19.07.2006 | 11:36 | Berlin | Anderswo
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)"The early bird catches the worm, but the second mouse gets the cheese." Diese Weisheit, die uns zuletzt die New Economy eindrücklich anschaulich gemacht hat, scheint sich als Schema im erbitterten Standortringen der aufstrebenden polnischen Ostseebäder wiederzufinden und erneut zu bewahrheiten. Nachdem im Mai bereits Zachodniopomorskie mutig in die Spur gestiegen ist, um sich mittels massiver Aussenwerbung den Berlinern als Destination und, ja, doch: Marke ins Bewusstsein zu drängen, legt jetzt Gdansk nach – und macht alles richtig. Wo bei Zachodniopomorskie viel Weissraum und gestische Malerei am Start ist, prangt hier ein lupenreines Postkartenidyll mit einem attraktiven jungen Pärchen. Wo Zachodniopomorskie mit der Headline "Meer der Abenteuer" das naheliegende originelle Wortspiel verschenkt, werden bei Gdansk mit "Meer der Möglichkeiten – Mehr an Möglichkeiten" alle Unzweideutigkeiten restlos ausradiert und dem Erdboden gleich gemacht. Wo Zachodniopomorskie sich halsbrecherisch selbstbewusst auf die konsonantenreiche Nachkriegsidentität stützt, schimmert bei Gdansk noch das alte "Danzig" durch, das auch altdeutschen Silver Agern noch etwas sagt. Zachodniopomorskie vs. Gdansk: das gesamte Spektrum der Möglichkeiten modernen Tourismusmarketings zwischen zwei Polen.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wenn bei Zachodniopomorskie die rote Sonne ...
19.07.2006 | 03:58 | Anderswo | Alles wird besser | Essen und Essenzielles
 Null & Schwarz (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Eines der grossen Probleme der Menschheit bleibt nach wie vor die massive Ungeficktheit und deren Folgen Gewalt und Zynismus. Zynismusverurteilung ist eine leichte Trockenübung, Zynismusvermeidung im Fluss des Alltags eine schwierige Sache. Denn weil der Kern des Zynismus Menschenverachtung ist, kann man auch beim Konsum durch Gedankenlosigkeit zynisch sein, zum Beispiel, indem man ohne gross nachzudenken drei, vier ukrainische Prostituierte ins Hotel bestellt. Trotzdem ist vollkommen unmöglich, über jedes Produkt so weitreichend informiert zu sein, dass man als Verbraucher stets auf der sicheren, unzynischen Seite steht. Zum Beispiel ahnt niemand, dass man mit dem Kauf von Schuhen der Marke Kialo eine Firma unterstützt, deren Mutterkonzern vermutlich auch vom Opiumanbau in Angola profitiert.
Die Wahrheit ist selten pur und immer kompliziert, insofern ist es nicht leicht, vorbehaltlos zwei neue Coke-Produkte vorzustellen, angesichts der vielschichtigen, verwirrenden Debatte um Coca Cola in Kolumbien, wo Gewalttätigkeit total en vogue ist und laut UN-Untersuchung in den letzten fünf Jahren anderthalb Millionen Menschen vor Gewalt im Zusammenhang mit Coca-Anbau geflohen sind. Wenn man von der inzwischen geächteten Chemiewaffe Cherry Coke absieht, kann man aber feststellen, dass Koksen wesentlich mehr Menschen der Gewalt aussetzt als Cola trinken. Erst recht, wenn es sich um zwei neue, hier kennengelernte Produkte handelt. Das neue Lightprodukt Coke Zero schmeckt, wie man sich Coke Light immer gewünscht hat, also minus Seife plus die kristalline Sämigkeit von Zucker, aber ohne Zucker. Coke Blak dagegen schmeckt ärgerlicherweise hervorragend. Wie hat man gehofft, dass der als allerletzter auf den dämlichen Kaffeetrend aufspringende Grosskonzern einen Bauchklatscher im Haifischbecken der Softdrinks hinlegt. Aber schade, Coke Blak ist leider das beste Kaffeegesöff seit Kaffee. Nur mit dem Namen hat man sich vollkommen vertan, blak heisst auf altisländisch "schlagen", das muss in diesen Tagen als klares Bekenntnis pro Gewalt gelten. Wie Coke aus diesem PR-Debakel wohl wieder rückwärts rausgeschlängelt kommt?
18.07.2006 | 18:29 | Anderswo | Essen und Essenzielles
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die zwei mit Abstand beliebtesten Gerichte in Japan sind matschiges Curry und Schachtelnahrung, genannt Bento. Ursprünglich für Reisende entwickelt, erfreut sich dieses Gericht aber so grosser Beliebtheit, dass die Japaner die wie Pralinenschachteln hübsch verpackten und dekorierten Bentoboxen auch mit nach Hause nehmen und dort verzehren. Dabei sieht es besser aus, als es schmeckt, es ist kalt, klebrig, geschmacklos und muffig, nicht unähnlich etwa unseren Hasenbroten. Die bekanntesten Bentos sind die Ekiben, die Zugbentos, die es jetzt aber auch an Flughäfen als Soraben, Luftbentos gibt, das ist dann also das Zeug, das man woanders im Flugzeug bekommt. Das ist doch nun mal echte Bescheidenheit und Respekt vorm Essen, dass man sich endlich nicht mehr übers Flugzeugessen aufregt, sondern es sogar nach Hause mitnimmt. Warum es nicht mal den Japanern nachmachen, und sich abends zur Peter-Alexander-Geburtstagsgala statt einer Pizza mal ein Gefängnis- oder Krankenhausessen kommen lassen?
18.07.2006 | 11:26 | Was fehlt | Vermutungen über die Welt
 Hässliche Brötchen gehören nicht ins Fernsehen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)"Quatsch, mehr Quatsch, aber teuer, aufwändig und gutaussehend muss er sein", so eine der Thesen zur Rettung des Fernsehens am Schluss der zweitägigen Tagung auf Sylt, die bereits anderswo in einigen Worten Erwähnung fand. Bringt man konkrete Vorschläge in diese Richtung, so stösst man extrem schnell auf die dreifaltige Krux des betagten Mediums: a) gibt es schon in Amerika (Beispiel Mythbusters), b) wurde bereits letzten Freitag in "aspekte" gezeigt, c) funktioniert nur im Internet. Der trefflichste Beweis für den dritten Sargnagel des Fernsehens ist das sagenumwobene und hochkomische Schrödingersche Paradoxon-TV, das in einer Vielzahl von interessanten Plagiaten seit Jahrzehnten leider immer wieder von Unterhaltungsmachern abgelehnt werden muss und daher noch nie zur Ausstrahlung kam. Das Paradoxon lautet wie folgt: Entweder lebt die Katze oder sie ist tot, man weiss es immer erst, nachdem man den Fernseher eingeschaltet hat. Auf einem Kanal soll nach dem Einschalten entweder eine tote oder eine lebendige Katze erscheinen, wobei sich der Katzenstatus jeglicher Vorhersage entzieht. Die tiefe Ratlosigkeit, die ein solches innovatives Fernsehprogramm beim Zuschauer auslösen würde, verbunden mit der streng individualistischen Freude und Erleichterung nach dem Einschalten liesse die Welt in eine neue Welle des Hedonismus taumeln. Jedoch weiss der Fernsehsender gar nichts über den Ein- und Ausschaltprozess seiner Zuseher, und ist daher nicht imstande, darauf angemessen zu reagieren. Ein Medium, das zwar sendet, aber seine Zuschauer nicht sehen kann, das ist viel schlimmer als Beethoven nach der Erblindung, die nie stattfand (auch eine Art Paradoxon). Beethoven übrigens ist schon lange tot, das kann man als gut gesichert festhalten.
18.07.2006 | 02:16 | Supertiere | Alles wird schlechter | Papierrascheln
 So schön kann Promiskuität sein (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Nur kurze Zeit, nachdem Dämonen als Erklärungsmodell für alles ausgedient hatten, kamen die Menschen auf die Idee, ihre liebgewonnenen, aber bisweilen problematischen Schrulligkeiten den Genen in die Schuhe zu schieben. Das funktionierte gut, Nachrichten über frischgefundene Gene, die für Intelligenz, Homosexualität oder Übergewicht verantwortlich sein sollen, plätschern heute noch im Wochentakt durch die Zeitungen.
Deswegen sei hier nur darauf hingewiesen, dass statt Genen auch andere biologische Faktoren zur Erklärung menschlicher Eigenarten hoch im Kurs stehen: Das Zusammenspiel der aus der menschlichen Darmflora weidlich bekannten Bakterienlangweiler Methanobrevibacter smithii und Bacteroides thetaiotaomicron wurde für die Fettpolster von Mäusen verantwortlich gemacht. Damit stehen uns neben Designer-Antibiotika, die verschiedene dickmachende Keime erledigen sollen, auch kaum vorstellbare T-Shirt-Aufschriften ins Haus. Hingegen zeichnen weder Maus noch Bakterium für die sexuelle Orientierung von Männern verantwortlich, sondern die Zahl der älteren biologischen Brüder – die Mechanismen, die dahinter stehen, sind unbekannt, werden aber sicher nachgeliefert.
Und wenn diese Meldungen von den Tickern verschwunden sind, werden sie üblicherweise alsbald widerlegt – so funktioniert das Wunderwerk Wissenschaft. Gerade zum Beispiel gibt es schlechte Nachrichten für alle Wühlmäuse, die unter Berufung auf ihr Genom die Seitensprünge der letzten Woche erklären wollen. Ihre Monogamie-Mutation wurde nämlich als nicht relevant enttarnt. Auch genetische Befindlichkeiten bleiben Befindlichkeiten.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Dopaminnesang
... 317 318 319 320 321 [322] 323 324 325 326 327 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Schweden
- Monsterkapern (BIG!)
- selbstreinigende Ohren
- Faltschüssel
SO NICHT:
- unhaltbare Unterstellungen (gehört sich nicht)
- gleichzeitig gehen (überschätzt)
- Joystick aufs Pausenbrot
- Schwaben
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Turbo Kid", Anouk Whissell, François Simard, Yoann-Karl Whissell (2015)
Plus: 11, 21, 25, 49, 66, 73, 74, 80, 107, 122, 135, 152 Minus: 39, 113, 137, 158 Gesamt: 8 Punkte
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|