Vor knapp einem Jahr deckten wir weltexklusiv auf, dass die Gestaltung des Furbys keineswegs auf dem gedanklichen Mist der Spielzeugdesigner von Tiger Electronics gewachsen ist, sondern dass man bei Tiger bloss von einem Haus an der Berliner Besselstrasse abgekupfert hatte. Dachten wir. Dachten alle. Doch nun wurde ein weiterer potentieller Furby-Vorläufer entdeckt, in Form einer Dekofigur des Geister Tempels auf dem Hamburger Dom. Bekanntermassen wurde Furby 1998 auf den Markt gebracht, der Geister Tempel existiert aber bereits vier Jahre länger, seit 1994, als Nachfolger der legendären und sogar in H0 verewigten Mammuthöhle.
Nun ist die Verwirrung gross. Wer darf sich als geistiger Vater des Furbys bezeichnen? Die Architekten des Furbyhauses? Die Besitzer des Geister Tempels? Tiger Electronics? Oder am Ende doch wieder nur die olle Natur?
Bildschirmunterschrift (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Was oft verschwiegen wird: Die ach so futuremässige Zukunft ist eine der ältesten Veranstaltungen überhaupt, schon Thomas Morus hat an ihr herumgeschraubt und das war 1516, der Lateiner kannte den Zukunfts-Nachfolger Futur II schon vor Christi Geburt. Noch müssiger als über die Zukunft nachzudenken ist, über die Zukunft in der Vergangenheit nachzudenken, sich also Gedanken zu machen über die Gedanken, die in der Vergangenheit die Zukunft bestimmt haben, wie Jules Verne, der grossen alten Salonschwuchtel der Science Fiction.
Ein zentrales Gestaltungselement der vergangenen Vorstellung über die Zukunft ist der Bildschirm im öffentlichen Raum. In Metropolis entwirft Fritz Lang zwar das Bildtelefon, kriegt aber die Abzweigung Richtung Stadtmöbel Bildschirm noch nicht so recht hin. Den Bildschirm als Accessoire der Zukunft thematisiert Hugo Gernsback in seiner epochalen Zeitschrift "Amazing Stories". "Das neue Universum"-Autor Hans "The Freshest Fascist" Dominik spricht in seinem 1934er Buch mit dem glänzenden Titel "Das stählerne Geheimnis" von Bildschirmen in der Stadt, dann geht alles ganz schnell, Harry Bates und danach John W. Campbell geben in den 1930er Jahren "Astounding Stories of Super-Science" heraus, in dem heftig durch das halbe Universum gebildschirmt wird, im Film "Alarm im Weltall" werden 1956 bildschirmähnliche Grossdekorationen eingesetzt, mit "Der Schweigende Stern" hält der Grossscreen Einzug in die DDR-Science-Fiction, in den 1960er Jahren werden screenintensive Fernsehserien wie Star Trek und Raumschiff Orion im Dutzend auf den Markt geworfen und fortan ist der Bildschirm exzessiv von "Blade Runner" über "1984" bis "Brazil" zentrales Gestaltungselement; die sich überlappenden und bewegenden Werbe-Projektionen in "Minority Report" stellen den vorläufigen Höhepunkt dar, die glänzende Zukunft ist voller Bildschirm, schon immer gewesen, vorgestern, gestern, morgen, übermorgen. Und heute? Heute disqualifiziert sich wieder mal durch platteste Profanität, indem der Screen zwar allgegenwärtig geworden ist, wie vorausgesagt, aber anstatt Botschaften von fernen Sternen zu transportieren, kommt bei Obi im Schraubenregal Spax TV mit einer Videoanleitung zum Selbstschrauben. Vonnegut pulkte sich im Poloch.
"Man kann die Projekte von Schulz und Maske nicht gleichsetzen. Schulz will noch mal ein Boxer werden. Maske will einen Kick, mit Hymne und Lasershow. Schulz will noch mal um die Weltmeisterschaft boxen. Maskes Auftritt hat keinen sportlichen Wert", erklärte Boxexperte Gerhard Pfeil am 16. Oktober 2006 in einem Vier-Seiten-Bericht des SPIEGEL, in dem man auch vom angeblichen "heimlichen Lachen" der Assistenztrainer erfuhr, wenn Henry in den Sandsack haute. Nun könnte man denken, Maskes gestriges Comeback gegen den WBA-Weltmeister Hill hätte das Nachrichtenmagazin eines besseren belehrt. Man könnte aber auch Mike Glindmeier heissen und schreiben: "Die Ringrichter sahen Maske zwar einstimmig vorn (117:110, 116:113, 117:110), doch das Anschreibverhalten der Juroren ähnelte eher drei gut geölten Nähmaschinen. Wie die Kampfrichter auf insgesamt über 227 Treffer kamen, bleibt jedenfalls ihr Geheimnis." So wie es Glindmeiers Geheimnis bleibt, was die Punktewertung des Profiboxens mit der Anzahl der Treffer zu tun haben soll.
"Es war ein Kopfkampf", sagte Maske anschliessend, was uns daran erinnert, noch einmal auf den Fall des nigerianischen Schwergewichtschampions Ike Ibeabuchi hinzuweisen, dessen letzter Auftritt auch schon acht Jahre zurückliegt. Freunde hoher Trefferquoten können sich den Kampf des wüsten Schlägers gegen den ebenfalls wüsten Schläger Tua auf youtube ansehen: Es war der Kampf mit der höchsten Trefferanzahl (1730) im Schwergewichtsboxen überhaupt (139 Schläge mehr als bei Ali-Frazier III). Ein Comeback des seit 1999 in Haft befindlichen, ungeschlagenen Nigerianers (20-0-0) ist allerdings fraglich. Für Anhänger ungewöhnlicher Biographien: Aufgewachsen in einem nigerianischen Ghetto kommt Ibeabuchi 1993 mit seiner Mutter nach Amerika. Er gewinnt 15 seiner 20 Kämpfe durch K.O., und spätestens seit der ruinösen Schlacht gegen Tua macht sich eine milde Form des Wahnsinns in ihm bemerkbar. Ibeabuchi hat Geister im Haus, die "nur für ihn und seine Mutter sichtbar" sind, prügelt schon seine Sparringspartner krankenhausreif und entführt aus unklaren Gründen den Sohn einer früheren Freundin mit einem Auto, das er direkt gegen einen Betonpfeiler setzt. Der Junge bleibt dauerhaft geschädigt. Ibeabuchi ist nach kurzer Zeit wieder raus aus dem Knast und nimmt noch drei weitere Schwergewichte auseinander, darunter den damals ungeschlagenen Chris Byrd. Wenig später vergewaltigt er eine Striptease-Tänzerin in einem Schrank, wird von der Polizei mit Pfefferspray aus dem Hotelbadezimmer gejagt und sitzt seitdem in Lovelock, Nev., in Haft. Eine vorzeitige Entlassung wurde 2004 bereits einmal abgelehnt, Ibeabuchis nächster Haftprüfungstermin ist im Dezember 2007. Er ist dann 34 Jahre alt und in, wie man seiner Homepage entnehmen kann, guter Form: "I believe what the fans really want to know, is whether I am in shape. The answer is yes. I’m in shape to fight right now. My boxing program includes shadow boxing and the study of 'Psycho-pugilism'." Ob die seit Jahren eher mau besetzte Weltspitze im Schwergewichtsboxen auf jemanden wie Ibeabuchi noch gewartet hat, ist nicht ganz sicher. Aber die Riesenmaschine tut es.
Das ist das Etikett der weltberühmten deutschen Biermarke Blue Girl. Alles ist deutsch darauf: Die Bezeichnung "Pilsener Lager Bier", die Aufschrift "Schutzmarke", die lächelnde Germania, die eine dieser neumodischen elektrischen Lampen mit der Aufschrift "Excelsior" in der rechten Hand hält. Aber halt, "Blue Girl" ist doch gar kein deutscher Name? In Hongkong schon, wo dieses Bier das bekannteste und am meisten verbreitete "deutsche" Bier überhaupt ist. Ein typischer chinesischer Fake also, so wie Bayerische Gesundheitsideologie?
Keineswegs, auch wenn Blue Girl tatsächlich einer Hongkonger Firma gehört, die wiederum dänische Besitzer hat: Jebsen & Co. Die Vorfahren dieser Besitzer aber waren einst Deutsche, die Jacob Jebsen und Heinrich Jessen hiessen. Sie gründeten 1895 eine Handelsfirma in Hongkong, die 1906 dann Blue Girl erwarb; ein Bier, das angeblich bereits seit dem 18. Jahrhundert in Bremen gebraut wurde und an dem sich die deutschen Kolonialtruppen im chinesischen Qingdao gerne labten. Erst 1909 eröffnete Jebsen & Co. auch eine Niederlassung in Hamburg. Die Kaufleute selbst aber stammten ursprünglich aus dem nordschleswigschen Apenrade, und das war letztlich ihr Glück. Als im ersten Weltkrieg sämtliche deutsche Auslandsvermögen beschlagnahmt wurden, deren die Mitglieder der Entente habhaft werden konnten, betraf das natürlich auch Jebsen & Co. Nach dem Krieg aber waren die beiden Eigentümer plötzlich Dänen, und zwar weil 1921 Nordschleswig nach einer Volksabstimmung an Dänemark fiel. Auch ihre Firma war über Nacht dänisch geworden, so dass Jessen und Jebsen, anders als die deutschen Unternehmen im britischen Hongkong, unbehelligt weiter wirtschaften konnten.
Das Bier aber blieb deutsch. Das Etikett der Flasche jedenfalls sieht heute immer noch so aus, wie Etiketten im deutschen Kaiserreich aussehen mussten. Wie allerdings der Originalmarkenname gelautet hat, ist nirgends in Erfahrung zu bringen. Wirklich "Blaues Mädchen"? Wenn ja, könnte nicht einer diesen schönen Biernamen aus Hongkong reimportieren? Besser als Beck's Gold, Beck's Chilled Orange, Beck's Level 42 oder, ächz, würg, Beck's Fünftagebart ist er allemal.
Die meisten Gegenstände kann man anfassen, die meisten Sachverhalte kann man doof, die meisten Abstraktionen unbegreiflich finden. Nicht so die Zeit. Niemand weiss, was sie ist oder soll, nicht mal ganz dumm stellen hilft. In der für sie heutzutage zuständigen Disziplin Physik kommt sie nur implizit vor, als Indexvariable dynamischer Prozesse, und, in Form des Zeitpfeils, als Logikrätsel. Wenn doch alle Naturgesetze in der Zeit umkehrbar sind, warum gibt es dann eine Vergangenheit und eine Zukunft? Gibt es eine kleinste Zeiteinheit, ein Chronon, und wenn ja, wo kann man es kaufen? Und wenn die Relativitätstheorie zu Recht Raum und Zeit zu unterschiedlichen Aspekten eines zugrundeliegenden Unbegreiflichen erklärt, einer enormen, verbeulten Gummizelle namens Universum, warum kann man dann nicht die paar hundert Kilometer nehmen, die man zu weit von jemandem entfernt wohnt, und sie in ein bisschen mehr Zeit verbiegen? Oder die Zeit, die man mit den Links im vorigen Beitrag verschwendet hat, in einen Umzug oder einen Marathonlauf umtauschen? Aber wahrscheinlich ist die Zeit nur ein Schwall kalten Wassers, der einem regelmässig über den Kopf gegossen wird, und man kann nichts machen.