26.08.2007 | 01:56 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser
 Herkömmliche Löcher, gestalkt in Schottland (Foto, Lizenz)Ok, da ist jetzt also ein gewaltiges Loch im Universum, wer hätte das gedacht. Oder wie Entdecker Lawrence Rudnick bei Spiegel Online offenbar falsch zitiert wird: "Es ist tausend Mal grösser als eine typische Leere", und damit womöglich sogar deutlich grösser als das Loch im Mars. Schön und gut. Aber wann endlich, so fragt man sich, wird es möglich sein, in diesem grössten Loch aller Zeiten Urlaub zu buchen? Und herumzulaufen? Die ultimative Wildnis, das letzte Abenteuer, eine lebensfeindliche Wüste so karg, dass es selbst Sand vor Tristesse dort nicht aushält, geschweige denn Dunkle Materie? Ja, wann? Demnächst, sagt sinngemäss Orbital Outfitters und plant frohgemut eine Art Fallschirmmontur fürs All, ohne Schirm, versteht sich, denn wo nichts ist, kann auch nichts den Fall schirmen. Die Vision: Wenn man in der mittelfristigen Zukunft ein Problem mit Houston hat, dann steige man einfach aus dem Raumschiff und fliege ohne Houston zurück zur Erde – Space-Diving aus 150 Meilen Höhe. Im Vergleich dazu sehen die gängigen Programme zum Weltraumtourismus (z.B. Jeff Bezos' Blue Origin) in der Tat aus wie Baden an der Costa Brava. Zugegeben: 150 Meilen mag ein grosser Schritt für die Orbital Outfitters sein, hingegen für das ultimative Ziel ist es nur ein, naja, reden wir nicht drüber. Aber, hey, man wird ja wohl noch. Das Megaloch im Universum hat einen Durchmesser von nur 6.000.000.000.000 ähm 000.000.000 Meilen. Knapp.
25.08.2007 | 20:15 | Berlin | Papierrascheln
 (Foto: Houses of the Future) Architekt Baaske mit seinem Werk (Foto: Jan Bölsche)Berliner Kartonagenhersteller boten im 19. Jahrhundert "preiswerte Wohnkästen" aus Pappe an, um die Wohnungsnot zu lindern, so steht es in "Berlin" von David Clay Large nachzulesen. Seither kommt immer wieder mal jemand auf die Idee, Pappe sei eine "genuine short-term housing option". In Australien kann man für nur $35.000 das Cardboard House (oben) erwerben, und auch die Riesenmaschine (unten) experimentiert bei "9to5 – Wir nennen es Arbeit" im Berliner Radialsystem erstmals mit einem eigenen Redaktionssitz aus dem innovativen Traditionsmaterial. Beide Unterkünfte sind "lightweight, transportable" und erfordern "no more skill to erect than an Ikea product"; bei der Pappriesenmaschine beliefen sich die Materialkosten auf nur 14 Euro pro Quadratmeter. Das neue modulare Betriebsgebäude ist problemlos erweiterbar, langfristig ist die Anschaffung eines Firmenwagens aus Pappe geplant. Später wird zur Einweihung Sekt aus Pappbechern gereicht.
24.08.2007 | 22:00 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Supertiere
 Uralt und sieht trotzdem aus wie ein Pokémon: der mocmoc in seinem natürlichen Lebensraum. Bild: ComcomWer als Reisender dieser Tage nach Romanshorn kommt, begegnet dort einem Rätsel. Beim Baden am See, beim Eiskaufen und in der Pizzeria hört er immer wieder vom "Slouöp", das ganze Dorf am Bodensee ist im Banne des Slouöps. Ältere Romanshorner scheinen ihn eher zu fürchten oder zu verachten, die jüngeren aber scheinen sich auf ihn zu freuen. Und es scheint, als erwarte man seine Ankunft für dieses Wochenende. Unwillkürlich erinnert sich der Reisende an den mocmoc, jene Ente, die Romanshorn vor drei Jahren in grosse Aufregung versetzte, es zum Gespött der ganzen Schweiz machte und für kurze Zeit in den Fokus der heimischen Kunstszene rückte. Damals präsentierte das Künstlerduo Comcom der Presse im Rahmen eines ausgeklügelten Kommunikationskonzeptes eine angeblich im Gemeindearchiv entdeckte Urkunde, auf der die Legende des Mocmocs verzeichnet war. Das Fabelwesen Mocmoc sollte demnach der Gemeinde zu ihrem Namen verholfen haben, was aber in Vergessenheit geraten sei.
Der ganze Gemeinderat, die Kunstkommission und die wenigen Eingeweihten spielten das Spiel mit, die Künstler präsentierten kurz darauf das Fabelwesen als gehörnte gelbe Polyesterfigur, halb Ente, halb Fisch, mit einem Schuss Einhorn und einem nachts rot leuchtenden Herzen. Als der Schwindel aufflog, war die Bevölkerung entsetzt, es bildeten sich Bürgerinitiativen, der Gemeinderat entschuldigte sich und es wurde die in der Schweiz obligate Volksabstimmung durchgeführt. Die von den Mocmocbefürwortern erstaunlicherweise knapp gewonnen wurde.
Der Mocmoc durfte an seinem Standort auf dem Bahnhofsplatz bleiben – und jetzt kommt also der Slouöp. Mocmoc und Slouöp, Romanshorn gibt sich wirklich alle Mühe, seinen Besuchern etwas zu bieten. Aber erst, wenn der Reisende Romanshorn wieder verlässt, wird ihm dank einer Werbetafel am Strassenrand ernüchtert klar, worum es sich beim Slouöp eigentlich handelt. Um eine Art autofreien Sonntag also, den die Einheimischen lediglich nicht richtig auszusprechen wissen. Beachtenswert ist daran dann leider nur noch dieses PDF, das erklärt, wie man mit dem Auto zum autofreien Slouöp anreisen kann.
23.08.2007 | 22:42 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Wir alle kennen und lieben Pliasmen, also erfundene Fremdworte. Aber ist es wirklich richtig, dass eine Firma wie Garnier mit Nahrologie ein deutschgriechisches Wortmonster mit scheinwissenschaftlichem Abgeschmack in die Wortwelt presst, die noch immer an den Folgeschäden der Erfindung der "Cerealien" in den 90er Jahren leidet? Noch vor wenigen Monaten hätte die kulturpessimistische Sprachbewahrsekte, nennen wir sie die Sicks, darauf eine eindeutig abschmetternde Antwort gegeben. Das tut sie vermutlich heute immer noch, aber inzwischen ist das Gegenteil bewiesen, bzw. lässt sich mittelgeschmeidig herleiten.
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Denn auf dieser Grafik ist für den Zeitraum von 1951 bis 2007 dem Weltwirtschaftswachstum gegenüber der Verwendungzuwachs von Hautcreme abgetragen (Quellen: Wikipedia, Institut für Wirtschaftskosmetik [pdf, 12,4 MB]). Es ergibt sich nicht nur ein direkter Zusammenhang, inklusive der bezeichnenden, typisch 24-monatsverschobenen Einbrüchen zu den Ölkrisen '73 und '79 und dem Spontaneinbruch zur Wiedervereinigung. Darüberhinaus lassen sich vor allem in den Spitzen die grossen Innovationen der Hautcremebranche ablesen: Die '63er sogenannte "Nivea-Explosion", als man bei Beiersdorf mit flächendeckender TV-Werbung begann; der Oil of Olaz-Gipfel von '76 bis '79; die Entdeckung von Ersatzstoffen für ionische Tenside '81 und der Boom der konservierungsstofffreien Gesichtskosmetik '97.
Klar scheint nun, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Weltwirtschaft und der Verwendung von Hautcremes in Deutschland und Europa. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist für alle Nichtfachleute, besonders aber für alle Fachleute noch vollkommen unklar, warum das so ist und vor allem, welcher Faktor von welchem abhängt. Bis das geklärt ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Innovationen auf dem deutschen Hautcrememarkt direkt positive Wirkung auf den Wohlstand der Welt haben. Märkte sind Psychologie und so muss jeder Versuch einer gefühlten Innovation, sei er auch noch so hanebüchen, euphorisch begrüsst werden: Danke, Garnier, super.
22.08.2007 | 17:32 | Berlin | Alles wird besser | In eigener Sache
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die ortlose Riesenmaschine erprobt ab morgen drei Tage lang erstmals das Konzept "Redaktionssitz", und zwar im Radialsystem V bei 9to5 – Wir nennen es Arbeit. Dort werden die kleineren unter unseren Autoren (also schon mal nicht Sascha Lobo) in einem winzigen, von Martin Baaske noch zu gestaltenden Pappkarton auf Kinderstühlchen kauern und Beiträge schreiben. Der Wetterbericht ist gut, wir werden es daher überwiegend nicht Arbeit, sondern "Herumlungern auf Liegestühlen" sowie "Unternehmen von Spreerundfahrten auf Dampfschiffen" nennen. Vor Ort können auch die noch übrigen Riesenmaschine-T-Shirts sowie (kommender Jahreszeitentrend "Herbst"!) bisher unveröffentlichte Riesenmaschine-Kapuzenpullover erworben werden.
In der Kernzeit zwischen 21:00 und 5:00 finden dort auch allerhand Vorträge und Workshops statt, z.B. mit Tom Hodkinson ("How to Be Idle") und Regine Debatty (We Make Money Not Art). Aus Eitelkeit und Platzmangel seien hier nur die Veranstaltungen aufgeführt, an denen Riesenmaschine-Autoren beteiligt sind: Am Freitag ab 22:00 Supatopcheckerbunny und Hilfscheckerbunny in "Berlin Bunny Lecture Economy", ab 2:30 Kathrin Passig mit dem Arbeitsvermeidungsworkshop "Putting the Pro in Procrastination", ab 4:00 Kathrin Passig und Sascha Lobo mit "Wie ich die Dinge geregelt kriege – ohne einen Funken Selbstdisziplin", am Samstag ab 16:00 Holm Friebe und Philipp Albers in "Was wäre ein linker Neoliberalismus" sowie um Mitternacht Kathrin Passig, Bettina Andrae und Klaus Cäsar Zehrer in der Lesung "Subventionen selbstgemacht", bei der jeder Zuhörer 5 Euro Eintritt erhält. Wer da nicht dabei ist, wird es lange bleiben.
Wer in den Kommentaren zu diesem Beitrag am glaubhaftesten darlegen kann, dass er/sie etwas ungemein Uneinträgliches Arbeit nennt und dringend eine dreitägige Kur mit Sonne, Liegestuhl und WLAN benötigt, bekommt ein Dreitagesticket geschenkt (kostet sonst 50 Euro). Zweiter Platz: ein Abendticket (kostet sonst 20 Euro) und als Trostpreis gibt es ein T-Shirt mit der Aufschrift "In Wirklichkeit bin ich viel wichtiger als Holm Friebe" (unbezahlbar).
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Filzeltern
- Votivtafeln
- Catch 23 (selbstlösendes Problem)
- Fantum in Rantum
SO NICHT:
- Blumendraht
- Völkertotschlag
- Haft bis zu 6 Wochen
- Bobobos (bourgeoise Bohème-Bonmots)
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Chronicle", Josh Trank (2012)
Plus: 1, 3, 8, 48, 69, 89, 96, 144 Minus: 33, 91, 97, 113, 161, 183 Gesamt: 2 Punkte
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