Riesenmaschine

28.01.2007 | 20:55 | Nachtleuchtendes | Supertiere

Guck mal was da denkt


Genverschraubtes Mausmonster (Foto: Ikayama)
Es ist ein alter Hut mit Propeller drauf, beziehungsweise eine alte Baseballkappe mit nach hinten gedrehtem Schild, dass die je gültige Annahme darüber, wie das Gehirn funktioniere, mit der gerade aktuellen Technologie Schritt hält. Erst hielt man es für eine Ätherschleuder, dann für eine ausgeklügelte Maschine, für einen Computer, demnächst dann für ein iPhone oder ein Universalgadget. Die schiere Beliebigkeit der Belegungen zeigt schon, dass hier wie in der Medizin nur die Ratlosigkeit hinter kompliziertem Zeug versteckt wird, dass also die Hirnforschung an galoppierendem Metaphernsyndrom leidet.

Der Grund dafür ist natürlich, dass das Gehirn zuallererst mal ein Gehirn ist, das heisst ein riesiger Haufen komplizierten Schmadders, Milliarden von Neuronen, die aufs Verwirrendste zusammengestöpselt sind, und alle bisherigen Versuche, ein wenig Ordnung in den Wirrwarr zu bringen, hauptsächlich das Gefühl verstärken, kaum was über das schwabbelige Organ der Erkenntnis zu wissen. Zwar kann man Tieren – und manchmal sogar Menschen – Elektroden in die Rübe stecken, und Hirnimpulse knattern hören, aber man hört dabei nur wenigen Neuronen zu, und weiss obendrein nicht genau, welchen, bis man das Tier zerschneidet, und dann ist es ja kaputt.

Um besser sehen zu können, was ein Tier so denkt, haben Genmechaniker jetzt fluoreszierende Eiweisse in Mäuseneuronen geschraubt. Die so zerbastelten Mäuse sehen in Betrieb aus wie eine Science-Fiction-Dekoration aus den Siebzigern, mit Lichtimpulsen, die Kabel entlangflitzen, und können also buchstäblich beim Denken beobachtet werden. Man muss dazu nur den Mäusekopf aufsägen und das Gehirn freilegen. Dass das dann beobachtete Funkenfeuerwerk "Hey, mach den Kopf zu, Blödmann" bedeuten wird, wissen wir zwar schon vorher, aber wir wollen den Mechanikern ja nicht den Spass verderben.


28.01.2007 | 13:30 | Anderswo | Was fehlt

Neues vom Stadtmarketing


Reiterstadt Verden. Reiterstadt Verden. Reiterstadt Verden! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Stadtmarketing ist eine brandneue, kaum 3000 Jahre alte Sache, wenn man die erste virale Kampagne ("in Jerusalem sind die Strassen aus Gold") mitrechnet, die es sogar in den damals angesagtesten Universalratgeber schaffte. Eine neuere, handfestere Entwicklung im Bereich Urban Image Management ist die Verleihung des "Bad", eine Art Doktortitel für Städte, organisiert vom 1892 gegründeten Deutschen Heilbäderverband. Über die Jahre scheint sich jedoch dieses Heilbäderprädikat ob der schieren Masse der Bäder abgenutzt zu haben. Vielleicht deshalb preschte jüngst in den Dreissiger Jahren das Städtchen Verden an der Aller voran und nannte sich offiziell Reiterstadt. Überliefert ist, dass Pferde in Verden seit 1648, der Einrichtung einer Reitergarnison, eine grössere Rolle spielen. Der Name aber stammt eher von Furt oder Fähre her und ist älter als die städtische Pferdefreundschaft, was wiederum wahrscheinlich bedeutet, dass man aus dem hippophonen Stadtnamen irgendwann direkt das Stadtmarketingkonzept "Reiterstadt Verden" abgeleitet hat. Eine grandios einfache Idee, die auch bei der Vermarktung anderer Städte Pate stehen könnte; wir empfehlen die Motorradmetropole Helmstedt, die Kotzstadt Speyer, die Fahrradwerkstattstadt Radebeul und natürlich die Nagetierverherrlichungsstadt Nagold.


28.01.2007 | 01:10 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Horsts Tod


Der Mond, mit (ungenauem) Verfallsdatum im Krater rechts unten (Credits: Ranger Project, NASA)
Ganz sicher das nutzloseste Wissen, das die Menschheit bisher hervorgebracht hat, ist das um das langfristige Schicksal der Sonne. Was könnte es für einen Sinn haben, heute schon genau zu wissen, wie sich in fünf Milliarden Jahren die Sonne zunächst zum Roten Riesen aufblähen und in der Folge als Weisser Zwerg sterben wird, wenn wir noch nicht mal wissen, wie lange es noch dauern wird, bis die Waschmaschine im Keller endgültig ihren Geist aufgibt? Beruhigend daher zu erfahren, dass das Schicksal des Mondes im Unklaren ist, und zwar schon länger. Aber erst letzte Woche erfährt man bei space.com von einer zumindest ästhetisch wertvollen Variante, vorgestellt von Lee Anne Willson, Astronomin in Iowa: Wenn also der Mond in den heissen Aussenschichten der aufgeblähten Sonne zu baden beginnt, verlangsamt sich seine Fahrt, er kommt der Erde immer näher, bis, schliesslich, er eine Stelle erreicht, die Roche-Limit heisst, und genau dort von den Kräften zerrissen wird, die auf dem Mond für Ebbe und Flut sorgen würden, gäbe es dort Meere. Dann wird die zu diesem Zeitpunkt bereits unangenehm dampfende Erde für eine Weile von einem schönen Mondschrottring umgeben sein, bis die Mondreste dann, man ahnt es, auf die Erde niederregnen. Erst ein spektakulärer Mondzerbruch, dann ein Ring am Himmel, schliesslich ein Steinregen, so hat man sich öde Winterabende immer vorgestellt. Schade nur, dass wir alle samt Kindern und Kindeskindern zu diesem Zeitpunkt, auch das wissen wir sicher, bereits tot sein werden.


27.01.2007 | 15:53 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Taiga im Tank


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Ein Kilo Gas tanken hört sich an wie ein Meter Pommes in der Flasche (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Erdgasbetriebene Fahrzeuge explodieren auf deutschen Strassen, und zwar in der Anzahl. Ob der Russe mit dem Gasrubel in Zukunft ähnlich verantwortungsvoll umgeht wie der Araber mit dem Öldollar, wird man abwarten müssen. Bis dahin kann man sein geopolitisches Gewissen mit den gesparten Steuern beruhigen, und ein bisschen umweltiger sind Erdgasautos auch. Vielen Menschen ist allerdings unbekannt, dass man mit einem solchen Wagen in Kilo tankt, was einem hübsch den Geist öffnet zum fröhlichen Durcheinanderwirbeln der Alltagsmasseinheiten:
Warum nicht endlich mal zwei Stunden Bratkartoffeln bestellen? Eine 300 Kubikmeter grosse Wohnung anmieten? Urlaub im Umkreis von 250 Euro machen? Oder von 38° bis 32° lang baden? So weit kann einen ein Erdgasgefährt bereits beim Auftanken bringen, allein dafür hat sich die Sache gelohnt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Masseinheiten für Gefühle


27.01.2007 | 09:23 | Alles wird besser

Das neue Scrollen


Besser als Brüste (Foto via Raw Feed) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Walt Mossberg, Technikkolumnist des Wall Street Journal, ist einer der wenigen Menschen, die tatsächlich schon einmal Apples neues iPhone in Händen hielten und benutzen durften. Deshalb konnte er kürzlich auf der DLD-Conference in München von dieser Erfahrung berichten und lobte dabei weniger das Design als solches, als die völlig neue Erfahrung bei der Benutzerführung jenseits der Desktop-Metapher, die eine Reihe neuer Kulturtechniken in der Interaktion mit Interfaces mit sich bringen dürfte. So würde an die Stelle des mühsamen Scrollens das "Flicking" treten, eine Art schnelles Umblättern mit Gummibandeffekt. "Pinching" hingegen bezeichnet die Skalierung von Bildschirmobjekten mit Daumen und Zeigefinger. Wie diese und andere Interaktionsformen im Grossleinwand-Massstab aussehen könnte, haben derweil Jefferson Han und Phil Davidson vom MIT erforscht. Ihre spektakuläre Prototypendemonstration gibt es hier als Video zu sehen. Einfach anschauen, meditieren und die nächsten drei Jahre ungeduldig darauf warten, dass das Zeug ins Endkunden-Segment einsickert und erschwinglich wird.


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