schöne blaue Flecken im fernen Nebel, Zonen heisser Strahlkräfte mit grossen Schmerzen für alle Beteiligten. Knapp (naja) rechts daneben M95, eine genauso schöne Spiralgalaxie, die so tut, als hätte sie nichts besseres zu tun, als sich im Kreis zu drehen. Ein paar Tagesscrollreisen weiter nördlich dann gleich drei attraktive Galaxien auf einem Haufen, zwei davon gross und elliptisch, die dritte sorgfältig cyanblau angemalt. Sehr zu empfehlen ist auch eine Reise im Infrarotlicht mit Hilfe der Bilder des Satelliten IRAS, der sich in den 80ern die Mühe machte, den Weltraum im Dunkeln abzulichten. Man sieht endlich, dass die Milchstrasse nachts wie eine relativ gross geratene Bogenlampe aussieht, die nach allen Seiten glühende Klumpen ins Volk wirft (siehe Bild). Ach, Erde, langweiliges Geschöpf.


10.04.2007 | 13:59 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Abschied vom Virtuellen


Ein Blick in die Zukunft (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Produkte, wie wir sie bisher kennen, bestehen aus virtuellen Zutaten wie Marke, Markenmehrwert, Wiedererkennungswert, Gesundheitsversprechen, Alleinstellungsmerkmal, Corporate Design und der Überlegung, was dieser Joghurt sagen würde, wenn er unser Freund wäre und wir ihm auf der Strasse begegneten. Nur Grossbritannien geht neuerdings einen Sonderweg: Echte Zutaten (Kartoffeln, Fett, Salz, Pfeffer) werden nach Geschmackskriterien ausgewählt, gemeinsam in eine Tüte gesteckt und dem Kunden ausgehändigt. Noch weiss man nicht so genau, was mit dem Inhalt anzufangen ist. Aber das war bei der Erfindung des Buchdrucks ja auch nicht anders.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Neu! Jetzt auch mit Geschmack!


10.04.2007 | 02:33 | Berlin | Fakten und Figuren

Am selben Ort, etwas später


Mit begeisterten Ausrufen die erfolgreiche Eröffnung des Volksratgebers "Berlin zeitverschoben" begrüssen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Lenin mag in seinem Leben nicht alles richtig gemacht haben, aber zumindest hat er erkannt, dass es nicht genügt, auf Weltverbesserung zu warten. Manchmal muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen. Zwar kann man mittlerweile in sehr vielen Ländern rund um die Uhr alles Mögliche erledigen und muss in Dänemark überhaupt nicht mehr früh aufstehen, aber in Deutschland herrscht trotz so einer Art Freigabe der Ladenschlusszeiten immer noch bittere Not. Wer die ganze Nacht an der Revolution arbeitet, dem bleibt oft nichts anderes übrig, als sich von Döner und schuhsohlenartigem Börek zu ernähren.

Da die freundliche Firma Google seit einigen Tagen das Anlegen eigener Google Maps ermöglicht, gibt es unter Berlin zeitverschoben jetzt den Anfang einer Karte der vorbildlichen Betriebe Berlins: Frühstück nach vier, Einkaufen nach zehn, Essen nach Mitternacht, Bier nach vier. Ergänzungen werden in den Kommentaren dankbar entgegengenommen; vertrauenswürdigen Bürgern, die zu dem Thema mehr zu sagen haben, händigen wir auf Wunsch auch die Kartenzugangsdaten aus. Wenn das alles immer noch nicht hilft, die desolaten Zustände zu verändern, dann muss eben doch das Volk auf die Barrikaden gehen, so am späten Nachmittag vielleicht.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Reise ans Ende der Nacht


09.04.2007 | 12:01 | Anderswo | Supertiere

Elefanten für Glencoe


Glencoe
(Foto: mike138, Lizenz)

Irgendwo anders
(Foto: munir, Lizenz)
Der Duke of Argyll ist einer der mächtigsten Menschen in Schottland. Schon immer gewesen, wird immer so sein. Nicht nur war er der Häuptling des Campbell-Clans, als es den noch gab, sondern er führt ausserdem noch ungefähr 84 andere Bezeichnungen (leicht untertrieben). Er sollte sie verkaufen, die Titel wie Viscount Lochow and Glenyla, MacCailean Mòr und Son of Colin the Great, er könnte total reich sein. Moment, ist er wahrscheinlich, schon immer gewesen, wird immer sein. Die Leute von Argyll, vereinnahmt und geadelt vom englischen Königshaus, spielten führende Rollen bei zahllosen Kriegen, wurden exekutiert und, dem jakobitischen Wahn verfallen, von Lord Dalrymple gegen ihre alten Todfeinde, die MacDonalds von Glencoe, aufgehetzt, dort wo heute die Touristen ihre Beinchen am Ben Nevis zugrunde richten. Kaum jemand in Schottland hatte jemals soviel zu melden wie der Duke von Argyll.

War immer so, wird immer so sein. Der aktuelle Duke of Argyll ist gleichzeitig der jüngste: Torquhil Ian Campbell MacCailein Mor XIII Duke of Argyll. Weil Revolutionen, Massaker und Exekutionen in Argyll heute gesetzlich von den englischen Besetzern verboten sind, lässt er seinen Herrschaftsdrang an Elefanten aus. Elefanten-Polo funktioniert genauso wie Pferde-Polo, nur mit grösseren Tieren, deren Steuerung verkompliziert wird durch die Tatsache, dass sie weder englische noch gälische Befehle verstehen und, anstatt ihren royalen Pflichten nachzukommen, offenbar gern im Bambus streunen gehen. Der 13. Duke of Argyll führte sein schottisches Elefanten-Polo-Team zu drei Weltmeisterschaften innerhalb von fünf Jahren. Bis die Dynastie 2006 zusammenbrach, als der Duke das Turnier aus unbekannten Gründen versäumte. Stattdessen wurde im Dezember 2006 der schottische Angus-Clan Weltmeister im Elefanten-Polo – späte Rache für die MacDonalds, die Campbells geschlagen mit fremdartigem Getier.


08.04.2007 | 22:31 | Alles wird besser | Was fehlt | Vermutungen über die Welt

Pollock auf Pilzen


So könnte auch Ihre Suche aussehen! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Irgendeiner der vielen Usability-Päpste, die lustigerweise allesamt selbst unfassbar hässliche Webseiten haben, sagte Ende der 1990er Jahre: "Die meiste Zeit ist der User nicht auf Deiner Seite". So weit, so verquast, was er meinte ist, dass Seh- und Nutzungsgewohnheiten bereits durch andere geprägt worden seien, da beisse die Maus keinen Faden ab und nun stehe man da und müsse sich halt dem Mainstream anpassen, wenigstens in den Grundzügen, basta. Anfang des Jahrtausends wurde man mutiger im Netz, verwechselte Mut mit Flash, die Agenturen der Welt entdeckten das Wort "explorativ", was ein Euphemismus ist für: die Navigation versteht niemand bzw. erst nach einer halben Stunde.

Inzwischen gerinnt die an sich famose Usability in den falschen Köpfen allzuoft zu starrer Gleichmacherei, das gesamte Netz ist praktisch ein riesiges Amt randvoll mit Unüberraschendem, Erwartbarem, weil so viele nicht begreifen, dass andersartig und unverständlich keine Synonyme sein müssen; deshalb sieht im Internet 2007 immer eine Suche aus wie eine Suche wie eine Suche wie eine Seuche. Mit wie lautem Gesang muss man deshalb die psychedelische Farbsuche – ein niedlich behindertes Kind von Pollock auf Pilzen – des Marktplatzes für Selbstgemachtes, Etsy.com, loben? Man weiss es nicht, aber vielleicht programmiert jemand mal eine Suche für ungewöhnliche Suchen.


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