Der neueste Partytrend aus den Metropolen – Fledermäuse, die Überflieger des Nachtlebens, haben ihn erfunden. Auf ein geheimes Ultraschall-Zeichen hin versammeln sie sich spontan und Flashmob-artig an privaten Locations, deren Bewohner meist gar nichts davon wissen und von der tosenden Party überrascht werden, wenn sie nach Hause kommen. So geschehen bei Malte B., der so geistesgegegnwärtig war, das Geschehen zu filmen, bei Youtube einzustellen und uns darauf hinzuweisen. Was hecken die Party-People der Lüfte als nächstes aus? Spontane Air-Raves in Fussgänger-Unterführungen? In Sparkassen-Foyers? Wir sollten auf alles gefasst sein.
Aus 597 flickr-Fotos rekonstruiertes 3D-Modell von Notre Dame (Foto: jurvetson) (Lizenz)Für Tätigkeiten, die eher durch Fleiss und Ausdauer denn durch intellektuelle und kreative Herausforderungen zu charakterisieren sind, schuf der Mensch aus Sand und aus Faulheit den Computer, auf dass er ihn beim Berechnen der Abschussparameter ballistischer Raketen und beim Werfen von leeren Ölfässern auf verliebte Klempner ersetzen möge. Um den nun ununterbrochen auf ihn einhagelnden kreativen und geistigen Herausforderungen Einhalt zu gebieten, erfand er ausgefeilte Freizeitbeschäftigungen, die sich mit Fleiss und Ausdauer begnügen: die DDR, die Steuererklärung und das Tausend-Teile-Puzzle.
Menschen, die das nicht verstanden haben oder einfach kein anderes Thema für ihre Diplomarbeit finden, machen sich daran, diese beliebten Aufgaben nun abermals Gevatter Elektronenhirn aufzuerlegen. Etwa Noah Snavely, Steven M. Seitz und Richard Szeliski vom Graphics and Imaging Lab der University of Washington beziehungsweise Microsoft Research, die sich des Puzzleproblems angenommen haben. Genauer gesagt einer vereinfachten Aufgabenstellung, die davon ausgeht, dass die Motive der einzelnen Teile sich grossflächig überlappen. Und es sind eben auch keine physischen Teile, sondern digitale Fotos, die automatisiert zu einem grossen Ganzen kombiniert werden. Dabei ergibt sich als Abfallprodukt nicht nur ein 3D-Modell des vielfach fotografierten Objektes, sondern auch die genaue Positionsbestimmung der beteiligten Kameras. Egal, ob es sich dabei um Handys oder Spiegelreflexgeräte handelt: Wenn das Puzzle gelöst ist, was schon mal 2 Wochen dauern kann, ist bekannt, an welchen Positionen die Fotografen gestanden haben, jedenfalls relativ zueinander – und das ganz ohne GPS.
Im Bild zu sehen ist, was passiert, wenn dem Algorithmus (PDF Dokument) sämtliche mit "Notre Dame" getaggten Fotos auf flickr zum Frass vorgeworfen werden. Das eigentliche Puzzleergebnis jedoch lässt sich nur anhand dieser Präsentation (die letzen 2/3 handeln von Photosynth) vermitteln, die zeigt, wie wir schon in ganz naher Zukunft durch die Fotos der von Touristen flächendeckend dokumentierten Sehenswürdigkeiten unserer Welt morphen werden. (Noch beeindruckender als diese Präsentation ist das Video zum Paper (Quicktime 120MB oder WMV 55MB), das aber unter Umständen leider vorm Ansehen komplett heruntergeladen werden muss.)
Und weil als Nebeneffekt alle verwendeten Fotos dann sehr exakte Angaben über Position und Aufnahmewinkel haben, können wir zukünftig auf das Fotografieren von Sehenswürdigkeiten endlich ganz verzichten: Ein Klick auf den GPS-Empfänger zeichnet Position und Ausrichtung auf, und zu Hause sehen wir uns dann einfach die Bilder an, die vorher schon hundertmal genau aus dieser Perspektive gemacht wurden. Dann sind auch nicht immer diese Kinder im Bild. Oder zumindest nicht die eigenen.
(Foto: glasgows) (Lizenz)Weltverbesserung vollzieht sich selten von heute auf morgen, sondern meist in vielen kleinen, mühsamen Schritten, man denke an die Arbeit am 26-Stunden-Tag. So war die Freude gross, als in Berlin Ende vergangenen Jahres das Ladenschlussgesetz dahingehend geändert wurde, dass die Geschäfte so lange auf haben können, wie sie wollen (ausser sonntags) – bloss dummerweise wollte keiner. Also musste man weiterhin um 22 Uhr schon wissen, was man drei Stunden später zu Abend essen würde. Ein Teufelskreis!
Aber jetzt: Wie die Berliner Zeitung gestern meldete hat seit einer Woche die Reichelt-Filiale in der Berliner Strasse in Wilmersdorf ununterbrochen geöffnet (ausser sonntags). Nun ist Wilmersdorf zwar nicht gerade der Mittelpunkt des urbanen Berlins, aber immerhin, ausserdem gibt es ab 22 Uhr kostenlosen Kaffee. Und vor allem: Schon zieht Kaiser's nach, zumindest ein wenig, und lässt seine Filialen in der Zossener Strasse, der Schönhauser Allee und der Bismarckstrasse bis 24 Uhr offen. Schon bald werden auch die anderen Ketten fallen wie die Dominosteine (ausser sonntags).
Aus Deggendorf erreicht uns derweil die Meldung, dass seit gestern die städtischen Tiefgaragen rund um die Uhr geöffnet sind. Der Nachttarif kostet pauschal 1,10 Euro.
Spül mir ein kleines Arbeiterkampflied... (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Im Supermarktregal gesehen hat man sie schon länger: jene Sonderform der Waschgel-Flasche von Persil zum soundsovielten Firmenjubiläum. Auch gekauft und nach Hause getragen. Aber vielleicht nicht ganz begriffen, was sie an symbolischen Überschuss in sich trägt, woher die Pathosformel stammt, die darin anklingt. Vielleicht braucht es zwei davon, die zusammen genommen an die Zweifigurengruppe Arbeiter und Kolchosebäuerin von Muchina auf dem Sowjetischen Pavillion der Pariser Weltausstellung von 1937 erinnern. Vielleicht muss einem das zweite Exemplar mit einem Augenzwinkern von Mercedes Bunz zum Geburtstag geschenkt werden, die ja die aufmüpfige Warenform schon quasi im Namen trägt, damit man begreift, dass sich darin das stellvertretende Aufbegehren der Produkte verkörpert, die die revolutionäre Pose des Arbeiterkampfes zitieren: der Aufstand der Warenform gegen sich selbst! Antonioni hat so etwas geahnt, als er am Ende von Zabriskie Point das ganze Gerümpel in die Luft fliegen liess.